wie Sauerbier!

Es ist schon ein Phänomen, wie heutzutage die Fähigkeit von Leserinnen und Lesern abnimmt, zwischen der Sache in einem Text und der Autorin zu differenzieren. Zugegeben, was ich hier im Blog betreibe, ist oft "personal journalism" - ich benutze also irgendetwas in meinem persönlichen Umfeld oder meiner Erfahrung, um auf ein Thema zu kommen und Recherchen anzustellen. Trotzdem und gerade deshalb kann ich über Dinge und Meinungen berichten, die nicht mein eigenes Weltbild widerspiegeln.

Jedenfalls beobachte ich beim letzten Schwerpunktthema eine seltsame Verschiebung. Man glaubt, nur weil ich eine Woche lang an einem Thema arbeite, sei das mein Mittelpunkt. Noch nie zuvor habe ich im Hintergrund per Mail so viele Anfragen und Angebote bekommen. Von Menschen, die es vielleicht nett und ernst und seriös meinen, und von noch viel mehr Menschen, die mich einfach instrumentalisieren wollen, die mir wie Sauerbier und manchmal fast aggressiv ihre Dienstleistungen oder Produkte andrehen wollen. Aus der Tatsache, dass ich mich journalistisch mit einem Thema beschäftige, folgern sie irgendwelche persönlichen Bedürfnisse. Und am schlimmsten sind diejenigen, die einen Bericht über ihre Firma gleich angehängt bekommen wollen. Ich weiß natürlich: Das ist das Los einer jeden Redaktion, die eine gewisse Öffentlichkeit geschafft hat. Selbst die unlauteren Angebote, mich dafür zu bezahlen, dass ich "unauffällig" irgendwelche Links in Artikeln verstecke, sind ab einer bestimmten Blog-Reichweite gang und gäbe.

Drum möchte ich das noch einmal ausdrücklich feststellen:
Ich bin nicht bestechlich.
Ich habe noch die gute alte Ethik journalistischer Unabhängigkeit im Bauch.
Umso mehr, als ich hier weder einer Redaktionsleitung weisungsgebunden bin noch Rücksicht auf irgendwelche millionenschweren Anzeigenkunden nehmen muss.

Wenn man mir sagt: Schreib doch mal über meine Plattform, meine Firmenidee, mein Produkt - könnte das sogar für den Bettelnden ins Auge gehen. Ich würde dann nämlich akribisch recherchieren und mir eine eigene Meinung bilden. Wenn ich nicht über etwas schreibe, ist das manchmal sehr viel gnädiger ... Falls ich Firmennamen wie die französischen Plattformen nenne, dann lediglich als erläuternde Beispiele, weil ich sie in dem Moment als passend zu einem Statement recherchiert habe. Nicht, weil ich sie empfehlen will. (Etwas anderes ist es, wenn ich später meine eigenen Hersteller nennen werde, so wie ich auch meine Verlage nenne).

Auffallend ist jedenfalls, dass ich heftig umworben werde. Nur aufgrund der Tatsache, dass ich ein Buch selbst herausgebe und über diesen Markt, mit dem ich mich zwangsweise beschäftige, auch schreibe. Als ich mein letztes Buch in einem Verlag herausbrachte, hat das kein Schwein gekümmert. Und wenn ich wieder ein Buch in einem Verlag veröffentliche, kümmert das wieder kein Schwein. Jetzt aber bin ich begehrt.

Eine ganze Kiste von Grafikern habe ich schon. Die wenigen, die wirklich einfach nur hilfsbereit oder seriös sind, lassen sich leicht erkennen - das sind meist die, mit denen ich schon länger persönlich kommuniziere. Der Rest wittert ein Geschäft oder braucht dringend einen Auftrag. Typografen, Buchhersteller, Veröffentlichungsplattformen, Veröffentlichungs-Communities - sie rennen mir hinterher und schmalzen mir eins von der Pionierin, die sie unterstützen wollen; vom Freigeist, für den sie etwas tun möchten. Manche versuchen es sogar auf die miese Tour, indem sie mich vollschwallen, was alles ohne ihre professionelle Hilfe schiefgehen kann und was ich unmöglich beherrschen kann. Und natürlich steht hinter aller "Hilfsbereitschaft" immer nur das eine: Geld. Oder man will sich schlicht meinen Namen zunutze machen. Für wie blöd halten die mich eigentlich?

Deshalb will ich eindrücklich alle Autorinnen und Autoren warnen, denen es ähnlich geht. Fallt nicht auf dieses Salbadern herein! All die Versprechungen vom Entdeckt-Werden, vom wirklichen Profi-Produkt, von gemindertem Risiko etc.pp. bedeutet nur eins: Eure kreative Leistung entwickelt sich zu einem riesigen Markt, bei dem immer mehr absahnen wollen. Dazu, dass ihr beim Selbstverlag keine Garantiesummen als Vorschuss von einem Verlag erwarten könnt, wollen nun auch noch andere Verwerter kräftig verdienen. Es entsteht eine Grauzone.

Ich habe nichts gegen ordentliche Bezahlung ordentlicher Leistung. Wenn ich eine Lektorin beauftrage, eine Grafikerin oder eine Druckerei, kann ich zwar Preise vergleichen und handeln, aber ich muss die Leute bezahlen. Wenn eine Plattform einen Text einstellt und vertreibt, verdient sie natürlich einen Anteil - aber auch hier sollte ich dringend vergleichen.

Ich habe kürzlich eine Grobrecherche in Sachen E-Book-Plattformen gemacht. Und mich dagegen entschieden, einen Artikel darüber zu schreiben, weil ich mir keinen Anwalt leisten kann. Was da z.T. an Autorenverträgen angeboten wird, ist manchmal schlicht unlauter und oft nicht einmal auf dem Stand der gängigen Normverträge, die niemand unterschreiten sollte. Was an Vorabkasse für Dateierfassung oder Einstellen verlangt wird, nahm mir in ein paar wenigen Fällen schlicht den Atem. Und auch bei den Tantiemen schwanken die Angebote so höllisch, dass man dreimal vergleichen sollte, bevor man sich bindet.

Trau schau wem!

Und was die eigene Sache betrifft: Als Autorin finde ich echte seriöse Verlage nach wie vor nicht nur sinnvoll, sondern auch unverzichtbar und wertvoll. Ich schaue nur genauer hin, welcher mir zusagt.
Wenn ich jetzt verstärkt in Sachen Eigenbau recherchiere und das auch austeste, dann hat das mit meinem ganz anderen Brotberuf zu tun, wo es um Projekte geht, die schon immer außerhalb des Buchmarkts liefen. Ich kann aber jetzt schon versichern, dass daran nur absolut professionelle Partner mitwirken werden, die persönlich und offline verfügbar sind, zweisprachig, teamfähig und mit gewissen Qualifikationen.
Verschont mich also bitte in Zukunft mit Schleichwerbungen und unlauteren Werbungen aller Art im Mailfach. Ich bin nicht käuflich, ich bin kritisch. Und ich glaube, meine Leserinnen und Leser sind das auch.

Weil es so schön passt, möchte ich noch vor einer ganz besonderen ehrenwerten Gesellschaft warnen: Infos und zahlreiche Tipps gegen die Herren und Damen gibt es beim Aktionsbündnis für faire Verlage.

11 Kommentare:

  1. Petra,

    das sind die Anzeichen eines gewaltigen Ruhms...

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  2. So ist das mit der Vernetzung ... ehem ... Werbung :-)

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  3. Ruhm oder Rum? ;-)
    Den Vogel schoss eine (sehr bekannte) Firma ab, die mich von Anfang an regelrecht mit ihrer PR verfolgt und mir dringend aufschwatzen wollte, ich solle meine Backlist als Ebook bei ihnen veröffentlichen. Irre dolle Möglichkeiten, "entdeckt" zu werden! Als ob ich für eine Backlist, deren Bücher bereits in etablierten Verlagen liefen, entdeckt werden wollte.

    Als ich spaßhalber nach dem Link für den E-Book-Shop fragte, um das Umfeld zu prüfen, kam die Antwort, tja, einen Shop habe man noch nicht, das befinde sich alles erst im Aufbau, der Betaphase blablabla.
    Aber ich sollte doch trotzdem, wegen der irren Möglichkeiten und überhaupt...

    Unter Insidern und Profis (ich bin nicht die einzige Umworbene) ist diese Firma mit ihrem Projekt schon die Lachnummer. Trotzdem wird sie eine Menge Leute bezirzen.

    Ich sollte vielleicht meine Meinung ändern: Mailt mir weiter, damit ich Stoff für ein "Schwarzbuch" über die Branche bekomme?

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  4. Genau! Dann schneidest Du Dir die Haare kurz, malst Dir ein paar Falten ins Gesicht und gehst als Walrafff!

    Und dann will ich auch ein Autogramm! Was heißt eins? Hunderte!!!!!

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  5. Wenn es nicht DIE Betaphase ist, dann werden demnächst diese ebook Plattformen wie Pilze aus dem Boden schießen? Wahnsinnige Aussichten. Gruselig.

    Was die Backlist angeht, da fallen mir gleich ein paar Autoren ein, die fleißig backlist verkaufen. Merkt man allerdings vielen Büchern an, dass sie wesentlich früher geschrieben worden sind.
    Warum denn nicht als Ebook - kann ja auch woanders sein?

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  6. Sie schießen bereits, sogar bei Verlagskonzernen ;-)
    Ist doch eine nette Möglichkeit, all die sonst umständlich und personalaufwändig zurückgeschickten unverlangten Manuskripte in einen Konsumkreislauf zu bringen...
    Schade nur, dass man lieber in solche Firmen investiert als in gute Lektorate.

    Backlist: Große Verkäufe ergibt das selten, aber Fans wollen immer mal wieder ein altes Buch haben. Zwei meiner Sachbücher sind zeitlose Referenzwerke geworden. Gerade das E-Book ist eine schnelle und preiswerte Lösung in meinen Augen.

    Etwas anderes ist mein Elsassbuch, das auf der Höhe seines "Ruhms" verschwand, weil die gesamte Serie eingestellt wird. Das brauche ich dringend für aktuelle Auftritte (musste schon zwei absagen) und dem sollen auch weitere Bücher folgen. Trotzdem überlege ich, der Version von 2004 ein Zusatzkapitel anzuhängen, obwohl im Buch selbst nichts überholt ist. Und das muss es dann auch möglichst prächtig auf Papier geben, vllt abgespeckt als Ebook.

    Ich warte allerdings auf die Durchsetzung des Kindle. Die einzige Möglichkeit, den Wahnsinn der Buchpreisbindung zu lockern, wo das E-Book das gleiche kosten muss wie die Papierversion. Und das bei den PoD_Buchpreisen!

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  7. Kindle habe ich nicht mitbekommen in Dland. Ist der immer noch nicht da?
    Ich verstehe jetzt allerdings nicht, warum die Preisbindung dann für ein ebook nicht mehr gilt. Bin da nicht so auf dem Laufenden was solche News angeht.
    Ich würde auch kein ebook zum gleichen Preis wie eine Print Ausgabe kaufen (wollen).
    Obwohl neulich (naja ... mein neulich)bei murderati genau darüber Themenwoche war. So richtig verfolgt habe ich das jedoch nicht. Lässt sich sicher für und wider finden, wenn man lange genug sucht und auf der "richtigen" Seite steht.

    Was solche Plattformen angeht und wenig Lektorat im Verlagsbetrieb und all diese Nachrichten, dann muss ich sagen, habe ich gar keine Lust noch einen Satz zu Papier zu bringen. Gibt tausend befriedigendere Möglichkeiten sein Leben zu leben ... denke ich so.
    Und irgendwann schreibe ich doch wieder ;-)
    Muss aufhören Branchenzeugs zu lesen, sonst krieg ich Krise.

    Das mit der Backlist ist mir kürzlich bei einer amerikanischen Autorin bitter hochgekommen. Schlechter Druck, winzige Schrift, lange nicht so gut und ausgereift wie spätere (obwohl ich das als normal empfinde, jeder Autor entwickelt sich) Werke, aber dann bitte einfach einstampfen und nicht noch n Dollar daran verdienen wollen - schrecklich.

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  8. Kindle + Kindleshop sind in D. noch nicht da, man munkelt was von Frühjahr. Scheint wahrscheinlich, weil Amazon.de derzeit in D. Jobs für den Kindle ausschreibt. Bisher scheiterte es vor allem an amazons Gewohnheit, E-Book-Preise nach oben zu begrenzen. Das ist übrigens der Grauzonenweg, die Buchpreisbindung zu umgehen: Das Buch in den USA zu verlegen.
    Ich poste dazu noch Infolinks.

    Backlist: Es liegt doch an mir, die Bücher gut und schön zu gestalten? Warum soll ich für diese Arbeit und die Unkosten nicht Geld verlangen? Gut, wenn ich das nicht beherrsche, sollte ich Profis ranlassen...

    Branchengeschwätz: Nur nicht runterziehen lassen! Es gibt noch phantastische Verleger, die phantastische Bücher machen. Die sieht man nur nicht so deutlich wie die anderen.

    Mir hilft das Kritische am System sehr, den eigenen Standpunkt zu festigen und mich mit denen zusammen zu tun, die in ähnliche Richtungen denken - auch in der Verlagswelt. Ich werde wohl öfter Schönes berichten müssen. ;-)

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  9. ACHTUNG FEHLER

    In einem meiner Kommentare hat sich ein Fehler eingeschlichen:
    FALSCH:
    "der Buchpreisbindung zu lockern, wo das E-Book das gleiche kosten muss wie die Papierversion."

    Da habe ich schneller getippt als gedacht. Gemeint ist: Durch den Bruch der Buchpreisbindung, den Amazon praktizieren will (Maximalpreise), werden E-Books generell billiger.
    Die Preispolitik selbst ist natürlich Verlagssache, die Buchpreisbindung allenfalls eine Ausrede.

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  10. Danke für die Antwort.
    Nee, das war kein selbstverlegtes Buch der Amerikanerin, das war ein Verlag.
    Ich habe kein Problem damit, dass ein Autor noch an ersten Büchern verdient - absolut nicht - nur muss auch die Optik da stimmen, sonst empfinde ich es vom Verlag als pure Gier. Da ich die Bücher online bestellt hatte, konnte ich sie ja leider nicht durchblättern. Im Shop hätte ich sie liegen gelassen - garantiert.
    Wirft doch auch irgendwie ein schlechtes Bild auf den Autor, obwohl der nun wirklich nichts dafür kann.
    Aber egal, ich wende mich mal den "tausend anderen Beschäftigungen" zu :-)

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  11. Kaum glaubt man, man habe deutlich gesagt, dass man sich nicht für Fremdwerbung missbrauchen lässt, schon kommt wieder ein besonders dreister Fall. pdf mit Mail von 1,5 MB, Werbeanfrage.
    Wo man doch schon im PR-Kindergarten lernt, dass man bei ersten Anfragen bei fremden Leuten keine Anhänge verschickt und Mails möglichst klein und schlank hält...
    Mit solchen Mailings vergrault man sich nicht nur Zeitungsredakteure.

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