Nachtrag zu 1001libraires.com

Das kommt davon, wenn man frech ist - ich werde derzeit ein wenig von Feedback zu meinem Artikel im Buchreport-Blog überrollt, wobei auch viel Feedback an mir vorbeirollt - etwa wie hier bei Facebook. Da ich in der heißesten Phase der Buchproduktion nicht die Zeit habe, auf jeden einzeln einzugehen, hier ein paar Ergänzungen, die vielleicht Fragen beantworten:

1. Buchmarkt und Buchgeschehen in Frankreich sind kaum mit dem in Deutschland zu vergleichen. Man kann sich also Dinge abschauen, wird die aber natürlich anpassen müssen (etwa bei der Logistik). Was meiner Meinung nach kein Grund ist, nicht über die Grenzen zu schauen.

2. Die Plattform ist natürlich nicht wie das goldene Ei aus dem Feuer geboren worden. Vorangegangen sind tüchtige Streitereien unter unabhängigen BuchhändlerInnen, die erfahrungsgemäß starke Individualisten sind. Zwölf Jahre sollen diese Vorgespräche zu einer Idee laut La Libération schon laufen und man werfe der Plattform immer noch vor, nicht politisch und aggressiv genug gegen Buchketten und Amazon & Co. aufzutreten, obwohl man sich als Gegenpol versteht.

3. Informationen über die organisatorischen und unternehmerischen "Innereien" der MacherInnen findet man hier. Es handelt sich um eine SAS, also eine "Aktiengesellschaft vereinfachter Form" aus unabhängigen Buchhändlern und Vereinigungen mit einem Kapital von 720.000 E, wobei jeder neu dazu kommende Buchhändler entweder einfach nur Mitglied auf der Plattform werden kann oder auch Aktionär. Die Plattform nimmt keinerlei Provisionen, sondern umsatzabhängige Jahresbeiträge.

4. Laut Libération verfügt die Gesellschaft über eine Finanzierung von 2,2 Millionen Euro durch zinslose Kredite, aufgebracht durch 500.000 Euro Kapital vom Centre national du livre und die Einlagen von 36 Buchhandlungen und Buchhandelsvereinigungen. (Achtung, die 2,2 Mio E sind sozusagen Sicherheiten, kein tatsächlich vorhandenes Geld: Das Gesellschaftskapital liegt bei 750.000 E). Hier lässt sich sehen, welche Power unabhängige Buchhändler mit den richtigen Partnern aufbieten können.

5. Haben wir in Deutschland eine vergleichbare, unterstützende Organisation wie das Centre national du livre? Der Börsenverein würde wohl kaum eine halbe Million Euro für ein paar seiner Mitglieder locker machen? Ich denke, da bräuchte es in Deutschland andere Partner.

6. Als Einwand kommt immer wieder die Angst vor Amazon: Was, wenn der Riese erfolgreiche Plattformen "einsackt"? Meine Gegenfrage: Gründet man denn ein Unternehmen, weil man Angst vor Erfolg hat???

7. Vergleiche mit buchhandel.de, libri.de und buchkatalog.de haben mich ein wenig gewundert. Dort werden Buchhandlungen und ihre Angestellten meiner Meinung nach keineswegs in Szene gesetzt und in den Mittelpunkt gestellt (oder habe ich etwas verpasst?) Wenn überhaupt ein ungefährer Vergleich möglich wäre, dann würde ich lovelybooks.de nehmen und sagen: Was dort die LeserInnen als Community leisten, leisten hier die BuchhändlerInnen.

update:
Wer des Französischen mächtig ist - ebouquin veröffentlichte eine harte Detailkritik des Portals, worauf man bei Twitter von dort verlauten ließ, man sei noch in der Betaphase. Das hätte man dann doch besser deutlich aufs Portal geschrieben!
Hauptkritikpunkte: Elende Navigation, schlechte Usability und jede Menge technischer Unzulänglichkeiten. Außerdem sei der von den Buchhändlern bereitgestellte Content im Vergleich mit Onlinehändlern wie Amazon völlig unzureichend und 180 Buchhandlungen seien für einen Start zu wenig. Äußerst skeptisch fragt sich der Verfasser, ob es so wirklich zu einer echten Community zwischen Buchhändlern und Lesern kommen würde. Schwer zu sagen, denn auch gestern waren die Server die größte Zeit down, so dass der Mailverkehr zum Buchhändler der eigenen Wahl wohl noch die verlässlichere Methode ist.
Schade. Aber leider ist es ein wenig symptomatisch, dass in Frankreich Websites mit großem Brimborium an den Start gehen, die sich eigentlich noch in der tiefsten Betaphase befinden - ohne dass dies kenntlich gemacht wird. Irgendwann bleibt dann die Kundschaft aus und die Webleiche liegt im Netz. Hoffen wir, dass sich das Portal ganz schnell fängt.

4 Kommentare:

  1. Hallo,

    zu 6. Als Angst würde ich das nicht bezeichnen. Man muss halt damit rechnen, dass man eines Tages von der Konkurrenz geschluckt wird, sofern man nicht als Genossenschaft oder Verein unterwegs ist.

    Lovelybooks.de wäre sicher ein Paradebeispiel, wenn da nicht die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck GmbH dahinter stehen würde. Das ist vielen fleisigen und aktiven Mitgliedern von lovelybooks bestimmt nicht bewußt. Böse Zungen behaupten, dass dort überdurchschnittlich viele Bücher vorgestellt werden, die von Verlagen stammen, die zum Holzbrinck Konzern gehören.

    Sicher, da ist nichts verwerfliches dran, aber von Unabhängigkeit kann man auch hier nicht sprechen.

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  2. Ich verstehe deinen Einwand nicht ganz. Lovelybooks dient mir lediglich als Vergleich für eine Plattformstruktur (Community statt reiner Shop-Datenbank, grob gesagt), nicht für Unternehmenseigner (die sind übrigens allgemein bekannt).

    Ich nehme mal stark an, dass sich unabhängige Buchhändler, die ein Unternehmen dieser Größenordnung absichtlich *gegen* die großen Player gründen, auch gründlich Gedanken gemacht haben, wie sie das durchziehen und sich schützen können. Man kann auch, statt als Gemeinschaftswerk geschluckt zu werden, einzeln sang- und klanglos in die Pleite wandern - ohne Übernahmeangebot!

    Was hinderte denn die deutschen Buchhändler daran, eine Genossenschaft zu gründen (zumal es die Form der SAS in D. nicht gibt)?

    Ich persönlich als ewige Freiberuflerin und ehemalige Gründerin einer GmbH verstehe einfach nicht die innere Haltung, die ich in 6. anspreche. Würde ich ständig auf die Konkurrenz und die Größeren schielen, könnte ich nicht nur nachts nicht mehr schlafen, sondern würde auch nichts gebacken bekommen. ;-) Wer Unternehmergeist hat, hat auch Mut zum Risiko. Nur wer wagt, gewinnt...

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  3. update: Neue Kritik wird laut (oben im Text)

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  4. Nachtrag: Das Unternehmen ging sang- und klanglos nicht lange nach dem Start unter ... ein Geldgrab.

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