black isn't beautiful

...jedenfalls nicht unbedingt als Klamotte...
Gestern habe ich mir mal ein Bonbon geleistet und für meine harte Arbeit geschenkt. Mein elsässischer Nobelfriseur, zu dem in den USA angeblich auch Hollywoodstars gehen (merke: da ist ein großer Teich dazwischen), hatte mich nämlich verunstaltet. Von wegen Kurzhaarmode. Mutti vom Lande! Als ich einwarf, ich würde gern ein wenig frecher aussehen, nicht so langweilig, entfuhr meiner Friseuse ein Entsetzensschrei. "Was, Sie wollen frech aussehen? In IHREM Alter?"

Wwwwwommmmm. Solche Tiefschläge bin ich von Arbeitsvermittlungen gewöhnt oder von irgendwelchen durchgeknallten Werbetypen, die mir vorgaukeln wollen, ich müsse wie eine zwölfjährige, magersüchtige, dauergeliftete Barbiepuppe aussehen. Aber jetzt auch noch meine Friseuse? Ich bin noch kein halbes Jahrhundert alt und Johannes Heesters läuft auch noch herum. Jeder Mensch ist auf seine Weise schön und ich will endlich aussehen, wie ich mich fühle - jedenfalls nicht nach ländlichem Scheintod! Also habe ich mir eine Farb- und Typberatung gegönnt, natürlich mit dem Hintergedanken: Wie präsentiert man sich eigentlich wirkungsvoller bei Lesungen oder auf der Bühne? Was ist da anders als beim Nahkontakt? Kann man sich tatsächlich aufwerten oder verunstalten, ohne sich groß zu verändern? Kann man noch mehr man selbst werden - ohne all diese Schönheitsklischees und die Diktatur der Retortenjugend? Ohne auszusehen wie der Klon von nebenan?

Es war hochspannend. Zum Glück ertrage ich an mir den intellektuellen schwarzen Rolli zur Lesung überhaupt nicht. Wieder was gelernt: Schwarz steht nur den wenigsten Leuten wirklich. Die meisten macht es älter, müde, es verdirbt den Teint oder wirkt sogar billig. Wie sehr aber allein Farben von einer glatten Fläche wirken, hätte ich nicht geglaubt. Da gibt es z.B. Farben (bei jedem andere), die zaubern einem ein Doppelkinn, obwohl man keines hat! Andere geben einem den perfekten Säuferteint oder ungesunde Augenringe. Und genauso hat jeder Mensch seine Farben, die ihn regelrecht aufblühen lassen. Findet man die instinktiv? Leider nein. Obwohl ich mit meiner Lieblingsfarbe richtig liege und viel mit Farben umgehe, habe ich die schönsten Farben für mich wie als Überraschung kennengelernt - einfach deshalb, weil sie so selten Modefarbe sind und darum kaum in Läden zu finden, wenn man nicht danach sucht.

Erstaunlich, wie wenig man tun muss, um natürlich schön zu sein. Und wie durchschlagend kleine professionelle Tricks wirken. Natürlich kann man sich einfach hinsetzen und vorlesen. Man kann aber auch mit Farben und Formen wirken, bevor man den Mund aufmacht - und das ist unterschiedlich, ob ich in Augenkontakt zu jemandem stehe, in der winzigen Buchhandlung lese oder auf einer Bühne in die Weite wirken muss. Ich selbst bestimme, wie ich wirken will, was ich vermitteln will - nicht die Friseuse vom Land.

Eine Sache fand ich besonders spannend. Kann jeder nachmachen. Nennen Sie beliebte Fernsehserien, die nicht mehr laufen. Wer waren die Hauptfiguren und wie sahen die aus? Es gibt diese Leute, die man sofort vergisst, selbst im Alltag. Man weiß vielleicht noch den Namen, was sie gemacht haben - aber sie werden schnell unsichtbar. Und dann gibt es Figuren wie Krystle und Alexis aus dem Denver Clan. Auch nach zwanzig Jahren wissen selbst Verächter der Serie, wie die Gute und die Böse aussahen. Was ich nicht wusste: Diese Serie wurde von Anfang an mit Hilfe von Stilberatern für jede einzelne Figur "durchgestylt". Wie sieht ein richtig hinterhältiges Biest im Kopf der meisten Menschen aus? Welche Haarfarbe und welcher Typus verkörpern das Sanfte? Danach wurden die Schauspieler besetzt und zurechtgemacht. Wenn wir Schriftsteller es doch mit Farben und Bildern auch so einfach hätten!

Aber ist es im Roman nicht so ähnlich? Würden wir unsere Geschichten mit lauter geklonten Schönheitsidealen und Barbiepuppen besetzen, könnte sich niemand mehr an unsere Figuren erinnern. Ach, da war doch dieser Roman mit der jungen schönen X, die Figur hab ich vergessen...
Wie sehen die großen Figuren der Literatur eigentlich aus? Die beliebten, unvergesslichen Romanfiguren?

Wer hat sie nicht gleich vor Augen: Miss Marple oder Hercule Poirot, Phil Marlowe, Faust, die Tony in Buddenbrooks, Effi Briest, Pippi Langstrumpf, Kurt Wallander, Orlando, Madame Bovary oder Sherlock Holmes, Don Quijote oder Dr. Jekyll und Mr Hyde...

Es sind durchweg Figuren, die nicht nur als Charakter einzigartig daherkommen, sondern auch im Aussehen sich selbst und diesem Charakter treu bleiben. Diese Figuren, die so viele Herzen eroberten, fragten sich nie, ob sie ein paar Falten zuviel haben oder ein paar Kilos abnehmen sollen! Aber weil sie eben künstlich geschaffen sind, hat der jeweilige Autor ihren unverwechselbaren Typus ganz genau durchdacht erschaffen, nicht zufällig gekleidet und aus Versehen modelliert.

Eine Pippi Langstrumpf ist nicht nur eine Pippi Langstrumpf - sie sieht auch so aus wie sie ist. Blondgefärbt und im Businesskostüm wäre sie ein Nichts. Miss Marple wäre nach einem Aufenthalt in der Wellness-Farm unerträglich. Ob Dr. Jekyll Anti-Aging-Produkte getrunken hat? Und nicht auszudenken, wenn Lord Peter Wimsey sein leicht blödes Aussehen nicht noch selbst unterstrichen hätte! So eine Stil- und Typberatung ist gar nicht so übel für Romanfiguren...

6 Kommentare:

  1. Hallo Petra,

    um auch bei dir mal den a.d zu machen: Die meisten Leser z.B. von Effi Briest beschreiben diese Figur völlig anders, als Fontane sie beschreiben hat. Denn die Leser setzen bestimmte Vorstellungen in eine Figur rein und somit erblondet Effi Briest z.B. Weil sie ja eher ein wenig naiv wirkt.
    Und so geht es auch mit anderen Figuren, die wir nicht wirklich aus Film und Fernsehen kennen, sondern aus der Literatur: auch da erinnern wir uns zwar an die Figuren, aber jeder an seine eigene.

    Gruss

    Thomas

    Auch bei anderen, von dir genannten Figuren wird

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  2. Ich liebe advocati diaboli, Thomas!
    Und ich gebe dir völlig recht, obwohl meine Effi auch blond ist. ;-)
    Wenn ich aber so meine Fotos anschaue, frage ich mich auch, wer da so alles fotografiert wurde. Ich bin das jedenfalls nicht...

    Schaffe ich von mir ebenfalls nur eine Illusion und sehen die 100 Leute in 101 Variationen?
    Das wäre erschreckend, denn dann könnte ich beim elsässischen Landfriseur bleiben. ;-)

    Amüsierte Grüße,
    Petra

    PS: Durch deine Bemerkung fällt mir auf, wie viele meiner genannten Figuren im Film landeten... seltsam. Habe ich sie ausgewählt, weil ich ein Bildermensch bin - oder wurden sie verfilmt, weil man sie sich so gut vorstellen konnte? Gibt's Gegenbeispiele?

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  3. Hallo Petra,

    natürlich wird jeder Mensch dich anders beschreiben, auch letztlich sind es die Gemeinsamkeiten, woraus man erkennt, wer gemeint ist.
    Und was für dich eine wenig gewagte Landfrauenfrisur ist, kann für andere fast avangardistisch sein.
    Letztlich ist es aber oft so, dass wir auf eine bestimmte Weise wirken wollen und meistens anders wirken, siehe z.B. die Beobachtung von Körpersprache.

    Und wenn es dich beruhigt: Die meisten Menschen, die einen Film nach einer bekannten Buchvorlage sehen, die sind enttäuscht, weil der Film ihre Bilder nicht mit hineinnimmt. Dafür übernehmen sie aber einige Filmszenen in ihr Gedächtnis, wenn die schöner und klarer sind, als ihre Vorstellungen.
    Umgekehrt ist schlimmer: Da liest man letztlich nur den Film und dessen Bilder nach und ergänzt nur ein wenig. Was letztlich Schade ist.

    Gruss

    Thomas

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  4. Na, Thomas, ich hoffe doch, das sich spätestens nach diesem Blogbeitrag alle Welt sicher ist, dass ich eine eitle, geschwätzige, in die Jahre gekommene Figur bin, die den Denver-Clan kennt, Zimt in den Kaffee streut und Miss Marple liebt!
    (Übrigens ein Beispiel, wo der Film meine Fantasie traf - ich LIEBE Margaret Rutherford in dieser Rolle)

    Schöne Grüße,
    Petra

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  5. Liebe Petra,

    als ich deinen Eintrag las und die Stelle, an der du nach den Hauptfiguren von Fernsehserien fragst, sah ich klar und deutlich die Damen des Denver-Clans vor mir ... und prompt ...

    Aber Kurt Wallander wird von Henning Mankell nicht beschrieben. Wir wissen nur, dass er etwas übergewichtig ist und können anhand der erwachsenen Tochter sein Alter erraten. Der Rest ist unserer Phantasie überlassen. Ich fand das ziemlich genial. Als dann die Fernsehserie kam ... ganz klar: ich habe nach zehn Minuten ausgeschaltet. Das war nicht mein Wallander. Ebenso ging es mir mit Lynley und Barb. Die Schauspieler in der Serie entsprachen nun ganz und gar nicht meiner Vorstellung.

    LG
    Inge

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  6. Jetzt, wo du es sagst, Inge: es gibt ja sogar vom Typus her zwei völlig unterschiedliche Wallander-Schauspieler. Schon das fand ich unerträglich!

    Ein anderes Aha-Erlebnis war für mich die Krimikultserie, die in D. als "Inspector Barnaby" läuft (Midsomer Murders). Ich habe mir mal zwei Romane dazu gekauft, um zu spickeln, wie andere derart schrullige Typen und Geschichten erfinden. Und dann habe ich mich gefragt, wie man es schaffen kann, dass solche Romane verfilmt werden! Nicht ganz zu Unrecht wurden dann viele Barnaby-Episoden vom Drehbuchautor direkt für den Film geschrieben...

    Sonnige Grüße,
    Petra

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