Ein Mann, ein Mann...
... ein Königreich für einen Mann! Das könnte man manchmal als Autorin stöhnen, wenn die Lektorinnen wieder der Meinung sind, Leser seien zu 95% Leserinnen und Leserinnen wollten keine männlichen Hauptfiguren. Lacht nicht, liebe Leserinnen, weint nicht, liebe Leser, das ist leider heute Verlagswunschdenken: Die Heterofrau, die den Prinzen abkriegt. Natürlich schafft sie jede Doppel- und Dreifachbelastung, diverse Vergewaltigungen und Hungersnöte mit Links. Und weil solche Bücher dann wirklich von Männern links liegen gelassen werden (nicht zu reden von den Frauen, die das über haben), tauchen die als Käufer natürlich auch nicht mehr in der Statistik auf.
Das Extrem, das ich einmal erlebte, war ein wirtschaftliches Sachbuchprojekt. Man sah nicht aufs Papier, sondern auf mein Geschlecht und forderte prompt: "Intrigen, Skandale, heiße Liebesaffären!" Wenn ihr das wollt, dachte ich, schreibe ich lieber einen Roman. "Oh, ja wunderbar, einen historischen Roman!" Das steht einer Autorin anmutig zu Gesicht, hätte man im 19. Jahrhundert gesagt. Ich war damals so naiv, mich knicken zu lassen, von Biegen kann man kaum noch sprechen. Jede Lektorin gab mir Ratschläge, wie das Projekt besser passen würde. Als ich das wirtschaftlichen Sachbuch zu einem Exposé für eine Schmonzette mit dem Namen "Die Dingens-Baronin" vergewaltigt hatte, hätte ich den Vertrag sofort bekommen. Stattdessen habe ich das Projekt tief in meine Schublade versteckt, als ewige Warnung, was passiert, wenn man käuflich wäre und Geschichten Gewalt antut.
Heute morgen bin ich aufgewacht und war perplex. Ich schreibe über einen Mann! Das geht mir jetzt erst so richtig auf. Ich schreibe über einen Mann und es gab keinerlei Diskussionen über Geschlechtlichkeit, auch nicht über die meine. Schlimmer noch: Ich soll durchaus daran denken, dass wir auch männliche Kunden haben werden. Irre. Ein Projekt für gleich zwei Hälften der Menschheit. Ohne Tunnelblick. Dass es das noch gibt...
Irgendwie kann ich mein Glück heute kaum fassen und lächle im Stillen, dass ich als Kind doch nicht so verrückt war, wie meine Mutter behauptete. Die fand es nämlich nicht so doll, dass ihre Kleine in der Straßenbande den Robin Hood machte und Mary Ann als Rolle einfach nur ätzend langweilig fand... Tja, so ist das halt, ich kann weiße Kniestrümpfe heute noch nicht leiden.
Mir fällt ein, dass ich in meiner Jugend aktiv bei den Emanzipationsbewegungen mitgemischt habe, die zu dem führen sollten, was heute ideologisch verdreht wird: zur starken Frau. Die meisten können sich das heute kaum vorstellen, aber "damals", in den Siebzigern und Achtzigern hatten tatsächlich Frauen nicht die gleichen Rechte und Chancen, bekamen weniger Lohn und Aufstiegschancen und wurden auf eine Rolle gedrillt, die nur halbes Menschsein ermöglichte. Unter "starker Frau" stellten wir uns Frauen vor, die ihr individuelles Leben leben konnten, wie sie sich das selbst erträumten - nicht wie man es ihnen nach Massennorm aufdrückte. Wir stellten uns Frauen vor, die es nicht hinnahmen, schlechter bezahlt zu werden für gleiche Arbeit oder sonstwie benachteiligt zu sein, nur weil sie genetisch das "schwache Geschlecht" erwischt hatten.
Das Ideal der "starken Frau", so träumten wir damals, sollte auch die Männer von festgefügten, feindlichen Rollensystemen befreien. Sollte sie davon befreien, immer nur den Haupternährer spielen zu müssen, sich über die Arbeit zu definieren und Sex zur Familienplanung zu benutzen. Wir träumten von Austausch unter gleichwertigen Menschen, die sich nicht krampfhaft vor jeder Situation fragen: Bist du ein Mann oder eine Frau? Wir träumten davon, jeweils vom anderen zu lernen.
Damals kamen die ersten Frauenbücher erst auf, Reihen wie "die neue Frau" enthielten aber keinen Schmonzes, sondern knallharte Geschichtsdaten, umwerfende Biografien und jede Menge Subversives über Menschen, die es wagten, "anders" zu sein, zu leben - und die zufällig als Frauen auf die Welt gekommen waren. Unsere Vorbilder, die Figuren in den Romanen, den Klassikern, waren weiterhin Männer. Deshalb lasen damals auch die Männer die gleichen Bücher. Es hat uns nicht geschadet, im Gegenteil. Wir haben unsere eigenen Rollen an den Gegenrollen ausgetestet, uns an dem orientiert, was uns die Erziehung nicht mitgab. Jungianer würden sagen, wir haben unseren animus entwickelt. Ohne die Männer in den Büchern hätte es keine Frauenbewegung geben können, keine Selbsterkenntnis. Ohne gemischte Figuren aller Couleur (und damals versteckte man homosexuelle Welten nicht in Spezialverlagen) hätten wir nicht erkannt, wie bunt die Welt ist, wie bunt wir selbst sein können.
Wie gesagt, das war einmal. Ein schöner Traum aus alten Zeiten.
Heute bin ich so weit, dass ich juble, wenn ich als Frau über einen Mann schreiben darf. Wenn ich mir vorstellen kann, dass ein Mann auch meine Bücher liest, ohne dass ihm schlecht wird (gut, ich rate da von zweien ab). Heute bin ich so weit, dass ich fest daran glaube, dass man wieder wie zu Georges Sands Zeiten ein männliches Pseudonym wählen sollte, wenn man gegen den Strom schreiben will. Es wird wieder Zeit für Robin Hood und seine Mannen...
Aber selbst der verkauft sich ja nur noch mit Hilfe von Mädchen.
Das Extrem, das ich einmal erlebte, war ein wirtschaftliches Sachbuchprojekt. Man sah nicht aufs Papier, sondern auf mein Geschlecht und forderte prompt: "Intrigen, Skandale, heiße Liebesaffären!" Wenn ihr das wollt, dachte ich, schreibe ich lieber einen Roman. "Oh, ja wunderbar, einen historischen Roman!" Das steht einer Autorin anmutig zu Gesicht, hätte man im 19. Jahrhundert gesagt. Ich war damals so naiv, mich knicken zu lassen, von Biegen kann man kaum noch sprechen. Jede Lektorin gab mir Ratschläge, wie das Projekt besser passen würde. Als ich das wirtschaftlichen Sachbuch zu einem Exposé für eine Schmonzette mit dem Namen "Die Dingens-Baronin" vergewaltigt hatte, hätte ich den Vertrag sofort bekommen. Stattdessen habe ich das Projekt tief in meine Schublade versteckt, als ewige Warnung, was passiert, wenn man käuflich wäre und Geschichten Gewalt antut.
Heute morgen bin ich aufgewacht und war perplex. Ich schreibe über einen Mann! Das geht mir jetzt erst so richtig auf. Ich schreibe über einen Mann und es gab keinerlei Diskussionen über Geschlechtlichkeit, auch nicht über die meine. Schlimmer noch: Ich soll durchaus daran denken, dass wir auch männliche Kunden haben werden. Irre. Ein Projekt für gleich zwei Hälften der Menschheit. Ohne Tunnelblick. Dass es das noch gibt...
Irgendwie kann ich mein Glück heute kaum fassen und lächle im Stillen, dass ich als Kind doch nicht so verrückt war, wie meine Mutter behauptete. Die fand es nämlich nicht so doll, dass ihre Kleine in der Straßenbande den Robin Hood machte und Mary Ann als Rolle einfach nur ätzend langweilig fand... Tja, so ist das halt, ich kann weiße Kniestrümpfe heute noch nicht leiden.
Mir fällt ein, dass ich in meiner Jugend aktiv bei den Emanzipationsbewegungen mitgemischt habe, die zu dem führen sollten, was heute ideologisch verdreht wird: zur starken Frau. Die meisten können sich das heute kaum vorstellen, aber "damals", in den Siebzigern und Achtzigern hatten tatsächlich Frauen nicht die gleichen Rechte und Chancen, bekamen weniger Lohn und Aufstiegschancen und wurden auf eine Rolle gedrillt, die nur halbes Menschsein ermöglichte. Unter "starker Frau" stellten wir uns Frauen vor, die ihr individuelles Leben leben konnten, wie sie sich das selbst erträumten - nicht wie man es ihnen nach Massennorm aufdrückte. Wir stellten uns Frauen vor, die es nicht hinnahmen, schlechter bezahlt zu werden für gleiche Arbeit oder sonstwie benachteiligt zu sein, nur weil sie genetisch das "schwache Geschlecht" erwischt hatten.
Das Ideal der "starken Frau", so träumten wir damals, sollte auch die Männer von festgefügten, feindlichen Rollensystemen befreien. Sollte sie davon befreien, immer nur den Haupternährer spielen zu müssen, sich über die Arbeit zu definieren und Sex zur Familienplanung zu benutzen. Wir träumten von Austausch unter gleichwertigen Menschen, die sich nicht krampfhaft vor jeder Situation fragen: Bist du ein Mann oder eine Frau? Wir träumten davon, jeweils vom anderen zu lernen.
Damals kamen die ersten Frauenbücher erst auf, Reihen wie "die neue Frau" enthielten aber keinen Schmonzes, sondern knallharte Geschichtsdaten, umwerfende Biografien und jede Menge Subversives über Menschen, die es wagten, "anders" zu sein, zu leben - und die zufällig als Frauen auf die Welt gekommen waren. Unsere Vorbilder, die Figuren in den Romanen, den Klassikern, waren weiterhin Männer. Deshalb lasen damals auch die Männer die gleichen Bücher. Es hat uns nicht geschadet, im Gegenteil. Wir haben unsere eigenen Rollen an den Gegenrollen ausgetestet, uns an dem orientiert, was uns die Erziehung nicht mitgab. Jungianer würden sagen, wir haben unseren animus entwickelt. Ohne die Männer in den Büchern hätte es keine Frauenbewegung geben können, keine Selbsterkenntnis. Ohne gemischte Figuren aller Couleur (und damals versteckte man homosexuelle Welten nicht in Spezialverlagen) hätten wir nicht erkannt, wie bunt die Welt ist, wie bunt wir selbst sein können.
Wie gesagt, das war einmal. Ein schöner Traum aus alten Zeiten.
Heute bin ich so weit, dass ich juble, wenn ich als Frau über einen Mann schreiben darf. Wenn ich mir vorstellen kann, dass ein Mann auch meine Bücher liest, ohne dass ihm schlecht wird (gut, ich rate da von zweien ab). Heute bin ich so weit, dass ich fest daran glaube, dass man wieder wie zu Georges Sands Zeiten ein männliches Pseudonym wählen sollte, wenn man gegen den Strom schreiben will. Es wird wieder Zeit für Robin Hood und seine Mannen...
Aber selbst der verkauft sich ja nur noch mit Hilfe von Mädchen.
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