Begeisterung und Leidenschaft

Eben habe ich mich mit einem Kollegen darüber unterhalten, welch unsägliche Papierverschwendung noch in vielen deutschen Verlagen vor allem bei Bewerbungsvorgängen praktiziert wird, die längst durch Mails und pdfs ersetzt werden könnten (und das pdf nur nach Bedarf ausdrucken). Und dann gibt es wieder Verlage, die völlig mit der Zeit gehen und eine ungeheure Flexibilität zeigen. Manche schaffen das sogar in Sachen Kommunikation. Ein echtes wahres Märchen vom frechen Kabeljau Fjodor ist im Blog von Annette Schwindt zu lesen. Sie erzählt, wie sie bei Facebook mit einem Menschen ins Gespräch kam, der sich als Verleger entpuppte, ihm zufällig von einer norwegischen Kinderbuchserie erzählte, die ein Kunde und Freund geschrieben hatte. Am Ende gegenseitigen Kommunizierens und vor allem Helfens steht eine Neuerscheinung: "Fjodor flippt aus" ist beim Ritter-Rost-Verlag Terzio erschienen - inklusive Musik zum Mitsingen (und ich könnte wieder Kind werden, dieser Fjodor ... hach...)

Wenn es im Verlagsgeschäft doch immer derart begeistert und leidenschaftlich zugehen würde! Der Unternehmensberater Sean Low schreibt bei designtaxi darüber, wie wichtig Begeisterung gerade in kreativen Berufen für den Erfolg ist. Jeder Kreative kennt das: Mit der Zeit geht der enthusiastische Schwung der Anfangsphase verloren, Arbeitsvorgänge werden automatisiert, die Kommunikation zwischen Kunde und Kreativem nimmt womöglich ab. Sein Kernsatz:
"Your businesses rely on the subjective perception of your art as valuable.  Without emotion, your art becomes a commodity and, I am sorry, there is very little joy in producing a commodity."
Wie recht er hat! Also muss die Kommunikation zwischen den Geschäftspartnern wieder in den Mittelpunkt rücken, in der man sich der Begeisterung, Leidenschaft und Freude am Projekt wieder gegenseitig versichert. Vielleicht bleibt keine Zeit für stundenlange gemeinsame Essen, aber Wertschätzung ist auch per Mail schnell ausgedrückt und tut nicht weh.
Wann hat euch euer Verlag das letzte Mal gesagt, was er an euren Büchern mag? Wann habt ihr das letzte Dankeschön für eine Übersetzung, ein Lektorat oder eine andere Dienstleistung bekommen - womöglich gekoppelt an Wertschätzung für eure Arbeit? Wann habt ihr eurem Verlag das letzte Mal signalisiert, wie zufrieden ihr mit seiner Autoren- und Buchpflege seid?

Weniger begeisternd ist der Job des Zeilenschinders. Hauptsache Content, in gewünschter Länge und auf Bestellung. Andreas Winterer setzt ihm in seiner Kolumne "Google, Gott und Gollum" ein köstliches Denkmal - jedem zu empfehlen, der irgendwie mit seinem Text nicht hinkommt. Die "Kolumne, die die Welt nicht braucht" ist zwar schon etwas älter, aber ich bekam heute den Link für meinen Aufschrei beim Buchsatz geschenkt: "Wie, verdammt noch mal, schaffen es die Setzer, bei einem durchgehend bebilderten Buch die Kapitel immer auf einer rechten Seite anfangen zu lassen!?"

Mehr Leidenschaft kommt da auf, wenn man in tollen Buchcovers und Blurbs schwelgen kann (warum schweigt sich der Duden hartnäckig über die Pluralbildung von Buchcover aus?). Sechs Autoren machen das bei The AWL. Allen wurden die gleichen Fragen gestellt: Inwieweit sie bei der Covergestaltung eingebunden waren und welche Erfahrungen sie damit machten, wie wichtig Cover oder Blurb für den Verkauf war, wie sie an gute Blurbs gekommen sind und ob sie bereit wären, Kollegen einen Blurb zu geben. Spannend vor allem deshalb, weil ein Autor gleich drei Coverentwürfe nebeneinander stellt.

Apropos Bewahren der Leidenschaft: Ich habe einen "in Aussicht gestellten" Verlagsvertrag abgesagt. Das Projekt Nijinsky hat mir endgültig bewiesen, mit welcher Verve und welchem Enthusiasmus man an einem Projekt arbeitet, wenn man die Angst um Verlagspleiten und den Ärger über andere Ungenießbarkeiten einmal nicht im Nacken hat. Nicht, dass ich dadurch tatenlos würde - das Thema verwandelt sich gerade in ein deutsch-französisches Projekt. Da wird es wieder viel Neues zu lernen geben, aber der Weg von der Auftragsschreiberin zur Entwicklerin gemeinsam mit binationalen Partnern ist so herausfordernd, dass ich das als Glückstag verbuche. Schließlich sieht es so aus, als würden all meine Berufe, Fähigkeiten und früher vielleicht unsinnig erscheinenden Umwege endlich einmal einen gemeinsamen Weg finden.

2 Kommentare:

  1. Überhaupt hat man zuweilen den Eindruck, dass Menschen trotz sozialer und interaltiver Vernetzungs-Spielzeuge kaum mehr miteinander sprechen. Da werden vielleicht noch Informationsen ausgetauscht, wenn es gut läuft. Substanz, kreative Ideen und gemeinsames Denken und Fabulieren bleiben da oft auf der Strecke. Ein lehrreicher Artikel!

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  2. Weisst du, ich lese in letzter Zeit in so vielen Blogs, an welchen menschlichen Schwächen Internet und Social media angeblich schuld seien, so dass ich ganz klar sagen möchte: Viele dieser Deformationen rühren von völlig anderen Ursachen her. Es ist fast zu schön, wenn man dann alles auf die "Spielzeuge" schieben kann. Das hat man aber schon bei seiner Erfindung dem Radio anlasten wollen und den Massenmedien bereits im 19. Jhdt.

    Sind es nicht eher die Unternehmensstrukturen, die immer brutaleren Leistungsanforderungen, die Austauschbarkeit von Angestellten und das Gezocke um Maximalprofite, die Menschen in ein Hamsterrad bringen, in dem Misstrauen wichtiger scheint als lebendiger Austausch, in dem man rund um die Uhr verfügbar sein muss, sich aber keine Blößen geben darf?

    Interessant ist ja, dass die Unternehmen, die umdenken, ausgerechnet durch Social media andere Kommunikationsformen entwickeln - ich denke da z.B. an open room Diskussionen zwischen Firmenleitungen und Mitarbeitern.

    In der Buchbranche ist das nicht anders: Große Verlage sind zu Fabriken geworden, nicht wegen der Vernetzungsspielzeuge, sondern wegen McKinsey, der eigenen Controllerabteilung und der Tatsache, dass entscheidende Lektoren Produktmanageraufgaben erfüllen müssen.
    Aber trotzdem gibt es auch in solchen Firmen Menschen, die wirklich noch kommunizieren wollen. Und was machen die? Vernetzen sich z.B. bei den BücherFrauen oder spielen mit Facebook und Twitter herum ;-)

    Der entscheidende Großteil der Twittermitglieder rekrutiert sich aus Kreativen, Medienmenschen, Kommunikationsleuten - und deshalb wird Twitter sehr stark für gemeinsames Denken, Fabulieren (Twitteratur!) und gemeinsames kreatives Arbeiten auch offline genutzt.
    Ohne Internet hätte ich zu vielen meiner Kollegen nicht den inspirierenden Austausch - ich würde sie nicht einmal kennen.

    Nein, ich denke, wenn die Kommunikation unter Geschäftspartner nicht mehr stimmt, hat das tiefere Gründe. Übrigens kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass es meist die radikalen Offliner und iphone-Gegner sind, mit denen die Kommunikation sehr mühselig sein kann. Obwohl man auch das nicht pauschalisieren kann.

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