Tellerwäschergeschichten
Ich hätte aber auch eine deutsche Version zu bieten. An Nele Neuhaus kommt nun auch die FAZ nicht mehr vorbei. Richtig, das ist die Krimi-Erfolgsautorin mit dem Bestseller "Schneewittchen muss sterben". Ihre Taunus-Krimis brachte sie zunächst nicht an einen Verlag und blieb zum Glück stur. Sie erschienen als PoD-Version bei Monsenstein & Vannerdat, wo übrigens auch das Nijinsky-Projekt landen wird (nicht aus Erfolgsträumen, sondern wegen der Technik). Nach dem PoD kam absatzbedingt der Offsetdruck in Eigenregie - inzwischen hat sie von den vier Taunuskrimis 660.000 Stück verkauft. Die FAZ bringt die Erfolgsgeschichte und erzählt, wie Nele Neuhaus von Ullstein entdeckt wurde. Bei der Autorin, die einst Fleisch packte, ist es wie mit den Hot Dogs meiner Verwandten: Zur Begabung kamen eiserne Beharrlichkeit, ein starker Wille und vor allem harte Maloche in Sachen Vertrieb und Werbung hinzu. Von nichts kommt nichts - auch wenn die Karriere-Märchen im Nachhinein so klingen mögen.
Karriere machen kann man auch - oder trotzdem, wenn man sich mit Verlagen anlegt. Dreißig Jahre haben die Verursacher eines Buchmesse-Skandals geschwiegen, jetzt haben sie sich geoutet. Die Frankfurter Rundschau erzählt die einst heiße Geschichte um die angebliche Zusammenarbeit zwischen Suhrkamp und Aldi mit vollen Namen - äußerst vergnüglich zu lesen. Der Broschürentext, der einst Verleger Unseld auf die Palme brachte, klingt immer noch passend. Etwa zum hochphilosophischen Billigbuch "Temperaturen. Studien zur Physiognomik der Feinbackkunst":
„Im Feinbackwerk verdampft der Tauschwert zum Ornament dessen, worüber er zu herrschen sich einst anheischig gemacht hatte. Wer der Patisserie sich nicht stellt, weil er dem zerrütteten Begriff des Niveaus sich beugt, verfehlt das an der Kunst Wesentliche: ihre Verfallsgeschichte.“2000 Broschüren brachten die Satiriker unters Buchmessenvolk, heute schreibt der eine Bücher und arbeitet fürs Fernsehen - der andere ist Herausgeber der Welt-Gruppe im Axel Springer Verlag.
Noch schöner finde ich aber Karrieren, die wieder aufflammen. Vor vielen Jahren, als es noch kein Web 2.0 gab, betrieb ich eine kleine private Mailingliste mit Autorinnen und Autoren. Einer von uns, der 1949 in die USA ausgewanderte Peter J. Kraus, warf mich mit seinem Erstling "Geier" schier um. Der Roman erschien bei Knaur und wurde für den Glauser-Preis in der Sparte Debut nominiert. Der Krimi war nicht nur rasant, im schönsten Sinne schrill-skurril und herrlich nah am Krimi Noir - er bot endlich etwas anderes als das Übliche. Das war dann leider auch das Problem im deutschen Buchmarkt - ein Amerikaner, der deutsch schreibt, ein Krimi ohne Schubladen, ein Erstling, der als Taschenbuch einfach auf den Markt gekippt wird, und eine Agentur, die nicht funktionierte. Umso mehr freue ich mich, durch mein Gästebuch zu erfahren, dass Peter J. Kraus wieder da ist. Im Conte Verlag mit "Joint Adventure". Auf den Krimi bin ich gespannt und dem Autor wünsche ich viel Erfolg und weitere Bücher!
Wer jetzt noch die maßgeschneiderte Karrieremöglichkeit in der Buchbranche für sich selbst sucht, dem sei die Plattform "Buchbranchen-Jobbörse" empfohlen. Tellerwäscherkarrieren für SchriftstellerInnen sind nicht dabei, aber der ein oder andere Verlagsvertrag der anderen Art.
Und immer hübsch aufpassen beim Karrieremachen. Nicht, dass man eines Tages so im Hamsterrad der Erwartungen hängt, dass man die Notbremse gegen das Erfolgsleben ziehen muss!
Hmmm.
AntwortenLöschenBeharrlichkeit 1.0 Tellerwaescher. Beharrlichkeit 2.0. Geschirrspuelmaschinenstapler.
Da man schon ueber Web 3.0 spricht, kann man dann die Behrrlichkeitsskala 3.0 mit "Qualitaetsmanager im Bereich Wegwirfgeschirr kurz vor der totalen Automatisierung (Befristet auf 6 Monate - nur Praktikanten mit Prakikumserfahrung)" bestuecken?
Wenn ich die "Erfolgsgeschichten" lese und dann mit den angebotenen offene Stellen (eigentlich wollte ich "Jobs" schreiben....) dann klafft da doch, fuer mich zumindest, ein gewaltiger Unterschied.
Beharrlichkeit, Glueck, Erfolg, Mut und Gerissenheit stehen dem total langweiligen, industriellem und schienbar langweiligem (mein Eindruck) Verlagsmanagement gegenueber.
Kreativitaet vs. Betriebsprozesse.
Vive la revolution?
Da ist aber jemandem nach Revoluzzen zumute ;-)))
AntwortenLöschenIch muss zaghaft darauf hinweisen, dass bei meiner schnoddrigen bis polemischen Art (um Diskussionen zu provozieren) manchmal die feinen Töne unter den Tisch fallen.
Als da wären:
Ein Künstler, der sich selbst vermarktet, lebt ebenfalls in Betriebsprozessen.
Büchermachen im Verlag kann eine der befriedigendsten Arbeiten der Kreativbranche sein.
Ich kenne kreative Controller.
Schriftstellern ist zeitweise absolut öde, automatistisch und produziert Wegwerfgeschirr.
Und und und... und jetzt?
Petra, danke für die guten Wünsche. Scheint alles bestens zu klappen mit der Schreiberei derzeit: die lange Dürre hat mir wenigstens wieder bestätigt, dass man die Flinte nie ins Korn werfen soll. Irgendwann klappt es wieder, auch wenn man nicht in Schubladen passt. Manchmal erweitern sich Schubladen einfach, oder es kommen neue hinzu.
AntwortenLöschenAlles Gute,
Peter
Peter, das freut mich aus rein egoistischen Gründen: Endlich Lesenachschub!
AntwortenLöschenIn diesem Fall kam die Dürre ja leider auch durch Dritte - das ist es, was mich selbst oft auf die Palme gehen lässt, dieses Ausgeliefertsein. Dagegen arbeite ich vermehrt an...
Ergiebiges Schaffen!
Petra