Tod auf dem Klo
Madame Buchfieber war letztes Wochenende verschnupft, weil ich nicht antanzte, aber ich bitte um Bedenken, dass Magenweiler eine Kleinstadt ist und nicht jeden freien Tag jemand eine unnatürliche Versterbung erleidet. Ach, ich soll bittesehr vernünftigeres Deutsch schreiben, ich, Leszek Chrząszczyk, ohne -heit und -keit und -ung! Sagt sie in der gleichen Atmung: "Schreib'sch heit net? Bring'sch keit Krimi? Mann, Jung!" Eine Nacht in der Rechtsmedizin ist süßer.
Jetzt hatten wir aber wieder einen Tatort, dass das CSI nur so lacht. Die Hauptunterüberwasweißich-Kommissarin hat nicht gelacht, aber die heißt auch wirklich und im echten Leben Frau Lachnich und ist das starke Weib, das durch jede Geschichte rennen muss bis zum Erbrechen von einem Häppi End. Jetzt ist sie gerannt und ich kann endlich von dem Toten erzählen, der kaum zu fotografieren war, weil der Raum so eng war und weil die Dingens-Kommissarin gleich danebengekotzt hat. Sowas sieht man schließlich nicht alle Tage! Riechen schon gar nicht! Und wer muss die Proben sammeln? Klar doch, der arme Praktikant aus Polen, bekannt für seine Gutmütigkeit auch in schlimmsten Lebenslagen.
Müsste ich jetzt für einen deutschen Verlag schreiben, würde ich nicht einfach sagen: "Das Opfer saß auf dem Klo". Ich müsste viele Verschmierungen anbringen, absolut brutale Scheiße! Und darüber müsste ich das Blut von mindestens fünf Kamelen mit Islamismushintergrund leeren, lang und breit über die Knebelung und womöglich Folterung des Opfers reden und wie ihm einstiger Kindesmissbrauch ins Gesicht geschrieben steht. Stellt euch diese Drecksauerei vor, alles pfatscht, quietscht, mieft, schreit, kotzt, stinkt, wabbelt und der scheiß Rechtsmediziner kommt schon wieder im Smoking, weil man ihn direkt aus dem Festspielhaus gezerrt hat!
Ich bin ja nur der Praktikant, aber ein intelligenter - und deshalb zeige ich auf ein im Geschmier vertrunkenes Viereck, dunkel, vor dem Rot vielleicht Schwarz (ich notiere sofort: macht sich gut für ein Cover mit weißen Fließen!). Und wie der Scheff das mit seinen kondomierten Fingern langsam herauszieht, hat das Ding auch noch Goldschnitt und Bibeldünndruckpapier. Ein Gesangbuch. Spur eins. Kommen dann im Lauf des Abends, wo ich schon von den Dämpfen in diesem winzigen Raum betäubt bin, weitere Spuren dazu: Eine Strangulierung durch die breite russische Kette goldener Mafia (Verdacht: Nachbar Oleg mit dem Speditionsunternehmen, was angeblich Seife fährt), eine dreizehnmalige rituelle Erstechung mit Lippenstiftbotschaft auf der rasierten Brust (Verdacht: die Geliebte der Ehefrau), eine Waschung mit Weihwasser im Haar (Verdacht: der Mann mit dem Gesangbuch) und Spuren von Gift, an dem offensichtlich auch die Katze verreckt ist (Verdacht: radikale Hundeschützer).
Aber so war es nicht. So ist es nie. Wir sind schließlich beim CSI und nicht beim Club für Befriedigung von Leseraufgeilung. So viel Blutsuppigkeit wie in Lektorenphantasie können wir gar nicht entwickeln. Unser Mann wäre gleich aus dem ersten Kapitel gestrichen worden: zu normal, zu unspektakulär, einfach nicht tot genug! Unser Mann saß einfach auf seinem Klo und war tot, nur einfach tot.
Das Maul stand ihm offen, er war an den Spülkasten hintenüber gekippt. Auf dem picobello geputzten Boden (außer der Kotze von der Lachnich) lag kein Gesangbuch, sondern ein Lucky-Luke-Heft. Der Stoß Comics daneben auf der Heizung - welche die Bemüffelung um Vielfachigkeit anfachte - ließ schließen, dass das Opfer ein typischer Kloleser war. In dem Moment muss natürlich wieder die Lachnich durchs Bild stöckeln, bordeauxrote Highheels an blutfreiem Tatort und wieder hat sie nicht die Überzieher genommen! Das gibt zuerst eins vom Scheff und dann lacht sie immer noch nicht und sagt: "Aus der Ehefrau ist nichts herauszubekommen."
Das hysterische Weib draußen im Wohnzimmer ist also die Frau vom Opfer. Drei starke Rettungskerls vom Sanitäterdienst halten sie an allen Extremitäten fest und einer drückt ihr sein Ding rein, also das mit der Nadel, zur Beruhigung. Die zuckt und krampft und kreischt nämlich, als gäbe es kein Vorgestern. Und ständig brüllt sie: "Ich hab dem Kerl immer wieder gesagt, er soll sich gefälligst hinsetzen! Immer nur im Stehen! Immer daneben! Jetzt hat er sein Fett, ich hab's ihm immer gesagt, wenn er sich nicht bald hinsetzt!!!"
"Blöde Kuh", sagt der Scheff, "der sitzt doch sowas von..."
Ich bin zwar nur der Praktikant, aber in dem Moment habe ich einen bösen Verdacht. Ich sag dem Scheff, der soll endlich den Smoking dazu bringen, die Leiche vom Klo zu heben. Aber der Smoking klammert sich nur die Nase mit Zeigefinger und Daumen, pfeift das Adagio von Mahler und weist seine Kerle an. Einer von denen braucht nachher vom Rettungsdiener auch so ein Sanitätsding.
Ich hab's geahnt. Nein. Ich hab's gewusst. Mit Sicherlichkeit. Also in Versicherung. Der Fall war klar. Das war so ein Klo, wie es die Franzosen mögen, wo Wasser drinsteht. Kein Bidet, sondern so ein Tiefwasserklo. Also so ein Becken, wo alles ins Wasser gleitet, ich weiß nicht, wie man das nennt. Und da gleitet doch tatsächlich ein völlig verdatterter Fisch drin herum! Jetzt war endlich das CSI mal richtig gefordert. Aber wie mein Scheff mit seinen kondomierten Fingern da reinfassen will, lass ich einen Schrei und hindere ihn im letzten Moment.
"Sie wollen den Fisch nicht wirklich grinsen sehen!", brüll ich.
"Wieso grinsen?"
"Weil er so niedliche Zähne hat, Scheff! Verhaften Sie die Lachnich und holen Sie ihn fest! Äh, holen Sie die Lachnich. Das ist unser Mörder. Die soll den Fisch festnehmen."
Der Mörder kam nicht weit. Ein Spezialeinsatzkommando aus der Tropenabteilung unseres örtlichen Zoos fing ihn mit dem Kescher ein und tötete ihn geschickt mit einem Sanitäterspezialeinsatzding. In unserem Labor kamen wir dem Kerlchen auf die Spur. Spuren eines wasserunlöslichen, schnellst wirkenden tödlichen Kakteengifts auf den Reißerchen! Und die Reißspuren an der Leiche, die uns der Smoking übermittelte, identisch mit meinen üblen Vermutungen! Jetzt mussten wir nur noch den Kaktus finden. Bei der Dickblattgewächssammlung der Hausfrau keine Schwierigkeit.
Gut, das war jetzt alles nicht so spektakulär wie in Serienmörderblutsoßebüchern. Und irgendwie war's sogar nachher ganz lustig. Die Mädels auf dem Kommissariat erzählen sich nämlich, dass die Lachnich sich neuerdings nicht mehr hinsetzt.
Lösung des Falls, Verhaftung, Feierabendlichkeit und Gleichberechtigung - was will man mehr? Und das alles dank Schlauigkeit vom Praktikant. Leszek Chrząszczyk aus Brojenie, wo noch echte Bisons echtes Wodkagras grasen und hinter jeder Pfütze Langweilichkeit wohnt.
Da haben sich zwei gefunden, die gar nicht lange suchen mussten, weil es einfach keine Alternative gäbe!
AntwortenLöschenSo ein investigativer und kreativer Praktikant mit großer Wortgewaltigkeit kann nur von einer Chefin gehandhabt und gezügelt werden, die der Kreativität und Humorigkeit uneingeschränkten Lauf gibt und trotzdem nie die Zügel zu locker der Gefahr einer Verknotung aussetzt.
Geniale Kombination!
Stehend klatscht der Heinrich
(sich nicht vor den dicken Bauch)
in die Hände zum Ausdruck des Wohlgefallens!
Zuuuugabeeee!
apropos Verknotung... lieber Leszek, wie konnte eigentlich der Fisch den Mord überleben?
AntwortenLöschenIch will ja nicht kleinlich sein, aber das Lektorinnenauge... (Trotzdem war's scheeee)
Wieso kann der Fisch den Mord nicht überleben?
AntwortenLöschenDer schwimmt so vor sich hin, hat Hunger, sieht nichts unter sich, auf einmal aber etwas über sich, springt hoch, beißt...lässt sich enttäuscht zurück ins Wasser fallen. Der Herr über ihm war tot, konnte also nicht mehr die Spülung betätigen.
Alles logisch so weit.
Ich glaube allerdings, dass die Gattin die Mörderin ist. Denn wie käme der Fisch sonst ins Klo? Das Mordmotiv? Sie ist vom Stehpinkler so was von genervt, dass nur noch Mord die Lösung sein kann. (Ich mein, wer putzt schon gerne Jahrzehnte die bepinkelte Umgebung?)
Sie setzt also den Fisch ein, macht dem Gemahl die Hölle wegen Sitzpinkeln heiß, droht mit der Verweigerung des Mittagessenkochens, der Mann (in der Tiefe seiner Seele hoffnungslos verfressen und heute besonders hungrig) setzt sich also ausnahmsweise mal hin - schwupps! Das war's!!!
Sach dem polnischen Praktikanten, es soll mal in dieser Richtung weiter ermitteln!
Ich sag's ja schon immer. Mann muss nur bestimmt und in Überzeugung seine Meinung als Tatsache verkaufen, schon glaubt's die ganze Welt. Das können Frauen lernen, werte Madame Buchfieber ;-)
AntwortenLöschenFische sind wechselwarme Tiere und ohne in chemische Details abzurutschen, möchte ich die Anmerkung hinterlassen, dass die Ehefrau darauf geachtet hat, die Toilette kalt zu lassen. Dadurch wurde das nur für Warmblutigkeit wirkende Gift nicht schon im Piranja (wie schreibt man den nur) aktiv.
Meine wirkliche Fehlleistung hat niemand gemerkt. Die Heizung hätte nicht laufen dürfen. Kommt davon, wenn man für Zielpublikum 95%-Frauen schreibt und denkt, Emotionen in Überschwenkung montieren zu müssen!
Heinrich, mit Verknotung im Zügel und dickem Bauch? Wenn das keine Steilvorlegung für den nächsten Krimi ist! Und als nächste logische Dingenskommissarin Sabine. Highheels in welcher Farbe?
Verbeugung, Leszek