Klugeierei
Dann nämlich kann es passieren, dass der unterbezahlte und völlig gestresste Dauerpraktikant einer Tageszeitungsredaktion auf der verzweifelten Suche nach Stopfmasse für die Zeitungsseite über den Beitrag stolpert, nicht richtig hinliest und einen Artikel über Klugeierei verbricht. Ein Nachrichtensprecher, der sich beim Frühstück köstlich darüber amüsiert hat, bekommt den Ohrwurm nicht mehr aus dem Kopf und verspricht sich: Die Klugeierei gelangt in den Äther. Börsenmakler und Konzernchefs finden es irre schick, weil es so etwas Amerikanisches und Praktisches hat - die Klugeierei eiert in Geschäftsberichte und wird von Politikern zitiert. Weil viele Journalisten sich vor diesen hohen Herren keine Blöße geben wollen, vergessen sie das arme "s" und "sch" völlig und machen es nach: Sie eiern fortan ebenfalls klug. Und weil Gugl all diese Spracheiereien aufnimmt - und seien sie noch so falsch - macht irgendwann die Klugeierei der zischenden Variante Konkurrenz.
Aber wird etwas allgemein verbindliche Sprachregelung, nur weil man es bei Gugl findet, weil es Wirtschaftsbosse dreimal am Tag sagen und Journalisten kopflos aufschreiben? Nein. Dazu müsste sich ein Wort erst einmal allgemein gegen seine ältere Konkurrenz durchsetzen und von der Dudenredaktion aufgenommen werden. Zum Jahresende lohnt sich der Blick in die Werke derselben besonders - ich empfehle ihn vor allem den Journalistenkollegen, die immer unkritischer und willfähriger seltsame Spezialsprachen von Politikern und Wirtschaftsbossen übernehmen, ohne über deren Sinn nachzudenken. Anders ist es nicht zu erklären, dass Zynismen wie "Kollateralschaden" salonfähig werden und der verächtlich gemachte, nicht für voll genommene "Wutbürger" Wort des Jahres wird.
"in 2011"
Auch wenn man es noch so oft hören und lesen mag: Millionen Fliegen können irren.
Dieser Anglizismus ist Wirtschafts- und Werbesprache, aber kein gutes Deutsch. Der Börsianer mag seine Kunden damit erfreuen, der Autor bringt nur seinen Lektor auf. Zumindest wer für feine Verlage schreiben will, sollte sich an die übliche Regelung halten:
"2011" (ohne Präposition) oder "im Jahr 2011".
Der Duden erklärt es noch einmal hier. Und auch der Zwiebelfisch, der die Sache für Spezialgebiete (etwa Geschäftsberichte) lockerer sieht, empfiehlt im Zweifelsfall immer die korrekte Regelung.
Sehr schön ist dort auch erklärt, warum das Fest übermorgen
Silvester
heißt. Es ist nämlich weder nach Sylvester Stallone noch nach Kater Sylvester benannt, auch wenn das jüngere Generationen nicht immer wissen können. Aber man kann Wörter ja auch lernen.
Den Zwiebelfisch zu fragen, empfehle ich übrigens auch Heinrich mit seinem Problem "zwischen den Tagen". Die freuen sich über solche Beispiele!
Natürlich darf Tante Erna schreiben, wie ihr der Schnabel verwachsen ist. Wer sich jedoch mit Manuskripten bewirbt, der sollte wissen, dass viele von Verlagen schon deshalb zurückgewiesen werden, weil ein Lektor zu viele Sprachfehler korrigieren müsste. Und je einfacher diese mit einem Blick in den Duden zu korrigieren gewesen wären, desto schlechter stehen die Chancen - da kann die Geschichte noch so gut sein (ist sie allerdings meist nicht, wenn schon die Sprache nicht beherrscht wird).
Genug kluggeeiert. Ich möchte nicht wissen, wie viele Fehler ich in diesem Beitrag redigieren müsste, wäre er für ein Qualitätsblatt geschrieben. Dass ich als Bloggerin einen Korrektor nicht bezahlen kann, sollte keine Ausrede sein.
Ergänzend empfehle ich die Lektüre von "Du Jane, ich Goethe"
AntwortenLöschenhttp://www.chbeck.de/productview.aspx?product=24533&toc=3303
Danach kann man dann zum beschriebenen Phänomen von Sprachentwicklung noch viel qualifizierter klugeiern....
Den Begriff finde ich übrigens als besonders entwicklungsfähig wegen seiner sprachlichen Nähe zum "herumeiern", was man ja bekanntlich nicht nur auf Glatteis tut!
;-)
Danke für den interessanten Buchtipp! Allein ein Mensch mit dem Namen Guy Deutscher ist prädestiniert die Entwicklung der deutschen Sprache zu erklären. Herrlich. :-))
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Nikola
Er ist Israeli und das Buch ist eine Übersetzung - allerdings mit aufs Deutsche bezogenen Beispielen.
AntwortenLöschenAlso wohl eine halbe "Umdichtung"!
Mich macht das Buch jetzt auch langsam neugierig, du hast es mir ja schon mal empfohlen gehabt. Zumal Martin Pfeiffer da wahre Übersetzungskunst geliefert haben muss. Um adäquate Beispiele aus dem Deutschen zu finden, muss man das Original wirklich mit linguistischem Gefühl nachvollziehen können.
AntwortenLöschenNoch ein Tipp von mir: In meiner Blogroll das "language log" lesen. Ist zwar auch englisch, aber hochspannend und oft auf andere Sprachen übertragbar.
Petra,
AntwortenLöschenDu feierst zwar nicht Weihnachten -hast Du geschrieben. Aber ich darf es Dir doch sicher nachträglich dazu schenken?
Liebe Sabine,
AntwortenLöschenda Sie mir schon ein anderes Buch geschenkt haben, wäre es jetzt etwas unpassend, zu erwähnen, dass ich auch nicht Weihnachten feiere. ;)
Ich habe mir aufgrund dieses bemerkenswerten Tipps das Taschenbuch vorbestellt. *freu*
Gruß Heinrich
Heinrich,
AntwortenLöschenmir graut vor Dir!!!
;-)
Huch. Ich grüble: Darf man öffentlich angekündigte Geschenke von Menschen annehmen, denen man kurz zuvor noch in einem Kommentar gestanden hat, u. U. käuflich zu sein? ;-)))
AntwortenLöschenHilfe, was mach ich jetzt?
Mir per Mail Deine Adresse schicken....
AntwortenLöschenWas schert einen schon das eigene dumme Geschwätz von gestern?
Ein Geschenk, dass von Herzen kommt, kann niemals eine Bestechung sein!
AntwortenLöschenAußerdem sind sie kein Müllmann und leben nicht in Bürokratien.de
http://www.np-coburg.de/nachrichten/lokal/kronach/art2396,1283794
Nein, da haben Sie recht, lieber Heinrich - ich lebe in einem Land, in dem man sogar als Regierungsmitglied korrupt sein darf, ohne zum Müllmann degradiert zu werden ;-)
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