gemeinsame Sprache?

So, das war's fast. Jetzt muss ich nur noch ca. 500 Zeichen übersetzen, sobald sie hereinrauschen, dann ist das Werk vollbracht. Wieder eine Menge Neues gelernt, vor allem vom bikulturellen, zweisprachigen Arbeiten.

Es bringt einen dazu, sich selbst ständig in Frage zu stellen und die eigenen Konventionen nicht zu wichtig zu nehmen. Vor allem erkennt man auf Schritt und Tritt die bösen kleinen "landläufigen Meinungen". Höchst spannend auch, wie sich das sprachlich niederschlägt. Wie macht man einen Franzosen neugierig, wie einen Deutschen? Gibt es eine gemeinsame Sprache? Gibt es diverse "Allergien"?

Feines Beispiel: Wie viel "pädagogischer Zeigefinger" darf sein? Die Bezeichnung dieses Stilmittels gibt es in Frankreich so nicht - Texte dürfen viel mehr erklären und dozieren. Bildung scheint eher erwünscht und beliebt - in deutschen Texten geht das so deutlich nur noch im Kinderbuch. Und was auf Französisch fein und romantisch klingt, wirkt auf Deutsch schwülstig und pathetisch, würde man es Wort für Wort übertragen.

Und dann das Schreiben über den Krieg. Das ist wie ein Gang barfuß über Stacheldraht. Da ist einer für die einen Held, für die anderen ein Spion. Die eine Seite wird "besetzt" oder ist es nicht doch ein Überfall gewesen? Darf man übereinander lachen? Haben die Deutschen inzwischen das Lachen über sich selbst gelernt? Kleines Beispiel: La drole de guerre (mir fehlen leider hier die Akzente). Engländer schmunzelten über diesen Kriegswahnsinn zuerst, Franzosen nennen das "den drolligen Krieg". Geht nicht im Deutschen. Geht überhaupt nicht, dass man diesen Wahnsinn begreift. Da bleckt man die Zähne zum schrillen "i" - im "Sitzkrieg". Die ihn damals gegeneinander aussaßen, haben die Zähne wahrscheinlich ähnlich gebleckt.

Dafür dann eine gemeinsame europäische Sprache finden, sich selbst und das Gegenüber spiegeln, neugierig machen, hinterfragen - eine schöne Aufgabe. Endspurt...

6 Kommentare:

  1. "La drôle de guerre" heißt im englischem "the phoney war". Ich glaube dieser Begriff kam sogar urprünglich aus England. Es spiegelt das so typische englische Selbstbewußtsein was heute noch beim internationalen Sportveranstaltungen zu beobachten ist, egal was, wo und wer der Gegner ist.

    Doch, was ist nun phoney?

    Der unechte Krieg?
    Der falsche Krieg?
    Der Scheinkrieg?

    Und da sind wir, wie Sie es sagen, bei der Betrachtungsweise. Ich, perönlich neige zu "unechter Krieg" einfach weil, zumindest aus englischer Sicht, NOCH kein Kampf stattgefunden hatte - man aber ihn irgendwo jetzt doch wollte, Ehre, Stolz usw. Ein Scheinkrieg würde zu schwach aussehen und "falsch" wäre genauso. Doch wäre stilistisch "Scheinkrieg" die bessere Übersetzung.

    Was natürlich auch dann hinzukommt ist die Zeit und damit eine Veränderung der Werte. Vielleicht gibt es irgendwo eine "politically correct" Bezeichnung für dieses Phase des "Haulocausts". Sorry, für mich ist er immernoch und bleibt er, den "Zweiten Weltkrieg".

    In Sachen Übersetzungen schmunzeln meine Frau und ich immer bei Gebrauchsanweisungen. Sie klingen so dramatisch, furchterregend wenn man sie fast wortwörtlich übersetzt, weil doch sehr viele Wörter aus dem französischem genommen worden.

    Das Thema "Franglais" (Dinglish für deutsche)hatte ich letztens mit meiner Gruppe in Haguenau eine Diskussion. In "Le Monde" erschien vor kurzem eine Umfrage zu diesem Thema. Ich griff es auf und dabei kam heraus das man zwar der Realität nicht ausweichen kann und sollte, aber ein Stück Kulturgut doch flöten geht. Allerdings ist man beim Elsäßischen da etwas vehementer - und trauert doch sehr, daß diesr Dialekt langsam am aussterben ist.

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  2. Mist, dass man seine Tippfehler nicht nachträglich ausbessern kann. Und, ich meine natürlich "Denglisch".

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  3. Ach, wenn ich so gut Englisch könnte wie Sie Deutsch, würde ich mich um Tippfühler nicht mehr scheren!

    Ja, stimmt, die Franzosen haben den Begriff von den Engländern übernommen. Und drollig war es ja ganz und gar nicht, weil derweil die Nazis in Polen wüteten.

    Aber ich kann mir Karrikaturen von damals vorstellen: Bis an die Zähne bewaffnet sitzen die Deutschen in den Bunkern des Westwalls in der Pfalz - und auf der anderen Seite die Franzosen genauso in denen der Maginotlinie. Offiziell ist Krieg, aber keiner tut etwas. Sie sitzen und starren (an die Tragik drumherum denkt keiner bei dem Bild, die Dörfer auf beiden Seiten sind in der Erwartung des Schrecklichsten evakuiert). Es geht eben hier nicht um den gesamten Krieg, sondern nur um diese Phase 1939/40.

    Nun ist bei unserer speziellen Stelle an der Grenze noch der absolute Schildbürgernonsense im Militär ausgebrochen gewesen. Eigentlich hätten die Soldaten ihre Würstchen an eine gemeinsamen Feuer grillen können, so traten sie sich fast auf die Füße. Aber man war ja Erzfeind. Und dann haben die Deutschen den Franzosen sozusagen vor den Kopf mitten im Wald eine riesige Bretterwand genagelt, damit die nicht hinüberschauen konnten.

    Zum Glück haben wir nicht nur Text und die Hilfslosigkeit von Sprache angesichts solchen Wahnsinns. Eine bildende Künstlerin wird das gestalten und ich darf schon verraten, dass ich es kaum abwarten kann, ihre Installationen zu erleben.
    Die Frage ist ja für heute: Wie viel Brett habe ich selbst vor dem Kopf? Wie viel Wahnsinn würde ich mittragen, ohne zu murren?

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  4. Was die Panik vor Sprachmischungen betrifft, kann ich als Spracharbeiterin nur amüsiert lächeln. Das hat es immer schon gegeben und immer sind auch ach so tolle Trends ganz schnell wieder ausgestorben. Was stünde die deutsche Sprache arm da, wenn es die Weltsprache der Römer einst nicht gegeben hätte! Ein etymologisches Wörterbuch gleich welcher Sprache ist ein wunderbares Geschichtsbuch über Migrationsreichtum und Anpassungen, wilde Neuerfindunge und verrückte Überbleibsel.

    Und da entdecke ich beim Übersetzen des Buchs derzeit Interessantes - nämlich wie viele Konstruktionen und Wortstämme des ach so (traditionellen) Französischen im Englischen genau gleich sind. Tja, die alten Normannen... Vieles ist da plötzlich wieder dem Englischen viel näher als dem Deutschen, obwohl man sich das eher umgekehrt vorstellt.

    Sprache ist etwas Lebendiges. Angst habe ich eher vor den Leuten, die sie einzäunen wollen und vorschreiben, was man wie sagen und schreiben darf. Und vor denen, die in Dauergeplapper immer sprachloser werden...

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  5. Ich hab heute mit meinem deutsch-französischen geschichtsbewussten Gemahl über den Begriff geredet. Er meint, er würde es übersezten mit "der Krieg, der nicht stattgefunden hat - la drôle de guerre" übersetzen...also eigentlich überhaupt nicht übersetzen, weil, so Jean, das einen Zeitraum nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich bezeichnet und somit eigentlich ein Fachbegriff ist.

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  6. Sicher ist es ein Fachbegriff, Sabine - und Sitzkrieg ist die korrekte Übersetzung (übrigens seit gestern amtlich).

    Aber kann es sein, dass dein Mann etwas verwechselt? Der Sitzkrieg bezeichnet die Phase nach dem Überfall auf Polen durch die Deutschen, als England und Frankreich Deutschland deshalb ein Ultimatum gesetzt hatten, aber nichts unternahmen. Auch nach der Kriegserklärung am 3.9.1939 an D. geschah an der Westfront nichts. Man saß sich in den Bunkern gegenüber, spähte sich aus und beschallte sich gegenseitig mit Propaganda. Der Krieg fand ganz woanders statt.

    Erst am 10.Mai 1940 fand der "Sitzkrieg" ein Ende - und in jenem Jahr wurde dann Frankreich besetzt.

    Das waren also locker neun Monate, in denen sich Franzosen und Deutsche bis an die Zähne bewaffnet kampflos in ihren Bunkern gegenübersaßen - obwohl im Krieg miteinander.

    Einfach besichtigen, wenn's fertig ist - ich denke, wer sich an jenem Ort diesen Wahnsinn vorstellt, wo sie sich fast gegenseitig in den Teller spucken konnten, der wird nochmal so froh sein über ein friedliches Europa!

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