Sprachspaß

Heute ist der ideale Tag (knallblauer Frühlingshimmel, erdölschonend warm), um nichts zu tun. Scheinbar nichts zu tun. Ich gehe im Wald mit meinem Hund so für mich hin ... im Gepäck Proviant und Problemzettel. Ich muss sozusagen interkulturell über Sprachfehler und Humor nachdenken. Gar nicht so einfach, denn gerade in Sachen Humor unterscheiden sich die Mentalitäten grundlegend. Nach 20 Jahren Frankreich kann ich über gewisse Shows hier, in denen sich Erwachsene zu debilen Affen machen, immer noch nicht lachen, während meine Freunde schier abbrechen vor Gröhlen. Nach 20 Jahren Frankreich kann ich allerdings auch deutsche Comedy nicht witzig finden. Trotzdem müsste ich mich in die Funktionsweise von beidem eindenken können, falls ich solche Dinge übertrage.

Angefangen hat alles ganz einfach, beim Übersetzen: Eine Mutter, gebürtige Polin, schreibt ihrem illustren Dichtersohn auf Französisch, er möge endlich auf seine schauderhafte Rechtschreibung achten. Dabei macht sie selbst seltsame Fehler, die beim Lesen aber kaum auffallen. Das ist vergleichsweise einfach zu übersetzen: Verwechselt sie z.B. das Geschlecht, verwendet sie falsche Endungen? Und könnte der daraus "gebastelte" deutsche Text auch von einer Polin geschrieben worden sein?

Nicht so einfach ist das mit Picasso, von dem sicher schon jeder einmal zumindest Zitate gelesen hat. Was bin ich aber über seinen Briefen erschrocken, wie unverständlich die waren - zumindest in jungen Jahren. Picasso konnte nämlich zuerst so gut wie kein Französisch. Er traf sich in Paris zunächst in seiner spanisch-katalanischen Clique - heute würde man das ein Expat-Ghetto nennen. Mit dem Rest der Bevölkerung kommunizierte er mit Händen, Füßen und Pinsel...

An dieser Stelle entsteht für den Übersetzer ein Problem. Ich kann den Text schönen, das hehre Genie nicht antasten. Ich würde also einfach alle Fehler ausbügeln und Picasso im Deutschen "ordentlich" schreiben lassen. Das machen scheinbar viele Übersetzer, sonst wäre mir einer dieser wirklich drolligen und urkomischen Texte schon einmal untergekommen. Wie aber kann ich ihn so übertragen, dass ein deutscher Leser einen ähnlichen Effekt erlebt wie ein französischer? Selbst wenn ich mir jetzt drei Spanier mit schlechten Sprachkenntnissen kommen ließe - schrieb Picasso denn wie ein "typischer" Spanier oder Katalane im Französischen oder war er einfach nur er selbst und ganz anders? Wie weit kann man in der Nachbildung gehen, ohne dass es in Klamauk umkippt? Welche ganz anderen Bestandteile müssen die Sätze in der übersetzten Sprache haben, um verständlich zu bleiben?

Und dann gibt es noch eine Aufgabe, die mir viel viel schwerer fällt. Weil ich auch im Deutschen solche Arbeiten hasse: Titel finden, Schlagzeilen machen. Ich brauche dazu Zeit, Ruhe und Inspiration, die auf Knopfdruck nicht kommt (es sei denn, ich schriebe Klamauk). Schon früher in der Redaktion war ich keine von denen, die beim gemeinsamen Brainstorming die bereits buchstabenabgezählten Schlagzeilen herausbrüllen konnte. Da geht bei mir nichts mehr, Gruppenzwang, Findezwang, Blockade... Vordenken und dann ins Team - das geht.

Nun bin ich zwar bei der Vorarbeit allein, aber wir haben beschlossen, die Titel für unsere deutsch-französischen Texte mit feinen Wortspielen zu bilden. Vom Layout her dürfen sie nur sehr kurz sein. Gleichzeitig sollen sie neugierig machen, die Sinne ansprechen, nicht zu trocken wirken etc. pp. Wir werden sie nicht übersetzen, sondern im Team parallel miteinander arbeiten. Also: Wie packt man hier einen Franzosen und wie einen Deutschen - und sagt beiden trotzdem thematisch das Gleiche?

Da wäre z.B. von französischer Seite aus "la drole de guerre" (leide habe ich hier keine Sonderakzente, Dächlein aufs o). "drole" ist etwas Komisches, Seltsames, ja fast Spaßiges. Es geht um eine böse, ernsthafte, aber aus heutiger Sicht vollkommen verrückte Kriegsgeschichte, bei der sich jeder, der damals nicht dabei war, unwillkürlich an den Kopf greift. Im Französischen funktioniert der ironische Titel vorzüglich, er fordert zum Nachdenken heraus. Wie aber packt man die ach so ernsthaften Deutschen, die beim Thema Weltkrieg sofort Bewältigungsmienen aufsetzen und die ebenfalls nicht sehr rühmlich an der Sache beteiligt waren? Ein Titel mit "Schildbürgern" (für beide Seiten) würde perfekt passen, zumal da ja ein Schutzschild sprachlich mitschwingt. Aber das wäre eine offene Beleidigung - wer will schon Schildbürger genannt werden? Und schon hat man neben der Übertragung Befindlichkeiten zu untersuchen.

All dies werde ich jetzt auf einem Zettel mit mir führen, äußerlich so ausehen, als würde ich einen freien Tag genießen. Wer mir aus Versehen begegnet, wird sich vielleicht wundern, warum da jemand einem Hund alle möglichen Überschriften zuwirft, um auszutesten, wie sie klingen. Zwischendurch werde ich hoffentlich öfter stehenbleiben, um plötzliche Eingebungen zu notieren - die ich abends in den Computer eingeben kann. Also, über Langeweile kann ich wahrhaftig nicht klagen...

10 Kommentare:

  1. Sabine Kanzler25/11/09 13:20

    Auch schön zu übersetzen "Merci pour réspecter de ne fumer pas dans la salle à manger...."(beispielsweise!), wenn der Deutsche (auch beispielsweise!) verstehen soll, dass dort das Rauchen eigentlich verboten ist....

    ;-)

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  2. Das ist ein feines Beispiel, wo man nicht übersetzen, sondern umsetzen sollte... Umgekehrt würde ein gebelltes "Rauchen verboten" in F. klingen wie in diesen alten Nazi-Verulkungsfilmen.

    Besonders schön ist das bei Behördenbesuchen in Frankreich. Eine deutsche Bekannte ist inzwischen neidisch, dass ich mit viel Geduld und Spucke die Sache am Ende irgendwie zum Laufen kriege. Bei ihr endet fast jeder Behördenbesuch in Problemen, Missverständnissen und Chaos.

    Fragte ich sie, wie sie das mache.
    "Ich sage klipp und klar, was ich will." Tja... ;-)
    Allerdings habe auch ich lang gebraucht, um zu lernen, dass man manchmal mehr erreicht, wenn man NICHTS tut. Und seeeeeehr lang warten kann.

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  3. There is ein Problem quand on parliert mit 3 Sprachen, this pendant un jour, none of them really richtig. Obwohl, English mehr meine mother tongue ist als allemand, un situation un peu confusing when man auch with language works. Meine Humor dimension extends to the englischer Humeur, which ist manchmal kritisch wird, parce-que nobody ausser les ros-beefs le comprend.
    Je propose un Euro-Humeur wie ich auch fuer ein Euro-Speak bin. Nachdem der Lissabon Vertrag unter Dach und Fach ist, we can commence avec un new reform.

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  4. Sabine Kanzler26/11/09 14:21

    Mais Monsieur, das wäre doch total domage avec une seule langue in whole Europa. Parceque man doch a lot of interkulturellen Schpass nicht mehr haben könnte....

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  5. Madame Kanzler!
    C'est possibly sehr true. I stimm you zu. Mais, est ce-que the emphasis on Schpass or uff drr Kultur, von "inter" ganz zu silent. Weil "inter" evtl. nach into sounds, un desch wollma nun net, gel? Nous departerons "out of", c'est Angleterre!

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  6. Herrlich, einfach herrlich, mehr! Und dann machen wir ein Buch daraus: "Europlais für Ordentlichschwätzer".

    Mit Osterweiterung - ich komme nämlich gerade aus der Stadt, in der ein Babelfisch, pardon Badisch babbelnder kleiner Junge seinem Papa die Treppenstufen vorgezählt hat: "Ras, dwa, try, tschetyrje, pjat..." Darauf Papa: "A komm jetzert, des hasch erfunne!"

    Und Madame hat im Teeladen für allgemeine Heiterkeit gesorgt, weil ich meine Lieblingsmischung mit den Worten beschrieb: "In Frankreich kauf ich das immer unter der Bezeichnung russischer Tee." Gelächter.
    Achtung, Globalisierung total: "Bei uns in Baden-Baden trinken die Russen OSTFRIESENtee."
    Isch des la culture into crazy?

    (Selten so viel Spaß in meinem Blog gehabt, merci!)

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  7. Sabine Kanzler26/11/09 18:26

    Monsieur,

    erscht amol goht's mr umn Schpass. Wo der herkutt, des isch mir grad wurscht (so sait ma bei eis im Allgei! Und so hammer no a kulturelle Komponente, gell?)
    oder je m'en moque éperdument oder me da igual....(wobei ich die letzte Äußerung von meinem multilingualen Mann mir hab sagen lassen....)

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  8. Ja, es kann Spass machen. Meine Frau ist Englaenderin, ich gebuertig aus Hamburg, in Australien aufgewachsen und wir leben im Elsass - es stroemen 3 Kulturen in unser Domizil - das wird schon mal etwas interessanter.

    Weiter so, Frau van Cronenburg, wir machen mit. Und Frau Kanzler, ich hoff Sie koennen auch einen (auf Papier) SauPreiss dulden.

    Bon soiree a tous.

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  9. Sabine Kanzler26/11/09 20:08

    Ich bin ja sooo was von tolerant! (Manchmal ;-))

    Immerhin habe ich so in etwa 15 Jahre in der Nähe von Hamburg gewohnt....hab mir eingebildet, so was von Hochdeutsch zu sprechen, bis ein kleiner Junge erst mich, dann seine Mutter mit großen Augen anschaute und fragte "Mama, was hat die Frau da gesagt?"

    Doch ein Argument für EIN gesamteuropäische Sprache?!? Oder wenigstens für eine gesamtdeutsche?

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  10. Also... wo wir jetzt schon zu fünft multidingens sind, fehlt eigentlich nur noch ein großer Tisch, ein feiner Wein... vielleicht irgendwo auf der alten Zollgrenze, damit wir hin und herlaufen und Europasubventionen beantragen können? :-)

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