Teil 2: Die Aussteiger

Welche Art Autor veröffentlicht selbst?

Ob Buch als PoD oder selbstgedrucktes Offsetexemplar, der Ausstieg aus dem herkömmlichen Verlagsgeschäft wird in Frankreich langsam zu einer kleinen kulturellen Bewegung. Dabei fällt mir im Gegensatz zu Deutschland auf, dass man viel toleranter über den eigenen Tellerrand schaut und das Schmuddelimage von einst passé ist. Bedenken bestehen eigentlich nur noch in konservativen Medien - und dort auch nur so lange, bis der Erfolg eines Buchs zur Berichterstattung zwingt. Interessant: Wenn ein "Möchtegern" (s.u.*) selbst Bücher macht, geschieht das meist aus dem Glauben an die eigene Genialität und um endlich von einem Verlag entdeckt zu werden. Wenn Profis in Frankreich selbst verlegen, entscheiden sie sich bewusst gegen die herkömmliche Verlagswelt oder platzieren Nischenthemen in besserer (eigener) Betreuung, machen sich in Sachen Erfolg jedoch nichts vor.

Immer mehr Menschen schreiben auch in Frankreich, als Hobby, aus Spaß oder sogar Größenwahn - sollen sie, dürfen sie - oft beim gleichen Anbieter wie "echte" Schriftsteller. Man kann außerdem sagen, dass die erste Art Autor Plattformen bevorzugt, die Selbstbastlern die Rundum-Betreuung und manchmal die große Entdeckung versprechen - während professionelle Autoren lieber alles selbst in die Hand nehmen und kontrollieren. Kein Profi würde sich etwa auf einer Plattform präsentieren, nur weil man dort vollmundig verspricht, man würde von Verlagen entdeckt werden. Auf der anderen Seite erhofft man von den seriösen PoD-Anbietern, dass sie endlich den DKZ-Verlagen Konkurrenz machen.

Ich habe bisher noch kein Forum von in herkömmlichen Verlagen veröffentlichten Autoren gefunden, wo etwa gegen die Hobbyisten oder Selbstverleger hämische Bemerkungen ausgetauscht werden. Eher noch veranstalten die etablierten Autoren für die "Möchtegerns" Seminare, damit diese vielleicht auch einmal zu Autoren werden. Und die Leser sieben mangelnde Qualität unerbittlich aus. Vielleicht führt auch diese Offenheit dazu, dass immer mehr etablierte Autoren aussteigen.

Die französische Nationalbibliothek verzeichnet 50.000 per PoD oder Selbstverlag veröffentlichte Autoren insgesamt.Viele Autoren sind mit einem jährlichen Treffen in Trois-Rivières organisiert, sie tauschen sich aus, kritisieren sich gegenseitig und besuchen Fortbildungen in Sachen Buchherstellung und Schreiben. Dazu gibt es das eigene "Festival der Schattenliteratur" in Saint-Antoine-de-Tilly. Angesteckt wurde die Szene durch Erfolge in Kanada. Wer möchte nicht den selbstverlegten Bestseller landen wie Jean Paré, David Chilton oder Greta und Janet Podleski. Die beiden Damen haben von ihrem ersten erfolgreichen Kochbuch immerhin 1,3 Millionen Exemplare verkauft - heute haben sie ein Unternehmen.

Gibt es auch ernst zu nehmende Erfolge in Frankreich?

Ausgehend von den Namen einiger Aussteiger in den Selbstverlegermarkt, die Le Monde im Aufmacher vom 14.1.11 "La tentation de l'autoédition" nennt, habe ich selbst auf den Websites der Autoren und auf Fanseiten recherchiert. Die Auflagenzahlen stammen z.T. von den Autoren selbst, z.T. aus Le Monde. Stellvertretend für viele andere Schriftsteller und Sachbuchautoren seien ein paar Beispiele genannt, die deutlich machen, was ein erfolgreiches Buch braucht.

Aus dem Elfenbeinturm zum breiten Publikum

Vier gestandene Wirtschaftswissenschaftler haben ein Buch geschrieben, das sie ursprünglich nur unter ihresgleichen als Fachbeitrag kursieren lassen wollten. Zum Glück hat sie jemand zum Selbstverlegen überredet. "Le manifeste d'economistes atterés" erschien im November 2010 bei LLL (Liens qui libèrent) und wurde seither 50.000 mal verkauft. Anfangs konnten die Spezialisten nicht glauben, dass sich eine derart breite Öffentlichkeit für ihre Thesen interessiert. Mit einem selbstgebastelten Blog bei Blogger.com gaben sie zunächst ihren Lesern die Gelegenheit zur Diskussion. Inzwischen haben sie eine professionelle Website und finden sich auf öffentlichen Konferenzen, bei Vorträgen und in den Medien.

Vorhandene Distribution und Namen genutzt

Jacques Bertin ist ein bekannter Sänger und Komponist, der bereits mehrere Bücher in normalen Verlagen in Frankreich und Quebec (darunter Albin Michel) veröffentlicht hat und 2010 mit dem Prix Paul Verlaine ausgezeichnet wurde. Um Beachtung und Auftritte in den Medien muss er sich keine Sorgen machen. Weil er nach seinen Konzerten und im Direktvertrieb die eigenen CDs verkauft, kam er auf die Idee, für seinen ersten Roman aus dem Verlagsgeschäft auszusteigen, um freier schreiben zu können.
Une affaire sensationelle ließ er in einer Kleinauflage von 500 Exemplaren bei einer regionalen Druckerei herstellen. Er vertreibt das Buch ausschließlich selbst und per Internet. Le Monde hat das Buch groß besprochen, nennt zwei schnell verkaufte 500er Auflagen und eine dritte, fast ausverkaufte - hält sich jedoch über deren Höhe bedeckt. Bertin selbst schreibt den Absatz der Bücher seinen treuen Fans zu.

Eile und Risikobereitschaft geboten

Rund 11.000 Exemplare sind laut Le Monde bisher von dem Buch "Mediator 150 mg" der Lungenfachärztin Irène Frachon verkauft worden, das im Juni 2010 erschien. Weil es um das wegen zahlreicher Todesfälle in die Schlagzeilen geratene Medikament gleichen Namens ging, ein hochaktuelles und brisantes Thema in Frankreich, sollte es schnell gehen. Etablierte Verlage zögerten zu lange. Irène Frachon entschied sich deshalb fürs Selbstpublizieren bei Editions Dialogues. Die Firma selbst ist ein französisches Phänomen: Gegründet vom Brester Buchhändler Charles Kermarec, werden hier Bücher aus Papier und in verschiedenen E-Formaten gleichermaßen angeboten. Wer ein Papierbuch kauft, bekommt die E-Datei kostenlos dazu.
Nach dem Erfolg kam zunächst das richterliche Aus für den Verkauf (zensiertes Exemplar + Hintergründe), erst kürzlich hat die Autorin vor Gericht gewonnen. Demnächst soll das Buch wieder erhältlich sein. Der Buchhändler-Hersteller, der seine Autorin massiv unterstützt hat, bewies nicht nur mehr Flexibilität, sondern vor allem mehr Mut als die etablierten Verlage.

Provokation und Fandom

Einer der neuesten Aussteiger aus der Verlagsszene ist ebenfalls alles andere als ein Unbekannter. Marc-Edourd Nabe alias Alain Zannini, nach eigenen Angaben griechisch-türkisch-italienisch-korsischer Abstammung, gilt in Frankreich als Enfant Terrible und hochbegabter Anarcho-Literat. Berühmt wurde er durch eine brutale Ohrfeige, die er sich 1985 in einer Sendung von Bernard Pivot einfing. Political Correctness ist für ihn ein Fremdwort, mal gilt er als Antisemit und Rechtsradikaler, mal als extremer Linker und Pro-Islamist. Veröffentlicht hat er 28 Bücher in Verlagen, nach denen sich jeder Literat die Finger leckt: Gallimard, Denoel, Éditions du Rocher.

Zweifel am Verlagssystem kamen ihm zum ersten Mal beim Verkauf der Éditions du Rocher, als er ausstehende Tantiemen und seine Rechte vom neuen Eigner herausklagen musste. Der Autor hat einen extremen Ausstiegsweg gewählt: Er verkauft seine selbstverlegten Bücher und die selbst wieder aufgelegten alten Titel ausschließlich über seine eigene Website und ausgesuchte Buchhandlungen. Eine von zwei Dutzend Fans betriebene Fansite sorgt für Werbung.

Offensichtlich lohnt sich dieser Weg für ihn, sein neuester 700-Seiten-Wälzer "L'Homme qui arreta d'écrire" (Der Mann, der aufhörte zu schreiben) erschien im Januar 2010 und wurde innerhalb von drei Monaten 3000 mal verkauft. Von der neuen Auflage sind weitere 3000 Stück weg, an denen er im Gegensatz zu früher laut eigenen Angaben 70% (von 28 E) verdient.

Absolut einzigartig im Selbstverlegermarkt ist die Tatsache, dass Nabe es mit dem Roman auf die Finalistenliste des berühmten Prix Renaudot geschafft hat. Bis sich eine Jury eines renommierten Literaturpreises tatsächlich für ein selbstverlegtes Buch entscheidet, dürfte jedoch noch einige Zeit vergehen.

Kult ist webaffin

Und dann gibt es die Themen, die für das Web und Social Media als Werbekanäle wie geschaffen sind: Bücher, die das Zeug haben, Kult zu werden. Etablierte Medien dürfen sie zuerst übersehen, die Fans sorgen schon mit Mundpropaganda für schnelle Verbreitung. So geschehen mit dem nur 100 Seiten starken provokativen Pamphlet eines fiktiven Auslandskorrespondenten, der über Frankreich berichtet: "La Crise au Sarkozistan" (Vorwort Daniel Schneidermann, Hrsg. arretsurimages.net). Es erschien bei der Selbstverleger-Plattform Le Publieur und ist einschließlich der Karrikaturen absolut professionell gemacht.

Das Buch ist Kult geworden. Die gute alte Form des politischen Pamphlets trifft derzeit die Stimmung der Bürger. Seit seinem Erscheinen vor knapp drei Monaten wurden 22.000 Exemplare verkauft. Der Erfolg ist so groß, dass Le Publier inzwischen auch Buchhandlungen beliefert.

Warum sich etablierte Verlage zunehmend solche Erfolge und Autoren entgehen lassen und lieber auf Glattgebürstetes vertrauen, mag ein Rätsel ihrer Controller bleiben. Die hier genannten, durchweg professionellen Autoren haben sich bewusst fürs Selbstverlegen entschieden, obwohl ihnen die Verlagswelt offen stand. Um die Vielfalt der Literatur und den Mut von Literaten muss man zumindest in Frankreich nicht mehr besorgt sein - die großen Wagnisse, das freie Wort, sie kommen zunehmend von ganz unten - von den Schriftstellern selbst. Und genau diese Schriftsteller sorgen dafür, dass das Veröffentlichen außerhalb von Verlagen heutzutage weder dem eigenen Image schadet noch der Geldbörse und dem Verkauf.

Die genannten Beispiele sollten jedoch auch klarmachen, worauf es beim Selbstverlegen ganz besonders ankommt: auf absolute Qualität, Professionalität und den Aufbau oder das geschickte Nutzen von Netzwerken. Die Autoren sind Macher, Entrepreneurs im besten Wortsinn, alles andere als Stubenhocker oder Selbstbemitleider. Und sie verstehen vor allem ihr Handwerk. Jedes der genannten Bücher hätte einen herkömmlichen Verlag finden können. Jedes der genannten Bücher hat sich nur deshalb so gut verkauft, weil der Inhalt und die Aufmachung hielten, was versprochen wurde.

Recherche und Arbeit sind euch ein Dankeschön wert? Mit dem Spendenbutton gelangt ihr auf die Plattform Paypal (s. Datenschutzerklärung). Man braucht kein eigenes Paypal-Konto dafür und kann auch nur 2 E für einen Kaffee anweisen (nach oben offen).




*Anm.: Mit "Möchtegern" bezeichne ich der Einfachheit halber sogenannte Autoren, die bar jeder Kenntnis von Rechtschreibung und Grammatik oder eines tieferen Sprachgefühls glauben, ein Text, den man zwischen Pappdeckel quetscht, sei automatisch ein Buch.

Zum Nachlesen Teil 1: Die große Versuchung

5 Kommentare:

  1. Ein sehr interessanter Bericht! Zumal ich über den Buchmarkt in Frankreich bisher überhaupt nichts wusste.

    Auch in Deutschland gibt es inzwischen einige "Profi"-Autoren, die neue Wege des Selbstverlegertums gehen. Denken wir z.B. an Markus Albers, dessen Buch "Morgen komm ich später rein" sehr erfolgreich bei Campus verlegt wurde. Sein neues Buch "Meconomy" brachte er letztes Jahr selbst heraus - mit beachtlichem Medieninteresse.

    Spannend finde ich momentan vor allem das Projekt von Christian Jakubetz und 17 weiteren namhaften Journalisten über den "Journalismus im digitalen Zeitalter" (und zwar nicht nur weil ich dieses Projekt mit euryclia begleite ;-)). Spannend ist daran, wie die Autoren dieses Buchprojekt auf den Weg gebracht haben und weiter umsetzen: alles öffentlich, von der ersten Idee, über die Thesen und Exposees zu einzelnen Kapiteln, bis zur Diskussion über den Titel, usw. Alles ganz eng mit der Zielgruppe zusammen! Einige dieser Journalisten (z.B. Christian Jakubetz mit "Crossmedia") haben bereits Bücher in herkömmlichen Verlagen veröffentlicht und sich jetzt entschieden, es selbst zu machen (bzw. sich Unterstützung zu holen), um selbst Herr ihres Projektes zu bleiben. Eine spannende Geschichte! Nachzulesen auf JakBlog (http://www.blog-cj.de/blog/), wo es zum Buchprojekt bisher 37 Einträge gibt. Im aktuellen Beitrag hatte ich die Gelegenheit, der Zielgruppe des Journalistenbuches, den Weg den die Autoren hier eingeschlagen haben, zu skizzieren und näher zu bringen.

    Ich glaube, es gibt noch viel mehr solcher Geschichten auch hier in Deutschland. "Revolutionen" im Buchmarkt sind das freilich nicht. Aber vielleicht erste Zeichen eines steten Wandels?!

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  2. Wobei Markus Albers auch ein sehr typisches Beispiel für einen Autor ist, der erstens schon als Buchautor bekannt war (Sie nennen das Buch) und zweitens als Journalist auf sein eigenes ausgezeichnetes Pressenetzwerk zurückgreifen konnte. Außerdem hat er für alle wichtigen Etappen seines Buchs Profis beschäftigt und damit ebenfalls tüchtig vorinvestiert. Von Nichts kommt nichts, wie man so schön sagt.

    Was die Plattformen und Communities betrifft... das ist eben genau der ganz große Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich: Französische Profiautoren vertrauen sich solchen Plattformen idR nicht an, um wirklich ALLES unter eigener Kontrolle und Regie zu halten. Das gibt ihnen die Freiheit, nicht auf irgendwelche Communities warten zu müssen.

    Nach meiner Recherche hinkt Deutschland Frankreich stark hinterher - außer im ohnehin webaffinen IT-Bereich oder schnelldrehenden Journalismus ist mir kein einziger wirklich bekannter Autor untergekommen, der vorsätzlich und politisch aus dem Verlagsgeschäft aussteigt.

    Im Gegenteil - die Erfolgsstories wie z.B. bei Nele Neuhaus laufen genau andersherum! (Und deshalb werden ja auch oft fleißig Autoren damit gelockt, über die Eigenverlagsmasche / Plattform könnten sie schneller entdeckt werden als durch herkömmliche Verlagsbewerbungen.) Vielleicht gibt es deshalb in D. sehr viel mehr Hobbyisten als etablierte Schriftsteller in dem Sektor?

    Meiner Meinung nach eine Sackgasse.
    Ich kann, wenn ich kein Unbekannter bin, im Selbstverlag große Erfolge haben. Jedoch zu glauben, dass ich als unbekannter Selbstverleger in der Verlagswelt entdeckt werde, ist bis auf ganz wenige Ausnahmen eine Milchmädchenrechnung. In der Zeit, in der ich da herumrödle, habe ich Spitzenbewerbungsunterlagen für Literaturagenturen fertig gemacht und mein Manuskript 80 mal gefeilt!

    Mir fällt noch ein anderer Unterschied auf: Deutsche Autoren scheinen begeistert davon zu sein, ihre Texte schon vor Erscheinen mit Zielgruppen abzustimmen und aufzubauen (was ja bei vielen Themen nicht schlecht sein muss, wie z.B. bei den von Ihnen genannten Journalisten und allem, wo ich Beteiligung brauche). Französische Autoren aber steigen aus, gerade WEIL sie das Zielgruppen- und Auftragsschreiben über haben und endlich FREI und ohne Rücksichten schreiben wollen.

    Genau das hat mich bei der Recherche fasziniert - dieser völlig andere, teilweise anarchische Ansatz, der sich sogar inhaltlich und formal in der Literatur niederschlägt - auch in der von Verlagen veröffentlichten.

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  3. Marion Schwehr21/2/11 11:12

    Teil 1 (aufgrund der Länge meines Kommentars leider in zwei Teilen):

    Natürlich haben Sie Recht, dass Markus Albers als Buchautor schon bekannt war, über ein gutes Netzwerk verfügt und sich professionelle Unterstützung zur Umsetzung seines Buches geholt hat. Genau deshalb ist er ein gutes Beispiel! Denn es anders zu machen, wäre schlichtweg dumm! Ich spreche jetzt von Profi-Autoren, die bereits ein oder mehrere Bücher in Verlagen veröffentlicht haben, denn das Selbstverlegertum von Hobbyautoren oder solchen, die in den Literaturbetrieb einsteigen wollen, ist ein völlig anderes Thema und nicht annähernd so spannend. Wenn sich also nun so ein Profi-Autor (wie Albers) überlegt, sein Buch selbst herauszubringen, dann müssen ja zwei Dinge gewährleistet sein: die Qualität muss stimmen (wenn ich´s also nicht alleine kann, dann hol ich mir jemanden) und es muss sicher sein, dass er sein Buch auch unter die Leute bringen kann - durch seinen Bekanntheitsgrad, durch die Einzigartigkeit seines Werks (USP), durch sein Netzwerk (direkt zu den Lesern, zu den Medien, zu Multiplikatoren, etc.). Im Idealfall sind alle drei dieser Faktoren erfüllt. Als Profi-Autor ein Buch selbst herauszubringen, ohne eines oder mehrere der Kriterien zu erfüllen, halte ich nicht nur für sinnlos (es wird sicherlich nicht zum Erfolg führen), sondern für unprofessionell (da offensichtlich eine realistische Einschätzung der Buchbranche und der eigenen Rolle/Möglichkeiten darin fehlt).

    Interessant am Fall Albers ist für mich weniger das "Wie er´s gemacht hat", als das "Dass er´s gemacht hat". Selbst wenn er sich mit Campus über den Erscheinungstermin zu seinem neuen Buch nicht einig geworden ist (wie er selbst berichtet), wäre es für ihn sicherlich ein Leichtes gewesen, einen anderen namhaften Verlag zu finden. Er hat sich trotzdem entschieden, das Buch selbst herauszubringen. Warum? Ich glaube, es gibt zwei Gründe: Zum einen ist es natürlich eine finanzielle Frage. Autoren schreiben ja nicht (nur) zum Spaß, zumindest nicht die Profis. Und da ist es für die Profis, die ihre Bücher tatsächlich auch verkaufen können (wie oben skizziert), natürlich lukrativer, ein Buch selbst herauszubringen. Selbst wenn man gewisse Leistungen zu-/einkaufen muss, denn innerhalb des Verlagsweges muss das Buch diese Leistungen natürlich auch finanzieren und darüber hinaus auch noch anderes (z.B. die ganze "Verlagsmaschinerie" oder andere, sich schlechter verkaufende Titel über die Quersubventionierung, usw.). Zum anderen sind es sicherlich die Freiräume, inhaltlich, gestalterisch, hinsichtlich Formaten usw. selbst entscheiden zu können, und damit Herr des eigenen Projektes zu bleiben, die Markus Albers dazu gebracht haben, sein Buch selbst herauszugeben.

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  4. Marion Schwehr21/2/11 11:12

    Teil 2:

    Dieser zweite Aspekt war vor allem der entscheidene Punkt beim von mir erwähnten "Journalistenbuch". Die Autoren dort haben wesentlich mehr vor, als "nur" ein Buch zu machen. Konzepte, die zusammen mit Verlagen kaum umzusetzen sind. Eigentlich realisieren sie genau das, was die Verlags-Beraterszene derzeit unter dem Stichwort "Verlage 3.0" als Zukunftsperspektive für Verlage diskutiert. Dem Journalistenbuch geht es nicht darum "auf eine Community zu warten", um ihr Buch verlegt zu bekommen. 324 Vorbestellungen für ein noch nicht einmal fertiggestelltes Manuskript/Buch sprechen Bände. "Das Journalistenbuch" bringt eben genau die Mischung aus hochkarätiger Autorenschaft (die Autorenliste liest sich wie das Who-is-who an der Schnittstelle von "analogem" und digitalem Journalismus), USP (das Journalistenbuch wird ein Fachbuch in genau dem Gebiet, in dem es bisher noch keines gab, aber aufgrund der steten Entwicklungen eines nötig wurde) und der Vernetzung zu Lesern, Medien, Multiplikatoren (die Autoren unterrichten in nahezu allen Journalistenschulen in Deutschland und Österreich und verfügen dadurch offline über eine gute Vernetzung zu ihrer Zielgruppe. Online betreiben die Autoren die verschiedensten Blogs mit unglaublicher Reichweite.) mit, um sich auch tatsächlich selbst verlegen zu können.

    Also gerade bei dem Beispiel "Journalistenbuch" sehe ich den Unterschied zwischen Verlagsbuch und selbstverlegtem Buch, der sich "inhaltlich und formal" (wie Sie richtigerweise für die französische Entwicklung sagen) niederschlägt, sehr wohl! Dass es bisher hierzulande nicht viele Beispiele dieser Art gibt, da haben Sie völlig Recht. Christian Jakubetz, der Initiator des Buchprojektes, gab mir aktuell die Gelegenheit, die hier angedeuteten Zusammenhänge in seinem Blog ausführlicher darzustellen: http://www.blog-cj.de/blog/ Ihr Feedback, liebe Frau van Cronenburg, ist sehr willkommen!

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  5. Liebe Frau Schwehr,
    ich möchte jetzt nicht über Markus Albers mutmaßen, weil nur er über sich selbst reden kann.

    Ich kann nur von mir ausgehen. Ich werde am Ende meines Projekts im Blog eine Rechnung aufstellen, wie lukrativ solche Bücher tatsächlich sind - auch wenn man alle Voraussetzungen mit Vermarktung, Vertrieb etc. erfüllt. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Sie sind es (noch) nicht. (Und in der Belletristik wären sie es noch weniger).

    1. Muss ich selbst in Vorleistungen treten. Das Geld will erst einmal verdient sein!
    2. Ich bekomme keinen Vorschuss und muss nachher meine Vorleistungen auch erst aus den Tantiemen einfahren. Je nach Rechtskonstrukt habe ich höhere Abgaben an den Staat als ein Autor im Verlag.
    2. Muss ich genauso wirtschaftlich und handelssicher kalkulieren wie ein echter Verlag - und genauso wenig oder viel Reibach mache ich.
    3. Bekomme ich zwar höhere Tantiemen (ohne Vorschuss), aber die Buchpreise gestalten sich meist auch viel zu hoch (Kaufbarriere).
    4. Ist so ein Buch nur bezahlbar, indem ich mich und Freunde ausbeute!

    Nehmen wir Ausbeutung plus reale Kosten, so kann ich mir mit meinen prekären Berufen genau dieses eine Liebhaberprojekt leisten.
    Würde ich für mich und die Beteiligten seriösen Lohn ansetzen, wäre ich verrückt, es zu tun. Und da reden wir noch nicht von der eigentlich notwendigen Profi-Software wie InDesign, die man erst einmal kaufen können müsste. Nicht jeder hat den Kumpel damit in Reichweite.

    Nehmen Sie mir bitte nicht übel, wenn ich über eine Subskriptionsmenge von 324 potentiellen Käufern (wie viele werden abspringen / remittieren) einfach nur schmunzle.
    Ihre Werbung für das Projekt ist natürlich fleißig.

    Ich bleibe dabei: Buchprojekte stehen und fallen mit dem Vertrieb. Und solange ein Buch außerhalb des stationären Buchhandels läuft, läuft es eben nicht richtig. Fragen Sie mal einen Verlag, der es vom unabhängigen Buchhandel in den Kettenbuchhandel schafft, wie Verkaufszahlen nach oben gehen.

    IT und Journalismus taugen überhaupt nicht als Pauschalbeispiel. Sie haben andere Leserschaften mit anderem Kaufverhalten.

    Es wird immer wieder so getan, als seien wir Autoren mit Eigenbastel-Produkt besser dran. Nein, wir sind nur anders dran. Wir müssen nämlich all die Risiken und Finanzen und Zusatzarbeiten bewältigen, die uns sonst der Verlag abnimmt! Lohnen kann sich ein Projekt also nur, wenn wir das ehrlich in die Kalkulation einbeziehen.

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