Es stinkt zum Himmel!

Es stinkt zum Himmel und es schlägt dem Fass den Boden aus, was sich deutsche Politiker in bravem Kadavergehorsam gegen Wirtschaftsverbände jetzt ausgedacht haben: Die Künstlersozialkasse soll abgeschafft werden. Angeblich, um den Mittelstand zu heben. Und dabei ist das Durchschnittsgehalt von 12.600 E jährlich bei Künstlern nur deshalb so hoch, weil "besserverdienende" Berufe wie z.B. Journalisten mitgerechnet werden. Die meisten Buchautoren oder bildenden Künstler könnten froh sein, je solch ein Jahresgehalt zu erreichen.

Manch einer wird fragen, was das soll, den meist armen Künstlern auch noch zu helfen. Die Konsequenz einer Abschaffung der Künstlersozialkasse, die zuständig für unsere Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ist, wäre ganz einfach:
  • noch mehr Künstler rutschen in absolute Armut ab und kosten den Staat damit Geld
  • unzählige Künstler stünden ohne Altersversorgung da und würden damit auch im Alter zum Sozialfall
  • unzählige Künstler würden zur Berufsaufgabe gezwungen
  • Deutschland würde damit kulturell und künstlerisch im Eiltempo verarmen, aber immerhin unternehmerfreundlich sein
Kurzum: Was den Wirtschaftsverbänden und Politikern kurzfristig und angeblich nützen mag, zerstört wieder einmal zig Existenzen und kostet im Endeffekt nur jeden Steuerzahler eine Menge unnötiges Geld! Übrigens ist es klar, warum die Wirtschaft die Künstlersozialkasse abschaffen will - die Möglichkeiten, bei geistigem Eigentum abzuzocken, sind durch das Internet gewaltig gewachsen. Da zahlt man äußerst ungern als Unternehmer Abgaben dafür, dass man Kunst nutzt. Vor allem, wenn die Gewinne steigen. Und da ist es doch praktischer, der Steuerzahler zahlt die Quittung - und nicht der Unternehmer?

Informationen zum Skandal:
Wie die Politiker durchdrehen
Der Kulturrat schlägt Alarm
Der Verband deutscher Schriftsteller wehrt sich
... und das sollte eigentlich auch jeder Betroffene tun!

Obwohl es mich selbst nicht betrifft im Ausland (da sorgen weder KSK noch VS für einen), hier ein Vergleich, dass Deutschland auch mit der bisherigen Lösung noch lange nicht das kulturfreundlichste Land Europas ist:

Als ich noch in Polen lebte, wurden Künstler sogar durch einen Spezialsteuersatz gefördert, der extrem niedrig lag. Weil die Politik der Meinung war, Kunst und Kultur bereicherten ein Land und Künstler seien auch international etwas wie Außenbotschafter. Nicht wenige Schriftsteller saßen als hochangesehene Leute sogar im Parlament. Wie das heute ist, weiß ich nicht, aber noch vor wenigen Jahren wanderten viele bildende Künstler und Schauspieler aus Deutschland aus - nach Polen. Weil sie dort besser behandelt wurden.

In Frankreich gibt es eine ähnlich Organisation wie die Künstlersozialkasse. Anders als in Deutschland sind dort Künstler außerdem arbeitslosenversichert! Im Fall völlig ausbleibender Verträge würde ein arbeitslos gemeldeter Künstler nach den letzten beiden Monaten seines Gewinns berechnet. Er gilt nämlich obendrein als Mikrounternehmer mit eigener Firma und hat dadurch in den ersten Jahren der Gründung auch steuerlich einen Vorteil.

Wer aus irgendwelchen Gründen keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hat, kann vertragslose Zeiten mit Sozialhilfe überbrücken. Vorteil: Die wird auch gewährt, solange der Verdienst unter dem SMIC bleibt. SMIC - das ist der gesetzliche Mindestlohn, der für jeden Einwohner Frankreichs gilt, auch für Künstler!
Alles zusammen bedeutet, dass ein Künstler in Ausfallszeiten in Frankreich auch von der Krankenversicherung her vollkommen versorgt wird, ohne Beiträge zahlen zu müssen. Als Ausfallszeiten gelten auch die Zeiten unter Vertrag, in denen der gesetzliche Mindestlohn nicht erreicht wird!

Allerdings: Sarkozy, der sich ja immer so nett an Merkel ranschmeißt, will auch hier mit eisernem Besen bei den Armen ausfegen. Aber - auch das ist anders im Nachbarland - hier gehen die Künstler und ihre Mitstreiter aus der ganz normalen Bevölkerung massenhaft auf die Straße und demonstrieren ihren Unmut laut. Und nicht wenige, die etwas zu sagen haben, warnen davor, dass die Grande Nation endgültig am Boden liegen wird, wenn sie Kunst und Kultur ausblutet. Arme Welt ohne Kunst udn Kultur. Wir wissen, dass die Menschheit den großen Evolutions- und Bewusstseinssprung schaffte, als der Urmensch die Kunst erfand. Könnte man davon lernen?

Ein Deutschland ohne KSK, das seine Kulturschaffenden so verachtet, wäre für mich jedenfalls kein Land, in das ich freiwillig zurückkehren würde. Würde ich als Künstler zu den Gutverdienenden gehören (soll es ja auch geben), würde ich meine Steuern auch lieber einem Land schenken, das seine geistigen und kreativen Güter mindestens so sehr wertschätzt wie diejenigen, bei denen es nur um Profit und Konsum geht.
Ich wünsche allen betroffenen KollegInnen Wut, Biss und das Beste!

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