Das Machwerk

Zur allgemeinen Belustigung meiner Kritiker, Leser, Lektoren und Verleger ein paar Ausschnitte aus dem "Machwerk", das eben erst entdeckt wurde.
Der berühmte "Klammersatz" am Anfang und Ende:
Mit zielstrebigem Schritt, drei dicke Bücher unterm Arm, in der Hand einen abgekauten Kugelschreiber, einen undefinierbaren Duft von Angstschweiß verbreitend, betritt Herr X das Klassenzimmer.
...
Mit schleppendem Schritt, drei dicke Bücher unterm Arm, in der Hand einen abgekauten Kugelschreiber, einen undefinierbaren, noch penetranter gewordenen Duft von Angstschweiß verbreitend, verlässt Herr X das Klassenzimmer.
Die niedlichen Gags:
(Lehrer richtet sich am Pult ein:) Das knallende Rot des Notenbuchs wird zum krönenden Abschluss. Genau parallel zu dessen Kante darf der Kugelschreiber liegen (...), verzögert wird die Zeremonie nur, wenn er wegrollt.

(Absolut unvorbereiteter Schüler wird geprüft, soll übersetzen:) Doch schon rückt der rettende Schlauch (Übersetzung in Buchform) durchs Weitergabesystem an. Extra stotternd, damit es nicht so auffällt, bringt A es zur druckreifen Übersetzung. Doch da A schon immer nicht besonders gut war, findet Lehrer X auch hier Fehler.
Es kommt zur Vokabelabfrage. Hier endlich scheitert A, weil er sich an so wichtige Vokabeln wie für "Fresser", "Spinnennetz" und "Hinkefuß" nicht erinnern kann. Als er dann noch nicht einmal weiß, dass "sacculus" der "Geldbeutel" heißt, ist das Maß voll...
(später in der Story kommt es dazu:) Um sie (die Schüler) vor dem Gong wenigstens noch einmal wachzurütteln (wohl aus Rücksicht gegen den nachfolgenden Lehrer), schreitet Herr X zu Schüler A, entschuldigt sich (wie allgemein erwartet) und streicht die schlechte Note.
Und schließlich das Streitobjekt: Satire oder nicht, Ironie oder nicht?
Als er den Arm hebt, bietet sich den Schülern der Anblick der höchsten Kunst der Handarbeit. Sein rostroter, verfilzter Rollkragenpulli, den er sage und schreibe schon vierzehn Tage trägt, zeigt eine herrlich schweinchenrosa Flickarbeit, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit verdorbenem Griesbrei zeigt. Da muss eine neue Boutique aufgemacht haben, schließen die Schüler. Denn schon gestern hatte er so einen exzentrischen Flicken-Pulli an...
Haben diejenigen, die noch nicht gelangweilt eingeschlafen sind, gut aufgepasst? Haben auch sie die Autorin überführt?
Nein, nicht des Pamphlets oder irgendeines Straftatbestands, sondern eines viel schwerwiegenderen Vergehens. Die Autorin hat einen Anachronismus (14 Tage, gestern) eingebaut! Es fehlt ihr grundlegend an Logik, und das innerhalb eines Gags!

Viele Lehrer, einige Rechtsanwälte, ein Schuldirektor, Hunderte von Lesern haben sich intensivst mit diesem Text beschäftigt. Und da müssen über dreißig Jahre vergehen, bis die Schriftstellerin die Schülerin überführt, absolut nicht gagsicher zu sein!

3 Kommentare:

  1. Als Ihr Verteidiger, wertes Fräulein, wenn ich einer wäre, würde ich natürlich plädieren,

    – dass nicht nur die Tatsache, dass sich die Verfasserin in ihren Gedanken von der Flickstelle des roten Pulli zu einem auch chronologisch verfehlten Flickenpulli verleiten lässt,

    – sondern auch, dass sie zwischen Angstschweiß (der nicht primär den Achseln zugehört) und Achselschweiß nicht sauber unterscheidet, den fiktionalen, realitätsfernen und damit rein-literarischen Charakter diese Satire jedem Leser geradezu ins Gesicht schreit,

    wobei zugleich die aufgegriffenen Themen und Blickrichtungen eine noch stark pubertär-unsichere Wunschbeziehung zum anderen Geschlecht erkennen lassen,

    was auch dadurch erwiesen wird, dass sie die anständige, ja fast männlich-souveräne Handlungsweise des Lehrers, der eine unangemessen schlechte Note streicht, in dessen pädagigische Konzeption nicht einzuordnen versteht und nur als memmenhafte Gutmütigkeit zu interpretieren weiß.

    – Kurz, hohes Gericht, wir werden doch in diesem in der Formulierung leicht fehlgegangenen Versuch der spätpubertären Schülerin, einen Lehrer anzuschwärmen, welcher ersichtlich auch verwirrende Signale bis hin zu olfaktorischen Markierungen ausgesandt haben mag, nicht den Tatbestand einer Straftat bejahen können.

    Wer das tatbestandlich als Behauptung nachteiliger Tatsachen über eine Person liest, der kann nicht lesen!

    Und hinsichtlich der Rechtswidrigkeit gebe ich zu bedenken, dass es in der publizierten Rechtsprechung noch kein Judikat gibt, wonach die Mitteilung einer tatsächlich bestehenden Neigung einer Person zu Achselschweiß eo ipso eine Formalbeleidigung darstellen würde, oder vielmehr dem Tatsachenbeweis unterliegt. Sie hat ja nicht geschrieben, dass der Lehrer unter den Achseln stinken würde, das wäre was anderes!

    Vom fehlenden Verschulden habe ich noch gar nicht zu sprechen angefangen! Eine etwaige Geringfügigkeit darzulegen ist hier gar nicht mehr nötig.

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  2. Es ist ein Wunder, dass dieser krasse Justizirrtum bisher keinen größeren Schaden angerichtet hat.
    Wenn Achselschweiß nicht verjährt, müssen wir unbedingt dafür sorgen, dass PvC rehabilitiert wird. Das darf so nicht in die Geschichte eingehen!

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  3. Herrlich!!!
    Da schleppt man sich in Tropenhitze unterm Dach an den Computer, hat den Mund voll und prustet beinahe alles in die Tastatur, weil einem die Kommentatoren die absolute Gerichtsshow bieten!
    Aber da sieht man mal wieder, wie Advocards Lieblinge emotionale Finten einsetzen, um zu gewinnen, ohne Rücksichten auf Körperessenzen und die heimlichen Wünsche von Mandantinnen.

    Danke für diese fulminante Verteidigung, danke für die Rehabilitierungs-Bürgerbewegung - was hab ich gelacht.

    Wenn ich doch nur damals den Unernst der Lage erkannt hätte, das Verhängnis, kurz vor dem Abi von der Schule zu fliegen, fühlte sich eher traumatisch an. Später lacht man drüber.

    Und die Moral von der Geschicht?
    Auch Leute, die's nicht konnten, schaffen heute für Verlage Schicht ;-)

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