Musik wie gemalte Filme
Ich bin hin und weg. Als Synästhesistin, die Musik hörfühlsieht, krame ich immer neugierig nach ähnlichen Phänomenen in der Kunst - und ertappe mich nicht selten dabei, dass ich andere Synästhesisten "erkenne". Eine Kandinsky-Ausstellung hat mich einmal fast erschlagen mit ihrer Intensität an feinen Symphonien. Und wie seit etwa letztem Jahr plötzlich die Avantgardisten und vor allem nun die russische Avantgarde wiederentdeckt werden, war ich nicht wenig überrascht zu erkennen, warum ich seit meiner Kindheit einen besonderen Draht zu dieser Kunst hatte.
Ich bin nämlich über das "piano optophonique" gestolpert, das "optophonische Piano" - oder anschaulicher gesagt - das Hörsehklavier. Erfunden wurde es von dem russischen Künstler Wladimir Baranov-Rossiné (auch Baranoff geschrieben), der seinen Namen im Lauf des Lebens öfter änderte und - wen wundert es - mit Kandinsky bekannt war. Als ich sein Piano entdeckte, staunte ich wie ein kleines Kind unterm Weihnachtsbaum. Aber regelrecht Sehnsucht bekam ich, als ich las, wie intensiv die russische Avantgarde mit Synästhesie experimentierte. Was würde ich darum geben, eins der großen optophonischen Konzerte hörsehen zu dürfen, die 1922 in der Moskauer Oper gegeben wurden! Wie müssen Opern damals ausgesehen haben, wenn man auf der Bühne synästhetisch experimentierte!
Und dann entdeckte ich eine Seite über das, was wir heute so lässig "visual music" nennen, über die Geschichte und auch über Baranovs Piano. Man kann hier (lohnt sich!) sogar eine der Innereien seiner Erfindung sehen - für moderne Augen erinnert die Projektionsscheibe an eine CD, bemalt mit einem futuristischen Gemälde. Ein Kunstwerk in sich. Ja, da war doch auch Apollinaire damals in Paris, der Gedichte in Bildform schrieb und davon träumte, sie würden eines Tages vom Eifelturm gesendet werden, als Tonereignis einer Bildschrift. Und da war Sonia Delaunay-Terk mit ihren orphischen Farb-Licht-Scheiben in Gemälden, im Design.
Meine drängendsten Fragen kann ich mir nicht beantworten, noch nicht. Was machte die Künstler in jener Zeit der Avantgarde so durchlässig für synästhetische Wahrnehmungen? Und warum sind es immer wieder die russischen Künstler und Techniker, die sich intensiv mit solchen Experimenten beschäftigten - bis hin zum wundersamen Instrument Theremin? Wurde solches Forschen und Werken besonders gefördert? Gibt es kulturelle Einflüsse auf synästhetische Begabungen? Oder Kulturen, die diese Begabung frühzeitig unterdrücken? Ich weiß es nicht.
In Deutschland sieht es leider düster aus mit Material. Da galt Synästhesie aber auch allzu lang als Geisteskrankheit und Hirnstörung, die man hoffentlich bald in den Griff bekommen würde. Noch in meiner Schulzeit tröstete mich mein Biologielehrer, dass man sicher bald so weit wäre, erfolgreich am Hirn operieren und Teile davon abtöten zu können, so dass man von diesem "Fluch" befreit wäre. Erst mit Forschungen wie denen von Cytowicz in den USA erkannte man das Potential und die Begabung. Und weil die so schräg und exotisch klingt, ist sie für die Medien immer gut - und jetzt will sie am liebsten jeder haben. Aber es ist wie mit den Gerätschaften der Avantgardisten: Man kann mit ähnlichen Phänomenen experimentieren, Synästhesie lässt sich aber nicht erlernen. Und keiner hat die gleichen Verbindungen, Farben, Töne ...
Einzig lohnender deutschsprachiger Hinweis auf Baranov: Bilder von ihm werden in einer Sammelausstellung in der Hamburger Kunsthalle gezeigt - und siehe da, auch andere Bekannte wie Sonia Delaunay-Terk sind dabei. Die Ausstellung läuft allerdings unter einem ganz anderen Thema:
Tanz der Farben. Nijinskys Auge und die Abstraktion. In der Hamburger Kunsthalle vom 20. Mai bis 16. August 2009
Und eine Website:
Umatic ist eine Gruppe moderner Künstler, die mit den Traditionen der alten "tonewheels" arbeiten.
An dieser Stelle muss ich noch einem persönlichen Ärger Luft machen. Ich hasse Umschriften von Russisch, weil keiner sich auf eine Schreibweise einigen kann. Wer nach Baranov forscht, muss deshalb mühsam auch Baranow und Baranoff nachschlagen. Suchmaschinen können nämlich nicht hörlesen. Wie einfach und eindeutig sind dagegen kyrillische Buchstaben!
Ich bin nämlich über das "piano optophonique" gestolpert, das "optophonische Piano" - oder anschaulicher gesagt - das Hörsehklavier. Erfunden wurde es von dem russischen Künstler Wladimir Baranov-Rossiné (auch Baranoff geschrieben), der seinen Namen im Lauf des Lebens öfter änderte und - wen wundert es - mit Kandinsky bekannt war. Als ich sein Piano entdeckte, staunte ich wie ein kleines Kind unterm Weihnachtsbaum. Aber regelrecht Sehnsucht bekam ich, als ich las, wie intensiv die russische Avantgarde mit Synästhesie experimentierte. Was würde ich darum geben, eins der großen optophonischen Konzerte hörsehen zu dürfen, die 1922 in der Moskauer Oper gegeben wurden! Wie müssen Opern damals ausgesehen haben, wenn man auf der Bühne synästhetisch experimentierte!
Und dann entdeckte ich eine Seite über das, was wir heute so lässig "visual music" nennen, über die Geschichte und auch über Baranovs Piano. Man kann hier (lohnt sich!) sogar eine der Innereien seiner Erfindung sehen - für moderne Augen erinnert die Projektionsscheibe an eine CD, bemalt mit einem futuristischen Gemälde. Ein Kunstwerk in sich. Ja, da war doch auch Apollinaire damals in Paris, der Gedichte in Bildform schrieb und davon träumte, sie würden eines Tages vom Eifelturm gesendet werden, als Tonereignis einer Bildschrift. Und da war Sonia Delaunay-Terk mit ihren orphischen Farb-Licht-Scheiben in Gemälden, im Design.
Meine drängendsten Fragen kann ich mir nicht beantworten, noch nicht. Was machte die Künstler in jener Zeit der Avantgarde so durchlässig für synästhetische Wahrnehmungen? Und warum sind es immer wieder die russischen Künstler und Techniker, die sich intensiv mit solchen Experimenten beschäftigten - bis hin zum wundersamen Instrument Theremin? Wurde solches Forschen und Werken besonders gefördert? Gibt es kulturelle Einflüsse auf synästhetische Begabungen? Oder Kulturen, die diese Begabung frühzeitig unterdrücken? Ich weiß es nicht.
In Deutschland sieht es leider düster aus mit Material. Da galt Synästhesie aber auch allzu lang als Geisteskrankheit und Hirnstörung, die man hoffentlich bald in den Griff bekommen würde. Noch in meiner Schulzeit tröstete mich mein Biologielehrer, dass man sicher bald so weit wäre, erfolgreich am Hirn operieren und Teile davon abtöten zu können, so dass man von diesem "Fluch" befreit wäre. Erst mit Forschungen wie denen von Cytowicz in den USA erkannte man das Potential und die Begabung. Und weil die so schräg und exotisch klingt, ist sie für die Medien immer gut - und jetzt will sie am liebsten jeder haben. Aber es ist wie mit den Gerätschaften der Avantgardisten: Man kann mit ähnlichen Phänomenen experimentieren, Synästhesie lässt sich aber nicht erlernen. Und keiner hat die gleichen Verbindungen, Farben, Töne ...
Einzig lohnender deutschsprachiger Hinweis auf Baranov: Bilder von ihm werden in einer Sammelausstellung in der Hamburger Kunsthalle gezeigt - und siehe da, auch andere Bekannte wie Sonia Delaunay-Terk sind dabei. Die Ausstellung läuft allerdings unter einem ganz anderen Thema:
Tanz der Farben. Nijinskys Auge und die Abstraktion. In der Hamburger Kunsthalle vom 20. Mai bis 16. August 2009
Und eine Website:
Umatic ist eine Gruppe moderner Künstler, die mit den Traditionen der alten "tonewheels" arbeiten.
An dieser Stelle muss ich noch einem persönlichen Ärger Luft machen. Ich hasse Umschriften von Russisch, weil keiner sich auf eine Schreibweise einigen kann. Wer nach Baranov forscht, muss deshalb mühsam auch Baranow und Baranoff nachschlagen. Suchmaschinen können nämlich nicht hörlesen. Wie einfach und eindeutig sind dagegen kyrillische Buchstaben!
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