Zahnpasta, Zander und die Metaebene
Was haben Zahnpasta, Zander und Maiglöckchen miteinander zu tun?
Komplexe Romane (wie auch Kunstwerke) haben etwas, das Fachleute "Metabene" nennen. Völlig vereinfacht gesagt, spricht hier im Kopf der Leser eine sichtbare Ebene mit einer anderen - und daraus entsteht etwas, das nur zwischen (meta) den Zeilen oder im Kopf der Leser gesagt wird. Es ist dieses berühmte Etwas, das wir beim Schreiben nur bedingt und schon gar nicht analytisch denkend beinflussen können - und was uns beim Veröffentlichen das Buch völlig entgleiten lässt - weil man es subjektiv interpretieren kann.
Ein simples Beispiel:
Ich lasse ein paar Mal einen Fisch in einem Roman herumschwimmen.
Ebene 1: Fisch schwimmt als Realwesen durchs Bild.
Ich erzähle, wie eine Nebenfigur die Anekdote erzählt, Fische würden nicht merken, wenn sie eingesperrt sind.
Ebene 2: Fische spüren Gefangenschaft nicht - als Aussage.
Jemand betritt einen Schnellimbiss, rastet aus, weil der Fishburger nur lauwarm ist und läuft Amok.
Metaebene: Was erzählen Ebene 1+2 womöglich über den inneren Zustand dieses Amokläufers?
Warum ich das erzähle? Ich fand gerade ein wunderschönes Beispiel dafür, wie Gugl Metaebenen produziert und dadurch anschaulich wird, wie wenig man diese verdammten Dinger willentlich konstruieren kann. Was da durch Assoziationszufall (bei Gugl machen das die Algorithmen) blüht, ist faszinierend - aber auch zerbrechlich, subjektiv, veränderlich. Genau wie im Roman!
Jemand sucht die Begriffe: Zander + Zahnpasta + Fahrenheit 451, also reale Ebenen 1-3.
Ausgespuckt wird eine Seite meines Blogs. Nun ist klar - vordergründig haben die Ebenen bei mir nichts miteinander zu tun. Ich habe ein Buch mit dem Wort "Zander" im Titel geschrieben. Ich habe Ray Bradbury's "Fahrenheit 451" empfohlen. Und ich vergleiche Massentitel mit Zahnpasta mit Maiglöckchengeschmack. Die Ebenen 1-3 verbindet also nichts miteinander, außer dass es sich in allen drei Fällen um Bücher handelt. Daraus eine Metaebene lesen zu wollen, wäre sehr beliebig.
Jetzt entsteht aber durch Zufall (?) eine Verknüpfung, die mir - der Autorin - garantiert nicht bewusst war. Die ich auch nicht absichtlich konstruiert oder eingebaut haben kann. Weniger sicher ist, ob ich mich nicht unbewusst erinnerte, ob nicht das Unbewusste mir eine Assoziation in den Text schrieb, auf die ich willentlich nie gekommen wäre. Denn ich habe Bradbury's Buch vielfach gelesen, nachhaltig beeindruckt.
Warum vergleiche ich die lachhaften Massentitel ausgerechnet mit Zahnpasta? Ich hätte genauso gut etwas anderes als Metapher nehmen können.
Nun, Gugl hat für mich bei Ray Bradbury nachgeschlagen und eine interessante Textpassage entdeckt. Es ist die Szene, als die Bomben auf die Stadt fallen und Montags Haus mit den Bildwänden zerstört wird. Er liegt staubverklebt am Boden und erinnert sich an den Text eines der verbotenen Bücher, den Prediger Salomon - und er erinnert sich an den reinen Buchtext, ohne die Einflüsterungen der "neuen" Welt, der Werbung und der Soaps auf den Bildwänden. Es ist die Schlüsselszene, in der er endgültig zum Rebell für die Bücher wird:
"Er sagte sich die Worte innerlich vor, dicht an die bebende Erde geschmiegt, er wiederholte den Text viele Male, und der Wortlaut war da, ohne daß er sich mühte, und nirgends kam etwas von Zanders Zahnpasta darin vor, es war nur der Prediger ganz allein, der da innerlich vor ihm stand und ihn anschaute..."
Zanders Zahnpasta. Das war einer dieser idiotischen, verdummenden Werbespots auf den Bildwänden, aus dieser Welt, die Bücher verbrannte.
Und jetzt lesen wir damit im Hinterkopf die Passage, die Gugl bei mir auswirft:
"Wäre man Spötter, könnte man meinen, einer gewissen internationalen Unternehmensberatung sei es endlich gelungen, auch in deutsche Programmkonferenzen eine Software mit Algorithmen einzuführen, die auf dem vermeintlichen Wissen basieren: Wenn die Kunden freiwillig Zahnpasta mit Maiglöckchengeschmack gekauft haben, verkaufe ihnen Maiglöckchenzahnbürsten, -waschlappen, -kämme und Geldanlagen mit Maiglöckchengeschmack dazu..."
Wer nun meinen Text - mit "Zanders Zahnpasta" im Hinterkopf - anders als vorher liest, der hat sie - die neue Metaebene. (Und wer über die Algorithmen in meinem Text stolpert, kann das Spiel bis ins Unendliche treiben).
Dieses "andere", diese Bedeutung mehr, das ist das Geheimnis.
Und weil jeder Mensch seine eigenen Assoziationen, Wahrnehmungen oder Erfahrungen hat, wird jeder ein und dasselbe Buch anders lesen.
Das ist das Faszinosum an Büchern, vor allem an mehrschichtigen: Ein Buch ist ein Kosmos. Eine Welt, die erst entsteht, wenn die Welt des Autors mit der Welt des Lesers in Dialog tritt.
Komplexe Romane (wie auch Kunstwerke) haben etwas, das Fachleute "Metabene" nennen. Völlig vereinfacht gesagt, spricht hier im Kopf der Leser eine sichtbare Ebene mit einer anderen - und daraus entsteht etwas, das nur zwischen (meta) den Zeilen oder im Kopf der Leser gesagt wird. Es ist dieses berühmte Etwas, das wir beim Schreiben nur bedingt und schon gar nicht analytisch denkend beinflussen können - und was uns beim Veröffentlichen das Buch völlig entgleiten lässt - weil man es subjektiv interpretieren kann.
Ein simples Beispiel:
Ich lasse ein paar Mal einen Fisch in einem Roman herumschwimmen.
Ebene 1: Fisch schwimmt als Realwesen durchs Bild.
Ich erzähle, wie eine Nebenfigur die Anekdote erzählt, Fische würden nicht merken, wenn sie eingesperrt sind.
Ebene 2: Fische spüren Gefangenschaft nicht - als Aussage.
Jemand betritt einen Schnellimbiss, rastet aus, weil der Fishburger nur lauwarm ist und läuft Amok.
Metaebene: Was erzählen Ebene 1+2 womöglich über den inneren Zustand dieses Amokläufers?
Warum ich das erzähle? Ich fand gerade ein wunderschönes Beispiel dafür, wie Gugl Metaebenen produziert und dadurch anschaulich wird, wie wenig man diese verdammten Dinger willentlich konstruieren kann. Was da durch Assoziationszufall (bei Gugl machen das die Algorithmen) blüht, ist faszinierend - aber auch zerbrechlich, subjektiv, veränderlich. Genau wie im Roman!
Jemand sucht die Begriffe: Zander + Zahnpasta + Fahrenheit 451, also reale Ebenen 1-3.
Ausgespuckt wird eine Seite meines Blogs. Nun ist klar - vordergründig haben die Ebenen bei mir nichts miteinander zu tun. Ich habe ein Buch mit dem Wort "Zander" im Titel geschrieben. Ich habe Ray Bradbury's "Fahrenheit 451" empfohlen. Und ich vergleiche Massentitel mit Zahnpasta mit Maiglöckchengeschmack. Die Ebenen 1-3 verbindet also nichts miteinander, außer dass es sich in allen drei Fällen um Bücher handelt. Daraus eine Metaebene lesen zu wollen, wäre sehr beliebig.
Jetzt entsteht aber durch Zufall (?) eine Verknüpfung, die mir - der Autorin - garantiert nicht bewusst war. Die ich auch nicht absichtlich konstruiert oder eingebaut haben kann. Weniger sicher ist, ob ich mich nicht unbewusst erinnerte, ob nicht das Unbewusste mir eine Assoziation in den Text schrieb, auf die ich willentlich nie gekommen wäre. Denn ich habe Bradbury's Buch vielfach gelesen, nachhaltig beeindruckt.
Warum vergleiche ich die lachhaften Massentitel ausgerechnet mit Zahnpasta? Ich hätte genauso gut etwas anderes als Metapher nehmen können.
Nun, Gugl hat für mich bei Ray Bradbury nachgeschlagen und eine interessante Textpassage entdeckt. Es ist die Szene, als die Bomben auf die Stadt fallen und Montags Haus mit den Bildwänden zerstört wird. Er liegt staubverklebt am Boden und erinnert sich an den Text eines der verbotenen Bücher, den Prediger Salomon - und er erinnert sich an den reinen Buchtext, ohne die Einflüsterungen der "neuen" Welt, der Werbung und der Soaps auf den Bildwänden. Es ist die Schlüsselszene, in der er endgültig zum Rebell für die Bücher wird:
"Er sagte sich die Worte innerlich vor, dicht an die bebende Erde geschmiegt, er wiederholte den Text viele Male, und der Wortlaut war da, ohne daß er sich mühte, und nirgends kam etwas von Zanders Zahnpasta darin vor, es war nur der Prediger ganz allein, der da innerlich vor ihm stand und ihn anschaute..."
Zanders Zahnpasta. Das war einer dieser idiotischen, verdummenden Werbespots auf den Bildwänden, aus dieser Welt, die Bücher verbrannte.
Und jetzt lesen wir damit im Hinterkopf die Passage, die Gugl bei mir auswirft:
"Wäre man Spötter, könnte man meinen, einer gewissen internationalen Unternehmensberatung sei es endlich gelungen, auch in deutsche Programmkonferenzen eine Software mit Algorithmen einzuführen, die auf dem vermeintlichen Wissen basieren: Wenn die Kunden freiwillig Zahnpasta mit Maiglöckchengeschmack gekauft haben, verkaufe ihnen Maiglöckchenzahnbürsten, -waschlappen, -kämme und Geldanlagen mit Maiglöckchengeschmack dazu..."
Wer nun meinen Text - mit "Zanders Zahnpasta" im Hinterkopf - anders als vorher liest, der hat sie - die neue Metaebene. (Und wer über die Algorithmen in meinem Text stolpert, kann das Spiel bis ins Unendliche treiben).
Dieses "andere", diese Bedeutung mehr, das ist das Geheimnis.
Und weil jeder Mensch seine eigenen Assoziationen, Wahrnehmungen oder Erfahrungen hat, wird jeder ein und dasselbe Buch anders lesen.
Das ist das Faszinosum an Büchern, vor allem an mehrschichtigen: Ein Buch ist ein Kosmos. Eine Welt, die erst entsteht, wenn die Welt des Autors mit der Welt des Lesers in Dialog tritt.
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