Schriftsteller entdeckt

Ich freue mich immer wieder, wenn ich einen Schriftsteller entdecke, von dem ich garantiert noch nie etwas gelesen habe. Eben versuchte ich, für meinen Auftritt den Verfasser eines mir anonym vorliegenden Spottgedichts ausfindig zu machen, das angeblich von 1887 stammte, aber absolut modern klang. Die Jahresangabe stimmte.

Sein Verfasser kannte Albert Einstein und die Futuristen gut, erfand Anfang der 1920er das Handy und einen virtuellen Raum - und verlangte von Politikern "Breviloquenz": sich kurz zu fassen.
Die Rede ist vom weithin vergessenen Alexander Moszkowski (1851-1934), einem polnischen Juden, der kosmopolitisch und mehrsprachig in Breslau aufwuchs und in deutscher Sprache schrieb. Und er war nicht nur Satiriker und Utopist, sondern schrieb auch über Sprache und Philosophie. Gern gelesen von Tucholsky ist er eine Wiederentdeckung wert!

Es gibt eine Seite, die sich mit Textauszügen Alexander Moszkowski widmet, einen hervorragenden Artikel von Goedart Palm (Teil 1 / Teil 2 / Teil 3) und Texte im Projekt Gutenberg von Moszkowski. Als Buch ist von ihm in deutscher Sprache nur noch zu haben: "Mensch, reime dich" (fischer TB), ein Band mit witzigen Gedichten.

Alexander Moszkowskis Schicksal steht für das vieler jüdischer Autoren. Von den Nationalsozialisten wurden seine Bücher verboten. Und nach 1945 hat man sich in Deutschland nicht mehr allzu sehr um diese Schätze gekümmert, hat weggeschaut, hat sich von einer wichtigen Strömung an Literatur und Erzähltechniken abgeschnitten.
Viel von der einst verbotenen und dann vergessenen Literatur überlebte in den USA und wurde dort zum Grundstock moderner Erzählkunst und literarischer Experimente. Ob diese kulturelle Leerstelle je zu überwinden ist?
Fischer legte das Bändchen erst 2007 wieder auf, 77 Jahre nach seinem letztmöglichen Erscheinen im Jahre 1930.
Ein Wiederentdecken vor allem der nicht wieder verlegten Texte lohnt sich!

Meine Tagesempfehlung: "Das Gastmahl des Apicius". In diesem kleinen Text nimmt er aufs Korn, was von einem Kunstwerk bleibt, wenn sich Kritiker und Besserwisser darüber hermachen. Parallelen zu modernen Verhältnissen rein zufällig!
Oder wie wär's mit Max, dem in Geigen verliebten, Pfefferminzlikör saufenden Regenwurm? Selbst über den Klimawandel als Segen und die Lösung der Bankenkrise hat sich Moszkowski Gedanken gemacht!


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