Hochliteratur goes web 2.0

Ohne Internet geht bei Autoren gar nichts mehr. Wird gern vollmundig behauptet. Es gibt aber noch genügend Verlage, die es achten und respektieren, wenn ein Autor seine Privatsphäre absolut bewahren will, selten bei Interviews auftaucht und von Internet nichts hält. Sich rar machen will zwar gelernt sein, kann aber LeserInnen umso mehr verführen. Einer der Verlage, die beide Wege gehen und ihre Autoren als Individuen ernst nehmen, ist der renommierte Hanser Verlag, der Literatur und Fachbuch, Kinder- und Jugendbuch, inzwischen auch Krimis und Thriller verlegt - und außerdem aus den hauseigenen Verlagen Nagel & Kimche, Paul Zsolnay - Deuticke und Sanssouci besteht.

Während man im Fernsehen immer noch den Eindruck bekommt, Hochliteratur sei etwas von Schnarchpantoffeln für aussterbende ältere Bildungsbürger, strafen solche Literaturverlage das rückständige Fernsehen Lügen. Hanser mischt längst im Web 2.0 mit, lässt für Spitzentitel eigene Websites machen, fertigt Podcasts mit Autorenlesung, kümmert sich um Blogs und Communities und twittert sogar für Autoren - sofern die das auch wollen. Natürlich freut man sich über entsprechende Aktivitäten der Autoren, aber fürs aktive Twittern hat man noch keinen Autor des Hauses begeistern können.

Das und einige hochinteressante Informationen mehr erfährt man in einem Podcast der Buchkolumne mit Nina Reddemann, die im Hanser Verlag für all die Webaktivitäten zuständig ist (Direktlink Podcast). Erfreulich im Interview zu hören, wie der Verlag seine Autoren pflegt - und mit dem Internet immer intensiver. Nicht selbstverständlich heutzutage. "Wir stehen hinter den Büchern", sagt Nina Reddemann. Und das bedeutet, wenn man so zuhört, eine Menge Mehraufwand zur üblichen Pressearbeit. Denn Internetmedien wie Blogs können nicht mehr mit der Gießkanne bedient werden - für jedes Projekt eignen sich andere Webadressen zum Thema.

Dadurch entstehen neue Werbeformen, die alte nicht überflüssig machen und manchmal mit redaktionellen Beiträgen verschwimmen dürften. Wie sich Hanser in Blogs tatsächlich einbringt, wird leider nicht gesagt - etwas, was einen Autor, der selbst bloggt, natürlich neugierig macht. Denn wie viel dieses Eigenbloggen wirklich bringt, wissen wir ja nicht.

Hörenswert außerdem die Anmerkungen zu Literaturcommunities. Es gibt nämlich noch keine. Lit.colony will erst eine ernstzunehmende werden und die diversen Couch-Seiten bedienen nur Genreliteratur. Da wären also noch lohnende Betätigungsfelder für kreative Köpfe mit Geld und Mitarbeiterstab.

Was mir auch gefallen hat: Hanser hat eine strikte Ethik, das Internet betreffend. Zu der zählt z.B., keine LeserInnenrezensionen zu fälschen.
Und da erfährt man dann kurz, wie es einige andere Verlage halten, bei denen man sich als Autor ziemlich schämen dürfte. Dass Verlage zunehmend Studenten und Billigkräfte bezahlen, um bei Amazon und in Foren oder Blogs Positiv-Rezensionen zu schreiben, ist mir längst bekannt. Dass diese Leute bei einigen Verlagen aber auch noch dafür bezahlt werden, bei Büchern der Konkurrenz Verrisse zu schreiben, hat mich schon schlucken lassen. Diese Perfidie habe ich bisher nur neidischen KollegInnen und durchgeknallten Trollen zugetraut. Man lernt nie aus - es gibt also offensichtlich auch so etwas wie Billigdiscountermentalität in unserem Geschäft.

Kurzum: Anhören lohnt sich! Gibt einiges nachzudenken und auch die Erkenntnis, dass es Pauschalrezepte für Buch- und Autorenwerbung auch im Web nicht geben kann. Deshalb empfehle ich jedem ernsthaft bloggenden Autoren, sich über seine Bücher und Bloginhalte einmal Gedanken zu machen. Jedes Projekt ist anders, manche Bücher sind regelrecht webaffin, manche nicht. Letzteres erlebe ich immer wieder bei meinem Buch "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt", das bei Sanssouci erschienen ist (Hörbuch bei Gugis).

Jeder will es selbst aus dem farbigen Schuber holen, den Einband streicheln, die Fotos sehen. Bei der schönen Aufmachung der Hörbuchverpackung mit dem Beiheft das Gleiche. Es verkauft sich mit seinen Rezepten eher auf dem Wochenmarkt zwischen Radieschen und Salat, es braucht das haptische Gefühl. Und trotzdem kann man natürlich im Internet etwas vom Elsass erzählen! Aber Twittern? Die Arbeitszeit überlasse ich dann doch in Zukunft verlagsbezahlten Kräften - denn unsereins muss ja irgendwann auch noch Bücher schreiben. Wir sind Autoren, keine Marketingfachleute.

Weitere Tipps zum Thema:

Manuskript des Deutschlandradios: Schreiben in der Blogosphäre. Sendung mit Else Buschheuer, Nina Reddemann, Alban Nikolai Herbst, Greta Granderath und Thomas Kapielski. Hochinteressant zum Thema Bloggen als Autoren-Werbung und Bloggen als literarische Form.

Einige Artikel von Nina Reddemann zum Thema Bloggen und Social Web - eher für Anfänger, auch mit Anleitungen. Wenn man aber bedenkt, wie viele bloggende Autoren nicht wissen, wie man sich nützlich vernetzt und welche Bedeutung das gegenseitige Kommentieren hat - auch für Fortgeschrittene geeignet.

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