Blaurausch

Was ist sie so still auf einmal? Das liegt nicht nur am Nachholbedarf, sich ausgiebig vom langen Winter in der Frischluft zu entschädigen, sondern auch an der Endphase von "Ich bastle ein Buch". Ich liege sozusagen im wahrsten Sinn des Wortes in den letzten Zügen mit meinem Nijinsky-Projekt. Eigentlich wäre ich langsam mal reif für die Insel, aber die Arbeit an der Buchherstellung ist so aufregend, faszinierend und befriedigend, dass es einfach Freude macht und man keine Überstunden zählt.

Überhaupt habe ich selten so viel und so fokussiert gearbeitet wie in diesem Sabbatsemester, das ich einzig und allein dem Erlernen neuer Techniken, neuer Kommunikations- und Marketingformen und dem "Buchmachen" widmen wollte. Das klingt paradox, weil ich auch sonst eher zu viel arbeite. Aber diesmal war es einfach möglich, ohne lästigen Alltagskram, Kunden-Hin-und-Her oder kurzlebigem Texten hochkonzentriert ein Projekt durchzuziehen, das zumindest für mich so noch nie dagewesen ist. Entsprechend viel habe ich gelernt. Ich habe ohnehin den Eindruck, das war wie ein Crash-Kurs in einem neuen Beruf, welchem auch immer ... Und wer glaubt, das Bücherschreiben sei ein einsames Geschäft, dem kann ich sagen, dass man beim Büchermachen dagegen unwahrscheinlich interessante Menschen kennenlernt. Das geht so weit, dass ich bereits Konzepte im Kopf habe, wie man nicht einmal mehr einsam an einem Buch schreibt - der zweite Teil des Nijinsky-Projekts wird verraten, was in Sachen Buch heute an Vernetzung möglich ist.

Viel hat sich verändert. So viel, dass es auf manchen Wegen kein Zurück mehr gibt, weil ich entweder zu mutig, zu kritisch oder zu andersdenkend geworden bin. Für ein Projekt, das für mich ursprünglich ausschließlich innerhalb des herkömmlichen Verlagsgeschäfts denkbar gewesen war, verzichte ich auf einen Verlagsvertrag. Das mag für viele, die meine Farbvorlieben kennen, zu blauäugig scheinen, aber die ganze Maloche des vergangenen halben Jahrs hat sich gelohnt - ich werde demnächst im Brotberuf an einem neuen Konzept von Büchern mitarbeiten. Damit bewege ich mich natürlich fast schon auf der "anderen" Seite - den Fragen des Verlegens, des Vertriebs, des Marketings.

Auch wenn ich mich oft zwischendurch fragte, wo denn in Zukunft die Zeit bliebe fürs reine Schreiben, habe ich an der neuen Arbeit einen Narren gefressen. Früher ging die Zeit vom Schreiben einfach durch andere Dinge ab. Da war entweder die Lektorin zur Unzeit im Urlaub oder die Presseabteilung kam nicht bei, dann forderte der Zwang zum Geldverdienen seinen Tribut mit Fremdarbeiten. Habe ich also wirklich so viel weniger Zeit als früher durch den Aufbau von Social Media Kontakten, durchs Einlernen und Herstellen? Zugegeben: Wenn man etwas zum ersten Mal macht, ist es einfach krass. Aber das ist bei jeder Unternehmung so. Jetzt, nach dem ersten Buch, weiß ich, wo die Zeitfallen liegen, wie man sich bei der Herstellung organisiert. Und ich muss auch nicht mehr alles von Grund auf neu ausprobieren.

Was ich unentgeltlich experimentiert und gelernt habe, bringt in naher Zukunft hoffentlich auch Geld in die brotberufliche Börse. Mein Angebot ist breiter geworden. Ich habe Know-How zu vermitteln. Dass es keineswegs lohnt und nicht immer gedankt wird, alles großzügig kostenlos unters Volk zu verteilen, habe ich in dieser Zeit mit meinem Blog gelernt. Sage und schreibe ZWEI Blogleser, davon eine aus meinem persönlichen Bekanntenkreis, haben sich bisher mit einem Buchgutschein für meine ständige Arbeit bedankt. Zwischen 800 und 1000 Menschen lesen das Blog dagegen jede Woche! Für mich heißt die Konsequenz nun nicht Abschalten des Blogs. Wirklich weiterbringendes, nachhaltiges Know-How werde ich jedoch künftig textlich anders aufbereiten und als E-Book herausbringen.

Jetzt geht es an die allerletzten Endarbeiten beim Nijinsky-Projekt. Ich muss nachher noch zwei historische Zeichnungen bei der Nationalbibliothek "einkaufen", die meines Wissens in noch keinem Nijinsky-Buch veröffentlicht worden sind. Auch ein einzigartiges Foto aus der New York Public Library wird es so zum ersten Mal in meinem Buch geben. Ich bin stolz, sie ausfindig gemacht zu haben. Und ich bin den ausländischen Bibliotheken dankbar, dass dort Fotorechte für Kleinstauflagen wirklich erschwinglich sind. Eine Bebilderung aus deutschen Quellen, selbst über die VG Bild und Kunst, hätte ich mir nie und nimmer leisten können. Überhaupt werden Bücher schnell unwirtschaftlich, wenn man Preise zahlt wie ein Verleger mit 5000er Auflage oder allein fürs Anschauen einer Datenbank hohe Gebühren abdrücken muss, die speziell für Verleger gemacht sind. Deutschland ist hier Entwicklungsland.
Danach wollen die Fotovermerke neu getippt werden, die Fotos bearbeitet, das pdf hergestellt. Der Brief an den herstellenden Verlag ist bereits unterwegs.

Auch das Cover ist fast fertig. Als mir der Mensch, der es entwirft, gestern die Datei zuschickte, ist mir ein Großteil einfach weggeschmort und ein winziges kleines Schnipsel geblieben (Witzlein). Es gibt nun wirklich überhaupt keinen Eindruck vom Endprodukt, wirkt völlig anders - aber ich habe es trotzdem aufgehoben, um eine Idee von der Farbe zu geben. Blau wird das Buch. Russischer Blaurausch. Ballets-Russes-Blau.

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