Ungebrochen optimistisch

Das virtuelle Veröffentlichen ist ein seltsam Ding. Hält man die Waage zwischen niedlichen Stöffchen zum Lachen, harten Informationen und Unterhaltung, freuen sich alle. Kann man unter diese Mischung deftige Skandale rühren, erreicht man ein Maximum der Leserschaft (Dank an Heidenreich & Ranicki). Und alle wissen: da schreibt eine Journalistin, nicht von sich, sondern so, wie man eben eine Kolumne schreibt.

Häufen sich dann aber plötzlich die Systemanalysen und eher philosophische Gedanken über die Kunst, so erschrecken gleich ganz viele. Und Mails, die ich dann gehäuft bekomme, zeigen mir: Plötzlich liest man das nicht mehr als Kolumne, was als Kolumne gedacht ist. Plötzlich bezieht man alles auf die Person, die sich die Gedanken - auch für andere - macht. Die sich die Gedanken manchmal auch heimlich für ihren Brotberuf macht. Ich werde dann also bedauert, gestreichelt, mit Entsetzen bedacht. Geht es dir so dreckig? Hast du so schauderhafte Verlage? Bist du verbittert? Hast du Probleme?

Nein, liebe Leserinnen und Leser. Ich bin immer noch diesselbe. Eine Journalistin, die eine Kolumne schreibt. Die sich Gedanken über sich selbst und andere macht. Und auch über die Welt. Die Fragen stellt, die andere nicht fragen oder nicht laut zu fragen wagen. Die gescheite und dumme und sogar überflüssige Fragen stellt. Die unmöglich eine Kolumne schreiben könnte, wenn sie nur aus dem eigenen Fundus schöpfen würde. Natürlich höre ich mich um, recherchiere, beobachte. Und weil eine Kolumne Journalismus aus persönlicher Sicht ist, bediene ich mich auch mal am eigenen Beispiel. Ich überspitze sogar, ab und zu verwende ich Stilmittel aus Polemik und Glosse, ich fiktionalisiere, verdichte...

Also bitte keine Sorgen um mich als Person machen!
Ich habe zwar zwei Berufe, in denen ich die abstrusesten und verrücktesten Situationen erlebe - aber das haut mich dann, weil ich's nicht anders kenne, nicht allzu lang um. Ich schaue vielleicht nur anders hin. Und natürlich hätte ich auch in Verlagsdingen schon verzweifeln können! Aber deshalb mache ich mir nicht diese Gedanken. Mich interessieren Gesellschaft, Politik, Literatur, Kunst, Kultur ... ich bin ein Mensch, der gern seine Welt gestaltet, anstatt nur passiv zuzuschauen. Und der gern über die Lage der Dinge kontrovers diskutiert.

Jetzt mal wirklich persönlich - der größte Geniestreich, den ich in diesem Jahr erlebt habe: Da hat ein vergriffenes Buch von mir (Schwarze Madonnen) zum zigsten Mal den Verlag gewechselt, aus dem ich nun meine Rechte rückrufe. Dieses Buch hat schon während (!) des Vertragsabschlusses einen Verlagsverkauf hinter sich. Als es erschien, fusionierte der neue Eigner mit einem dritten. Dann übernahm jener Dritte, stampfte alle Bücher des zweiten Verlags in jener Reihe ein (zum Glück war die Auflage fast verkauft). Und jetzt hat der Dritte aufgegeben und an einen Giganten verkauft. Wenn ich von einem Verlagsverkauf höre, frage ich nur noch, wie sehr der neue Eigner die Bücher des alten hasst...

Und natürlich leide auch ich unter der Unart, die sich seit diesem Jahr durchsetzt, dass man Autoren und Agent ewig warten lässt, als müssten sie kein Geld verdienen und arbeiten. Das passiert mir allerdings mit Verlagen, die (noch) nicht die meinen sind, weil man sich eben bei Sachbüchern, je nach Thema, immer wieder neu umtun muss. Aber auch in der Beziehung werde ich nicht ewig vor mich hin leiden, keine Angst. Time is money, auch für mich.

Nein, mich muss keiner bedauern. Ich habe wundervolle Verlage, mit denen Arbeit das reinste Vergnügen war und ist - und in denen ich mich mitsamt meiner Projekte sehr frei entfalten konnte und kann. Und ich komme mir seit meinem Elsassbuch selbst näher in dem, was ich wirklich schreiben will. Wenn Arbeiten zur Qual würde, ließe ich mich umschulen. Das betrachte ich als ungeheuren Luxus!

Nein zu sagen und auszuwählen, ist natürlich schwerer, weil es vordergründig erst mal kostet. Aber da habe ich in meiner Zeit in der PR gelernt, dass es das nur scheinbar tut. Ich hatte damals KollegInnen, die sich in Nullkommanichts in den Konkurs trieben, weil sie dachten, sie müssten jeden Kunden, auch zu Dumpingpreisen, befriedigen. Sie signalisierten damit aber: Ich bin nichts wert, ich bin austauschbar, mache niedrigste Arbeiten. Das hat sich gerächt. Über mich haben sie gelacht, weil ich auch Kunden ablehnte. Weil ich fragte: Welcher Kunde passt zu mir? Hätte ich es immer leicht gehabt, hätte ich vielleicht viel weniger Fragen gestellt?

Was mir viel mehr Sorgen bereitet, sind die Folgen der extremen Konzentration in Verlagen und Buchhandel. Nicht nur, weil die Politik der großen Ketten auch mich betrifft, sondern weil ich am Beispiel Frankreich sehe, zu welcher kulturellen Verarmung das führt, wenn man die Zügel schießen lässt. Noch ließe sich dieser Untergang in Deutschland verhindern. Deshalb denke ich laut nach. Und natürlich denke ich auch laut nach, weil ich extrem neugierig bin und gern experimentiere. Will sagen, die Journalistin in mir überlegt an neuen Ideen herum. Ich bin da nicht allein, Leute aus anderen Bereichen denken mit - und diese Kolumne ist für uns auch so etwas wie eine Hexenküche, in der man gefahrlos etwas explodieren lassen kann, ohne dass es gleich Millionen kostet.

Also Kopf hoch: Missstände sind dazu da, dass man hinschaut und auch mal den Finger tief in die Wunden bohrt. Alte Methode, um Eiter abfließen zu lassen. Missstände und Krisen können nämlich durchaus beflügeln, zu neuem Denken anregen!

Also, liebe KollegInnen, ich bin ganz und gar nicht verbittert. Im Gegenteil, ich leide an einer Überdosis Kreativität... (abgesehen davon, dass ich gerade am weltschönsten und faszinierendsten Projekt arbeite). Schlechte Zeiten machen mich zuerst ganz kurz traurig, dann mächtig wütend, dann extrem trotzig ... und dann explodiere ich in Ideen...

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