Die Rache des Autors
Hätte ich nur nicht phasenweise derart über den Autor gelästert! Etwa wenn sein Stil vom Klaren und Deutlichen ins Phrasenhafte kippt und Ellipsen verwendet, die man so im Deutschen nicht schreiben kann. Ab und zu fluche ich auch schon einmal, wenn der Autor wieder eines seiner beliebten Witzlein reißt, die ich manchmal auf Anhieb nicht etwa deshalb missverstehe, weil mein Wörterbuch Lücken hätte, sondern weil der Witz an meinem Humor abprallt. Das tut er manchmal auch an dem meiner französischen Freunde und dann heißt es, mit viel Empathie zu überlegen, worüber man lachen soll und wie man das im Deutschen hervorkitzelt.
Noch benutze ich ein Papierband mit dem Konterfei des Autors, um die Zeilen schnell wiederzufinden. Aber ich habe wohl zu laut gelästert. Sein Konterfei zwinkerte mir heute frech zu, diebisch frech. Wart nur, schien es zu sagen, mit mir wirst du noch deine helle Freude haben, von wegen, du übersetzt keine Literatur! Ich zeig dir jetzt, was eine Harke ist...
Plötzlich dreht der Mann auf. Strickt selbst abenteuerliche Metaphern, zitiert aus uralten Briefen und Gesprächen - alles noch kein Problem. Aber ich blättere um und hole tief Luft. Passagenweise kursiv gesetzter Text. Die Passagen werden immer länger. Ich ahne Übles. Ich ahne richtig. Mein Autor macht es sich bequem, zitiert aus den Werken eines berühmten französischen Schriftstellers und Dichters, der sich auch auf Französisch reichlich surreal liest.
Im Normalfall erfindet man längere Zitate älterer Literatur als Übersetzer nicht neu, sondern orientiert sich an deutschsprachigen Ausgaben. Jener Literat ist so berühmt, dass ich sicher war, seine gesammelten Werke in deutscher Sprache in einem ganz bekannten Verlag zu finden. Fehlanzeige. Gähnendes Schweigen selbst in der deutschen Nationalbibliothek. Aus absolut unerfindlichen Gründen ist ausgerechnet dieser Literat bis auf ein paar Gedichte nie ins Deutsche übersetzt worden. Unglaublich.
So wird man ins eiskalte Wasser geworfen. Morgen werde ich mich vorsichtig, ein wenig ehrfurchtsvoll und hoffentlich mit dem richtigen Sprachgefühl an jene Kursivstellen wagen.
Aber das Papierband mit dem fies grinsenden Konterfei des Autors, das werfe ich jetzt weg. Und ersetze es durch ein Lesezeichen, das mich nicht auslachen kann.
PS: Der Autor steckt an. Wer die schräge Metapher findet, gewinnt eine goldene Waschmaschine.
Huch!
AntwortenLöschenWer ist denn dieser bislang unübersetzte Literat?
Aber sei froh, daß der Autor keine Lyrik kursiv gestreut hat!
Ist mir mal passiert bei der Übersetzung eines Krimis - mittendrin plötzlich als neckisches Zitat das Gedicht einer berühmten amerikanischen Lyrikerin.
Und wie du hab ich natürlich gedacht - muß ja längst übersetzt sein.
War's aber nicht.
Ich hab nie so geschwitzt wie über diesen paar Zeilen...
Viel Erfolg bei der Kursivübersetzerei!
Jan
Wer will denn schon eine goldene Waschmaschine? Ttttzzzsssss...
AntwortenLöschenJan, du machst mir Mut - tut immer wieder gut zu hören, dass einem sowas nicht allein passiert. Namen werde ich nicht nennen, das Projekt ist erst öffentlich, wenn's im Katalog steht.
AntwortenLöschenGestern fragte ich noch einen Kenner - der fiel auch aus allen Wolken, dass XY noch nicht übersetzt worden sei, was aber aus der deutschen Geschichte erklärbar wäre - zuerst verboten, dann vergessen.
Es ist sehr lyrische Prosa, surrealistisch dazu. Zum Glück habe ich mein kunst- und kulturgebildetes Europateam, das sich dann knalldumme Fragen von mir gefallen lassen muss.
Also geschwitzt an diesem herrlichen Frühlingstag ... irgendwie beflügeln solche Herausforderungen ja auch.
Merci,
Petra
Geschwitze geschafft (1 Tag für 2 Seiten...). Monsieur XY, der Literat, war spaßiger zu übersetzen als Monsieur l'auteur...
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