Pawlowsche Schmöker

Zuerst dachte ich, es sei nur der fehlende Schlaf. Dann kam ich darauf: Pawlow ist schuld. Sein Reflex greift hervorragend.

Ich sehe bei Twitter einen Buchtitel: "Die Tribute von Panem". Schau mir das Cover an. Einmal keine Frau mit abgehacktem Kopf, keine schwüle viktorianische Faltenwerferin, sondern ein katzenäugiges Mädchen hinter Blättern. Lese irgendetwas von Heldin, Kämpferin und Liebe und schon war's passiert. Ich bin erfolgreich vom Buchhandel und den Lektoraten konditioniert, denn sofort öffnete sich eine große Schublade. Und in dieser Schublade haben alle Bücher einen "-in"- oder Tochtertitel, sind alle Heldinnen Frauen und kämpfen, ja, auch manchmal gegen Hunger. Ich habe im vergangenen Jahr mal eine dieser Titelstrukturen untersucht, aber nicht geahnt, wie schlimm man als LeserIN auf den Hund kommen kann. Sprich, sich konditionieren lässt.

Bei diesem Titel stutzte ich nämlich plötzlich. Nicht nur, weil ich als Lateinerin den Akkussativ des Brots nicht verstand (wie soll ich auch ahnen, dass ein Fantasieland damit gemeint sei). Ich hielt natürlich sofort auch die Tribute für eine wunderliche Wortneuschöpfung. Endlich mal kein "-in"! Endlich war ein Lektorat erfinderisch gewesen. Die schöne Tribute mit den Katzenaugen! Die schöne Tribute, wie sie leibt und kämpft. Ach, und wer weiß, vielleicht kam sie ja auch wie die Namenscousine Libute aus dem Baltikum und Panem war so etwas wie ein Herrensitz, von polnisch pan = Herr? Das Titelbild hätte ja auch zu einem Frauenroman à la Bernsteinschmachten gehören können?

Ich tu dem Buch natürlich übel unrecht. Wie ich dank Recherche herausfand, ist es ein Buch für Jugendliche, ein Science Fiction obendrein. Der an Römerzeiten erinnernden Geschichte entnehme ich, dass Tribute der Plural von Tribut ist. So kann man sich täuschen, wenn man ordentlich konditioniert ist und das Cover ordentlich täuscht. Oder man an morgendlicher Sprachverwirrung leidet. Oder nur flüchtig auf Cover schaut und gleich entscheidet.

Notiz: Nächstes Manuskript nicht an Verlag geben, der Frauen auf Cover druckt.

2 Kommentare:

  1. Petra,
    da dürfte sich die Verlagsauswahl ziemlich eingrenzen - ohne Frauen auf dem Titelbild - wer soll denn so etwas kaufen?
    PS: Ich habe übrigens bei der roten Johanna auch kein Frauenportrait drauf (aber wenigstens Frau im Titel). Das Cover geht auch eher in Richtung Phantastik, mit Feuer und Kreuzen und so.

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  2. Frauenlose Cover? Da könnte ich dich mit meiner Bibliothek geradezu überschwemmen! Gibt es.
    Auf meinem nächsten ist ein Mann. Wer soll denn so etwas kaufen...?

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