Hybris gedüngt

Wenn ich bisher noch Angst hatte, den ersten Satzspiegel meines Lebens für ein Buch zu erstellen (bisher machte ich das allenfalls für Zeitung, Zeitschrift oder kleine Leaflets), so ist diese mit einer Bücherlieferung verflogen.

Vor mir liegt ein Taschenbuch aus einem bekannten Publikumsverlag, dessen Name ich gnädig verschweigen möchte. Goldener Schnitt war gestern. Neuerdings verbreitet sich die Unart, oben an der Seite kaum noch Rand zu lassen und innen zur Klebung auch nicht. Ersteres wirkt mit dem breiten Unterrand, als sei jemandem das Papier verrutscht. Letzteres führt dazu, dass man dem ohnehin immer billiger geklebten Taschenbuch brutal den Rücken brechen muss, um jeweils Zeilenenden und Zeilenanfänge zu erhaschen. Dazu wird das Ganze in einer modern anmutenden Schrift gesetzt, die zwar von weitem wirkt wie Miniaturperlen auf der Schnur, aber auch mit Lesebrille nur schwer zu entziffern ist und extrem ermüdet.

So viel Sparen am Papier muss wirklich nicht sein! Liebe Verlage, ich zahle gern zehn Cent mehr dafür, dass ich ein Buch auch bequem und angenehm lesen kann und ohne dass mein ästhetisches Empfinden aufschreit. Ich würde sogar auf all die künstlich aufgeblasenen Seiten verzichten, die ihr euren AutorInnen in manchen Genres aufs Auge drückt, weil wir LeserInnen das angeblich so wollen. So aber werde ich bald zum Kandidat für den E-Reader. Anstrengender kann Bildschirmlesen auch nicht sein - zumal ich hier die Schrift anpassen kann.

Wenn dann auch noch der gesamte Roman schief am oberen Seitenrand aufsitzt wie in meinem Fall, macht mir das nur Mut: Das kann ich auch.

Update: Schlampig lektoriert ist das Buch außerdem. Wenn mich schon auf der ersten Seite ein richtig dicker, fetter Klops erwartet (Satzfolge durch Wortdoppelung zerhackt), möchte ich das Buch eigentlich sofort wieder weglegen. In der Folge hagelt es dann Tempusfehler und Stilblüten, die ein Laie dem Übersetzer anlasten würde. Aber das arme Schwein hat wahrscheinlich nur mal wieder schlecht bezahlt unter extremem Zeitdruck arbeiten müssen. Da gibt es Wendungen, die einem im Rohtext unterlaufen, die aber ein Lektorat auszubügeln hätte. Mein Liebling des Tages ist die "Oriole" um ein Gesicht. Da wurde erfolgreich die englische gloriole mit der korrekten Übersetzung Aureole gekreuzt. Oriolen sind Vögel...

7 Kommentare:

  1. Am schlimmsten sind ja die Taschenbücher aus "good ol' USA", die billigst zu haben sind und die im Prinzip auch nur einmal zu lesen sind, da sie nach kurzer Zeit auseinanderfallen. Druck und Papier ist dem Zeitungsdruck entliehen, so fühlt es sich auch an. Entsetzlich, diese raue Papier und die schmierige Schrift. Nur in der Cover-Gestaltung, da übertreffen sie sich allesamt. Tiefdruck, glänzend, gleißend, Relief, weiß der Teufel, was noch alles. Yeah. Judge the book by its cover.

    Als ich mir Gedanken über den Satzspiegel machte, bei meinem ersten Buch, da wurde mir schon ein wenig mulmig. Aber am Ende ist es halb so wild. Man weiß ja, was man nicht haben will. Beispiele gibt's ja, wie man sieht, genug :-)

    Richard

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  2. Ganz ehrlich, für reine Leseware darf's bei mir gern billig sein, es gibt ja diese Bücher, die man nur einmal liest. Billig heißt aber nicht automatisch schlecht gemacht. (Übrigens habe ich fabelhafte amerikanische Hardcover im Regal, allerdings Sachbücher).
    Das betreffende Buch hat 9.95 E gekostet und ist sein Geld definitiv nicht wert, es brechen auch schon die ersten Seiten aus, obwohl ich erst bei S. 30 bin.

    Und stell mal du dein Licht nicht unter den Scheffel, deine Cover sehen schon im Web nicht aus wie im Töpferkurs gebacken. ;-)

    Das Schlimme ist ja oft, dass die Verlage genau diesen Humbug haben wollen, weil irgendeine Konferenz das als "schick" empfindet und man mit mehr Zeilen pro Seite Seiten sparen kann. Dann wird noch fleißigst am Personal und dessen Ausbildungsstand gespart, der Drucker schielt vielleicht gerade (das schräge Verrutschen ist ein Druckereischaden) - und schon haben wir Bücher wie selbstgemacht ;-)

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  3. Und ich habe eben einen Roman weggelegt, den ich auch einfach nicht lesen kann. Kein einziger Absatz - seitenlang! Kein Blocksatz, fürchterlich große Schrift (nein, es soll kein Großdruck sein!)... Was soll das? Dazu kommt, wie du schreibst, daß der Text am Buchrand nur durch "Auseinanderbrechen" richtig zu lesen ist... Zeitverschwendung, geb`s auf, obwohl vom Inhalt her vielversprechend...

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  4. Hmm, vielleicht doch mal Roß und Reiter nennen, damit die geneigte Leserschaft gewarnt ist? Ich habe ja auch ne Menge Bücher (teilweise auch gebraucht oder Mängelexemplar), aber so schlechte Ware ist mir bisher noch nicht untergekommen!

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  5. Die Branche ist ein Dorf und man begegnet als Autor jedem mindestens zweimal ;-)

    Namen würde ich nennen, wenn ich einen Verriss zum Buch schreiben würde, der akribisch mit Beispielen untermauert ist. Dazu habe ich weder Zeit noch Lust (und das Buch noch lange nicht ganz gelesen).
    Den Titel zu kennen, ist außerdem gar nicht so wichtig, denn dieses Phänomen macht sich bei einigen Publikumsverlagen breit, vor allem dort, wo man im Genre tüchtig mit Trends mithalten will.

    Aufmerksame Vielleser kennen ihre Pappenheimer oft schon und tauschen sich in Lesercommunities darüber aus.

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  6. Hah! G'schpart wird, Petra. Eine ordentliche Klebung kostet womöglich einen Cent mehr.

    Daß das womöglich ein Sparen am falschen Ende ist...

    Ich hatte mehrmals Taschenbücher aus einem großen Verlag und zwar keine Unterhaltung, sondern Titel, die man gemeinhin zur Weltliteratur rechnet - die fielen schon beim Anschauen auseinander.

    Und wenn ich so über meine Bücherregale schaue - seither hab ich keine Taschenbücher aus diesem Verlag mehr gekauft.

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  7. Ich hatte sogar einmal meinem Agenten untersagt, meine Manuskripte bei einem bestimmten Verlag einzureichen, weil der mir durch mangelndes Lektorat immer wieder auffiel... ;-)

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