Vulkan, hoch erhitzt
Frankreich ist eigentlich ein der Kunst und Kultur gegenüber freundliches Land, das mit diesen zivilisatorischen Errungenschaften auch kräftig im Ausland wirbt. Seit jedoch in Paris ... , werden Künstler zunehmend zu Deppen der Nation. Und so habe ich seit etwa zwei Jahren immer wieder massive Probleme mit Behörden, die einfach nicht kapieren wollen, dass "artistes-auteurs" ein Doppelstatut haben: Fiskalisch sind Schriftsteller selbstständig, vor der Sozialgesetzgebung jedoch Lohnempfänger wie Angestellte.
Inzwischen habe ich Kartons voller Briefwechsel mit Dumpfbirnen, die nicht kapieren wollen, dass die derzeitige Regierung Schriftsteller und Autoren auf allen nur erdenklichen Formularen schlichtweg vergessen hat. (Wer des Französischen mächtig ist, findet hier einen besonders schönen Auswuchs, der seit zwei Jahren noch nicht bereinigt ist). Wir sind also überall gezwungen, nur eine Seite unseres Doppelstatuts anzukreuzen - was zur Folge hat, dass man uns regelmäßig der Falschaussage verdächtigt, Sanktionen androht, uns die falsche Seite zuerkennt, uns die wichtige Seite aberkennt, uns eine Flut von Rechtfertigungspapieren abverlangt ... bis hin zu Vertragskopien und Bankauszügen. An die Folgen für die Rente will ich gar nicht denken. Den Gang vor einen Vermittlungsausschuss habe ich auch schon erlebt. Hat man dann endlich einen von diesen immer unwilliger und debiler werdenden Sachbearbeitern mit einer Paragraphennotiz aus dem - eigenen - Amt überzeugt, kommt vier Wochen später der nächste unwissende und unwillige Sachbearbeiter und alles beginnt von vorn. Als ob es in Frankreich überhaupt keine Autoren gäbe, wo man sich das mal abschauen könnte...
Mir mal wieder passiert. Natürlich wieder im Drohbrief-Jargon. Ich solle nachweisen, dass ich am gleichen Tag Autor wie Lohnempfänger wurde und welche Firma mich eingestellt habe, sonst aber! Seit vier Stunden recherchiere ich im Web nach einer leicht verständlichen Deppenversion von "Ich bin Autor, die Regierung hat mich vergessen, ich bin selbstständig UND Lohnempfänger. Ich will brav und ordentlich meinen Pflichten nachkommen, aber ich bin verdammt noch mal Künstler."
Inzwischen sehne ich mich fast wieder nach der Künstlersozialkasse und schweinisch hohen Krankenkassenbeiträgen. Ich will hier raus! Ich möchte all dieses unnütze Papier und diese Formularbelästigungen irgendeinem Verantwortlichen irgendwohin stopfen. Und dann Lohn verlangen für die unzähligen Stunden, in denen ich unentgeltlich nur für irgendwelche Behörden arbeite.
Eigentlich wollte ich heute mit dem Hersteller des Nijinsky-Buchs wichtige Fragen klären. Stattdessen habe ich endlich die passende Kopie, die ich dem vierseitigen Riesenformular beilegen kann, das ich ausfüllen muss, weil man meiner Ausfüllung desselben nicht glaubt, das vom gleichen Amt vor zwei Monaten angenommen wurde. Vive la France.
PS: Nett, unter "das könnte Sie auch noch interessieren" empfiehlt man mir "Reise nach Russland". Tja, dort wäre ich den ganzen Ärger wenigstens mit etwas Schmiergeld los...
Ich versteh ja den Ärger... Aber ich hab so gelacht!
AntwortenLöschenIch lach immer noch. :-)
keep calm, count to ten und brülle aus dem Fenster
AntwortenLöschenhttp://www.youtube.com/watch?v=2akt3P8ltLM
Herrlich, so hätte ich brüllen können. Ich schreibe ja solche Beiträge nur, um abzulachen. ;-)
AntwortenLöschenUn-fass-bar!
AntwortenLöschenIch dachte, die Deutschen hätten den Bürokratismus perfektioniert, aber die anderen ziehen wohl nach. Europa halt...
Marcel, die andern ziehen nicht nach, die andern waren immer schon so. "Der Deutsche" wollte das bloß nicht wahrhaben in seiner Überzeugung "Woanders ist alles besser!"
AntwortenLöschenPetra, kannste nicht statt neuen Schreiben einfach nur eine Liste der Aktenzeichen diverser Behörden in Zukunft beilegen, wo Du alles zum 795sten Mal schon ausführlich beantwortet hast?
Würde ich jedenfalls machen.
Bürokratie ist eine Pest - weltweit. Nur mit unterschiedlichen kulturellen Ausprägungen und Möglichkeiten, damit umzugehen. Genauso wie die Pest Korruption auch vor dem ordentlichen D. nie haltgemacht hat.
AntwortenLöschenWas es in F. erschwert und deinen Weg, liebe Sabine, unmöglich macht, sind die neuen "Servicezentren". Weil der Kleine alles wegkärchert, haben wir viele Ämter, selbst Krankenkassen, nicht mehr vor Ort. Stattdessen gibt's in der jeweiligen Hauptstadt eine Formularfabrik, wo ein Großteil der Schreiben aus dem ganzen Departement nur maschinell eingelesen wird. Da bekommt man schon Probleme, wenn man aus Versehen den falschen Stift benutzt oder die Unterschrift aus der maschinenlesbaren Zone heraus tritt...
Wir lernen darum Minimalkommunikation. Jedes Aktenzeichen zuviel, jeder Satz zuviel kann eine Lawine weiterer Probleme lostreten.
Man kommuniziert immer wieder mit anderen Maschinenbedienern und keiner mehr kennt einen Fall. Die Angestellten stehen unter extremem Druck und machen meist nur Dienst nach Vorschrift. Orwell lässt grüßen.
Ämter, bei denen man echte *Menschen* vor sich hat, sind dagegen eine Wonne und echt hilfsbereit! Leider wird man gerade als Künstler oft "zentral verwaltet"...