Axel Springer liebt Tote

Wenn man einen Todesfall in der Familie hat, erlebt man nicht nur Mitgefühl und Ignoranz, sondern auch brüllenden Wahnsinn. So geschehen mit einer Abo-Kündigung bei Axel Springer.

Die Kündigung erfolgte durch den Bestatter, schon vom Briefkopf her nebst Kopie des Totenscheins eindeutig als Kündigung wegen Todesfalls erkenntlich - und mit der Adresse der Nachkommen versehen. Nun hat der Verlag Axel Springer die Sache natürlich ordentlich bearbeitet und abgewickelt, aber wie!

Das Bestätigungsschreiben ging weder an den Bestatter noch an die Nachkommen. Es ging selbstverständlich an den Toten selbst, bei dem man sich noch einmal posthum für das Interesse an der Zeitschrift bedankte!

Und weil auch ein toter Kunde ein Kunde ist, hofft die Abo-Abteilung: "Wenn Sie sich weiterhin für die eine oder andere Ausgabe im Einzelhandel entscheiden..." Aber natürlich, den neuen Service frei Grab nehmen wir doch sofort in Anspruch und hoffen, dass der Zustelldienst auf Urnengräbern etwas billiger ist! Auch die Anregungen und Wünsche, die der Axel Springer Verlag gern vom Verstorbenen entgegennähme, wurden per Tischerücken ins Jenseits gesendet. Die Antwort war leider nicht zitierfähig, aber wir Nachkommen hätten den Vorschlag für eine neue Hochglanzzeitschrift: "Geständnisse aus der Gruft". Dazu die Zeitung "Die WELT von unten" und ein Aufpeppen von BILD durch Aufnahmen vollbusiger Maden und Skandalberichte um Zombies und andere Wiedergänger.

Und natürlich haben Sie den Namen des Toten richtig geschrieben. Danke. Dass Sie ihm obendrein einen Gutschein für eine Partnervermittlung geschickt haben, war leider im Timing nicht ganz so geschickt. Aber ich hatte schon immer den Verdacht, dass in Singlebörsen jede Menge Karteileichen vor sich hin schimmeln.

6 Kommentare:

  1. Ich neige ja aus sentimentalen Gründen dazu, die Backoffice- und Callcenter-Leute in Schutz zu nehmen, aber das schreit nun wirklich zum Himmel und ist nicht zu entschuldigen.

    Wann begreifen die "Teamleiter" endlich mal, dass Qualität vor Quantität stehen und man vielleicht wenigstens ein klitzeklein wenig individuell agieren sollte und nicht einfach nur Textbaustein-Schema F? So vergrault man sich schließlich die (noch lebenden) Kunden dauerhaft und muss sich über sinkende Absätze nicht wundern.

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  2. In den USA könnte man den Verlag jetzt sicher wegen Störung der Totenruhe auf ein paar Millionen $ Schmerzensgeld verklagen.

    Aber wir werden uns auch an Textbausteine gewöhnen. Die verschmutzen nicht einmal das Meer.

    Im Web 4.0 gibt es dann sicher generell keine individuelle Kommunikation mehr. Dann klicken wir in Foren und Blogs auch nur noch fertige Texte und Emoticons an.

    Gruß Heinrich

    P.S. Wie sagte PvC so schön: Das Geziefer Mensch gewöhnt sich an alles - ich hänge noch dran: aber vorher wollen wir wenigstens noch einmal laut aufschreien!

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  3. Was die Textbausteine betrifft, so kann man ein "herzliches Beileid" ganz einfach einklicken. Die GEZ macht das sogar sehr vorbildlich und es klingt persönlich. Alle anderen Firmen, mit denen ich zu tun hatte, schafften es außerdem, nicht nur den Brief an sie zu lesen, sondern auch die Rückantwortadressen zu beachten.

    GERADE mit Textbausteinen kann man sehr individuell Kundenpost beantworten. Ohne dass es mehr Geld kostet.

    Zum Glück bin ich keine normal besaitete Hinterbliebene, sondern Schriftstellerin. So muss ich nicht glauben, dass der Gutschein für die Singlebörse womöglich volle Absicht war (es lesen ja auch manche Firmen gezielt Todesanzeigen), sondern kann mir die Begebenheit merken, falls ich einmal eine absurde Romansituation brauche.

    Für meinen ersten Roman hatte ich ja mal in Singlebörsen recherchiert und grauen- bis lachhafte Dinge erlebt, aber DAS wäre mir auch unter Einfluss verdorbenen Champagners nicht eingefallen. ;-)

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  4. Das mit den Briefen an Tote sehe ich ganz anders. Ich fände es beängstigend, wenn alle diese Dateien so gut gepflegt und kurzgeschaltet wären, dass mit der Todesnachricht der Verstorbene automatisch als Mensch gleich aus allen Dateien und Adressregistern gelöscht würde. Oder noch schlimmer, dass alle diese Briefe nochmals von einer neugierigen Sekretärin/MfS-Frau/Fahnderin/Spionin/... überprüft würden.

    - Das erste ist für mich sogar ein prima Krimimotiv: In einer so wie gewünscht funktionierenden Welt spare ich mir Kugel und Gift und eliminiere dich elegant-elektronisch per Todesnachricht - und zack bist du aus allen Registern! Beweise, dass es Dich gibt, wenn es Dich in keinem Register gibt. Und wenn Du Deine Existenz in einer Datei erkämpft hast, kommt in der Nacht die automatische Systempflege und ermordet dich wieder!

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  5. Es werden wieder einmal 2 'Weisheiten' bestätigt:
    Jeder ist zu etwas nütze, und wenn er nur als schlechtes Beispiel dient, sowie ein Puzzlesteinchen, wie SchriftstellerInnen zu 'Beispielen' für einige Handlungen kommen - die Frage kommt ja auch regelmäßig. Die besten Geschichten schreibt eben das Leben. (Mit Ausnahme der Geschichten von PvC, die sind noch um Klassen besser!)

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  6. Hihi, Herr P., möchtest du den Plot haben? Ich schenk ihn dir! Nebenhandlung: Gieriger Immobilienhai versucht mit Avataren der Ausgelöschten, die er in diesem Dings-Live belebt hat, jede Menge Kohle zu machen. Bis einer von den Toten sein Maul nicht halten kann und twittert.

    @Heinrich
    Sie Schmeichler, langsam glaube ich, dass Sie mich mit jemandem verwechseln. Ich kann mich nicht erinnern, gute Geschichten veröffentlicht zu haben - Geschichte ja. ;-)

    Schöne Grüße,
    Petra

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