Eine Preziose von Buch

Es ist inzwischen schon eine Litanei geworden, die ich nicht mehr hören kann: Die Nerds frohlocken über den baldigen Untergang des gedruckten Buchs - und die Haptiker halten dagegen oder weinen über den Untergang der Schwarzen Kunst. Ich selbst besaß schon lange vor dem E-Book ganze Literatursammlungen auf CD-ROM, weil es sich darin leichter recherchieren lässt und sich auch ein armer Autor auf diese Art "fünf Meter" Klassiker leisten kann. Trotzdem bin ich eine unverbesserliche Haptikerin geblieben. Noch schlimmer: Je mehr ich die neuen Medien genieße, desto stärker avanciere ich beim Buchkonsum in gedruckter Form zum Sinnenmensch.

Deshalb glaube ich fest ans Comeback von Luxusausgaben und Buchkunst in limitierter Auflage. Heute umso mehr, denn ich halte eine Buchpreziose in der Hand, mit der man jeden, der sich irgendwie für Kafka interessiert, dringend beglücken sollte. Mein Geheimtipp: Man kann es auch so machen wie ich und sich das Buch selbst schenken (nicht nur zu Weihnachten). Es ist nicht nur ein Augenschmaus, sondern einer für weit mehr Sinne! Der schlichte Schuber enthält einen großformatigen, reich bebilderten und mit ausführlichen Originalzitaten versehenen Band mit Otto Cermáks Kafka-Biografie "Ich habe seit jeher einen gewissen Verdacht gegen mich gehabt".

Der andere Band entpuppt sich als eine Mappe, die jedes Entdeckerherz höher schlagen lässt. Hier sind nämlich alle möglichen Originaldokumente zu Kafka in Faksimiledruck versteckt (mit Erklärungsheft), von persönlichen Ansichtskarten über Zeugnisse und Briefe bis hin zu Notizen. Freude machen auch schon die Kleinigkeiten in ihrer Schlichtheit: Der weiße Schuber glänzt, Buch und Mappe sind matt, aber dafür spiegelt der schwarze Namenszug im Licht, auf der Vorderseite "Kafka", auf dem Buchrücken "Franz".

Die Dokumente auszupacken, ist die pure Sinnenlust. Hier sind nicht nur die Papiere in Stärke und Struktur den Originalen nachempfunden. Der Faksimiledruck ist so gut, dass Tinte auf der anderen Seite durchscheint, sich Stempel durchzudrücken scheinen und ja, ich bin tatsächlich mit dem Finger über die Briefmarken gefahren, weil ich dachte, eine löse sich ab. Dabei sind die Briefmarken wie die Stempel gedruckt. Selbst der Schmutz an den Faltkanten mancher Briefe - perfektes Trompe-l'oeil! Man muss sich das aber vor allem in den Fingerspitzen vorstellen: Aus dieser Mappe kommt nicht einfach irgendein Buchpapier! Da ist ein gelblicher dünner Brief vorsichtig zu entfalten, da hat Kafka eine Einladung auf Karton drucken lassen, ein anderer Brief ist auf rosa Papier geschrieben - und selbst die Tinten wechseln.

Wer solche Bücher entwickelt, stellt die Rezensenten vor ein Problem: Wie wird man mit Worten diesem Sinnenvergnügen gerecht? Ich jedenfalls kürze ab, denn ich will das Buch noch vor Weihnachten empfehlen, komme aber leider noch nicht zum Lesen (vom Überfliegen her gesehen wird es sich lohnen). Allerdings hätte ich das Buch allein schon wegen der Abbildungen und der Mappe gekauft (daran mögen die Leser sehen, dass der Jubel hier nicht bezahlt wurde, sondern von Herzen kommt). Ich habe deshalb ein wenig fotografiert (leider verfälscht der Schnee vor dem Fenster die Farben erheblich) und hoffe, mein Vergnügen mit Franz Kafka wird damit deutlich! Kaufbefehl an alle Freunde Kafkas und schöner Bücher:

Otto Cermák: Franz Kafka - Dokumente zu Leben und Werk
"Ich habe seit jeher einen gewissen Verdacht gegen mich gehabt"
Parthas Verlag Berlin in Zusammenarbeit mit dem Stroemfeld Verlag Frankfurt/M.
(Stroemfeld erarbeitet eine Gesamtausgabe von Franz Kafkas Werken in 25 Bänden, großteils ebenfalls in Faksimiledruck)
Fotos zum Vergrößern anklicken:
Blick ins Buch

Die Mappe mit den Dokumenten
Briefe von Kafka - wie gerade geschrieben
Fans haben auch seine Zeugnisse und Vorlesungsverzeichnisse im Haus
Jedes Papier fühlt sich anders an, jede Tinte scheint echt.
Diese Briefmarken lassen sich nicht ablösen. Sie sind genauso gedruckt wie Stempel und Wasserflecken.

9 Kommentare:

  1. Ich stimme dir voll zu: Solche ücher auszupacken und zu lesen ist ein haptischer Hochgenuss!

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  2. Großartig! Wobei ich doch so pingelig bin, dass ich die Dokumente lieber abgedruckt hätte anstatt einzeln. Ist aber irgendwie ein tolles "Spielzeug" für Erwachsene, garantiert Beschäftigung unterm Baum ;)

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  3. Für Pingelige ist das Buch selbst ideal - jede Menge abgedruckter Dokumente am laufenden Zentimeter! ;-)
    Die Einzeldokumente machen schon deshalb einzeln Spaß, weil sie auch eine Rückseite haben - etwa die Postkarten. Das geht bei den Fotos unter.

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  4. Liebe Petra,
    Sie schreiben in Ihrer Blogpause mehr, als ich ohne Blogpause verarbeiten kann.

    Darum möchte ich nur völlig nebensächliche Dinge kommentieren, die keine Recherchen meinerseits erfordern.

    - Ihr Fotoapparat hat einen Blaustich. Ist das gewollt?

    - Die Lesbarkeit ist ein schönes Stichwort!

    Ihre Webseite ist sehr gut lesbar! Daran sollten sich auch einige Webmaster ein Beispiel nehmen. Einige Farben, Spielereien, Schriftarten und -größen machen mich so wütend, dass diese Webseiten unabhängig vom Inhalt auf meine Blacklist kommen. Manche reagieren auf Feedback - die meisten nicht.

    Deshalb glaube ich fest ans Comeback von Luxusausgaben und Buchkunst in limitierter Auflage.

    Selbstverständlich kommt ALLES irgendwann wieder. Dafür sorgen schon die Mode, die Werbung, die Hersteller und die Verkäufer und gelangweilte Verbraucher.

    Bei den Käufern Bedürfnisse zu wecken ist super einfach!

    Dann gibt es noch Dinge, die sich regelmäßig wiederholen, im Zyklus des Mondes, der Wahlperioden , der Jahreszeiten und der Sonne. Ich habe nun schon 5x ein Sonnenfleckenmaximum erlebt (alle 11,2 Jahre) und habe auch ca. alle 11 Jahre gravierende Veränderungen erlebt. Danke liebe Sonne! Mach ordentlich Flecken, das tut mir gut. ;)

    Alle 7 Jahre passiert auch irgend etwas - ich habe vergessen, wovon das abhängt. :)

    In jeder 2. Generation ist Vieles aus der vorletzten Generation nostalgisch schön. Ist das der Grund, dass viele Kinder ihre Großeltern fast lieber mögen, als die eigenen Eltern?

    Ja, ich schweife wieder ab. Bonne fin de semaine!

    Gruß Heinrich

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  5. Lieber Heinrich,
    nein, der Blaustich war ein von mir unbemerkter Einstellungsfehler einer 40-E-Kamera, die vorher Schneebilder machen sollte. Sie bekommen im Blog also immer Bilder aus der Zufalls- und Unfallküche, keine aus dem Bezahllabor ;-) Das Buch hat natürlich weiße Seiten!

    Glauben Sie wirklich, dass in Kunst und Kultur alles nur dem Publikum aufgeschwatzt wird oder die Verbraucher einfach nur gelangweilt sind und künstlich geweckte Bedürfnisse adoptieren? Dann wären totgekochte Trends und Bücher mit Sensationseffekt die Dauerbringer auf ewig.

    Vielleicht bin ich naiv und zu idealistisch, aber ich glaube auch an ein intelligentes Publikum mit eigenen Bedürfnissen. Und dem kommen Bücher wie dieses entgegen. Ich denke, je mehr Menschen Zeit am Bildschirm verbringen, desto mehr schätzen sie das gut gemachte Buch, das schöne Buch; das Buch, bei dem Handwerk aller Beteiligten groß geschrieben wird. Und das ist dann doch eher etwas für Leser mit einem sehr eigenen Kopf, nicht für Marionetten der Werbung? ;-)
    Schöne Grüße,
    Petra

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  6. Liebe Petra,

    danke, dass Du mich noch einmal an das Buch erinnerst! Du hast schon einmal davon geschrieben, dass es veröffentlicht werden wird, und ich hatte es schon fast vergessen! Jetzt werde ich es mir aber schenken lassen müssen - boah ist das teuer! ;-)
    Liebe Grüße
    Nikola

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  7. Liebe Petra,
    mir ging es bei der einen Bemerkung um das "Comeback" von Dingen generell.

    Glauben Sie wirklich, dass in Kunst und Kultur alles nur dem Publikum aufgeschwatzt wird

    Nein, ALLES natürlich nicht - nur die "Masse". Ich habe mich wohl nicht präzise ausgedrückt?!

    Wenn Wirtschaftsunternehmen immer mehr bestimmen, was die Mehrheit der Menschen lesen, essen, verbrauchen möchte oder welche Kunst vermarktet wird, müssen das intelligente Publikum mit eigenen Bedürfnissen und die Leser mit einem sehr eigenen Kopf, eben sehr viel länger suchen oder beim Künstler persönlich kaufen.

    Gruß Heinrich

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  8. Lieber Heinrich,
    danke, jetzt verstehe ich.
    Ich persönlich habe den Eindruck, durch Social Media werden gerade die besonderen, schwer zu findenden Dinge / Verlage / Künstler sehr viel sichtbarer als früher, wo man allein auf den Buchhandel und "körperliche" Präsenz angewiesen war. Im Januar werde ich in der "Buch-Frauenwoche" zu den Interviews mit den Bücherfrauen einmal berichten, wie einfach und überraschend ich durch meine Arbeit in diesen Medien selbst mir bis dato unbekannte Verlage entdecken konnte.

    Wo es im Moment noch hakt, das sind die "Mittler" wie Feuilleton und andere Medien. Hier muss dringend etwas Neues entstehen. Passiert zwar "von unten", aber solange mit Bloggen nicht wirklich Geld zu verdienen ist, kann man das auch nicht zu anspruchsvollem Journalismus womöglich mit Redaktion ausbauen. Ich empfehle meine Rubrik "Statt Zeitung", wo man gute Alternativen entdecken kann.

    So - zu einem neuen Beitrag inspiriert haben Sie mich auch noch...
    Schöne Grüße,
    Petra

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  9. So - zu einem neuen Beitrag inspiriert haben Sie mich auch noch...
    Das freut mich. Ich habe immer wieder mal Zweifel, ob ich noch zu etwas "nütze" bin. ;)

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