Gedenkminute

Aus gegebenem Anlass möchte ich hier eine Gedenkminute in Textformat abhalten. Wer an dieser Gedenkminute fürs deutsche Feuilleton, den Preis der Leipziger Buchmesse und die Rechtsverluderung in der Buchbranche teilnehmen möchte, braucht nur den hier angeschlossenen Text zu plagiieren, ohne eine Quelle zu nennen:

Weit hinten, hinter den Wortbergen, fern der Länder Vokalien und Konsonantien leben die Blindtexte. Abgeschieden wohnen Sie in Buchstabhausen an der Küste des Semantik, eines großen Sprachozeans. Ein kleines Bächlein namens Duden fließt durch ihren Ort und versorgt sie mit den nötigen Regelialien.

Es ist ein paradiesmatisches Land, in dem einem gebratene Satzteile in den Mund fliegen. Nicht einmal von der allmächtigen Interpunktion werden die Blindtexte beherrscht – ein geradezu unorthographisches Leben. Eines Tages aber beschloß eine kleine Zeile Blindtext, ihr Name war Lorem Ipsum, hinaus zu gehen in die weite Grammatik.

Der große Oxmox riet ihr davon ab, da es dort wimmele von bösen Kommata, wilden Fragezeichen und hinterhältigen Semikoli, doch das Blindtextchen ließ sich nicht beirren. Es packte seine sieben Versalien, schob sich sein Initial in den Gürtel und machte sich auf den Weg. Als es die ersten Hügel des Kursivgebirges erklommen hatte, warf es einen letzten Blick zurück auf die Skyline seiner Heimatstadt Buchstabhausen, die Headline von Alphabetdorf und die Subline seiner eigenen Straße, der Zeilengasse. Wehmütig lief ihm eine rethorische Frage über die Wange, dann setzte es seinen Weg fort. Unterwegs traf es eine Copy. Die Copy warnte das Blindtextchen, da, wo sie herkäme wäre sie.
Gehetzt sah er sich um. Plötzlich erblickte er den schmalen Durchgang. Blitzartig drehte er sich nach rechts und verschwand zwischen den beiden Gebäuden. Beinahe wäre er dabei über den umgestürzten Mülleimer gefallen, der mitten im Weg lag. Er versuchte, sich in der Dunkelheit seinen Weg zu ertasten und erstarrte: Anscheinend gab es keinen.
Überall dieselbe alte Leier. Das Layout ist fertig, der Text lässt auf sich warten. Damit das Layout nun nicht nackt im Raume steht und sich klein und leer vorkommt, springe ich ein: der Blindtext.

Es packte seine sieben Versalien, schob sich sein Initial in den Gürtel und machte sich auf den Weg. Als es die ersten Hügel des Kursivgebirges erklommen hatte, warf es einen letzten Blick zurück auf die Skyline seiner Heimatstadt Buchstabhausen, die Headline von Alphabetdorf und die Subline seiner eigenen Straße, der Zeilengasse. Wehmütig lief ihm eine rethorische Frage über die Wange, dann setzte es seinen Weg fort. Unterwegs traf es eine Copy. Die Copy warnte das Blindtextchen, da, wo sie herkäme wäre sie zigmal umgeschrieben worden und alles, was von ihrem Ursprung noch übrig wäre, sei das Wort "und" und das Blindtextchen solle umkehren und wieder in sein eigenes, sicheres Land zurückkehren. Doch alles Gutzureden konnte es nicht überzeugen und so dauerte es nicht lange, bis ihm ein paar heimtückische Werbetexter auflauerten, es mit Longe und Parole betrunken machten und es dann in ihre Agentur schleppten, wo sie es für ihre Projekte wieder und wieder mißbrauchten.
Und wenn es nicht umgeschrieben wurde, dann benutzen Sie es immer noch.

2 Kommentare:

  1. Welch geballte Kraft der Worte, der Plot zieht sich wie der Fluss Duden stringent durch die Geschichte der blinden Einwohner von Buchstabenhausen, aus der eine kleine(wahrscheinlich 17 Jährige) Textzeile namens Lorem Hegem... äh, Ipsum eines schönen Tages auszubrechen sich entschloss, um in den Weiten der Grammatik ihre Geschichte zum Glück zu schreiben.

    PvC gelingt mit "Die Quelle" eine wundervolle Erzählung, wie sie in ihrer texturalen Fülle und ungeschwurbelten Platzhalterrolle in dieser Form wohl eine einzigartige und phantasivolle Originalität besitzt.
    Ein Muss für alle Layouter und zukünftigen Leserreporter.

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  2. Und wieder ist ein Kritiker hereingefallen! Nein, PvC schreibt zwar noch langweilig selbst, aber dies hier ist wirklich und tatsächlich ein Blindtext, nebst altmodischer Quellenangabe. ;-)

    Es handelt sich hierbei um die erste copy&paste-Gedenkminute der Welt. Ein gestohlenes Schweigen ohne CC-Lizenz, einen Ruhepunkt, dem Ausdrucker nicht mehr folgen können... einem Fluchtpunkt... kurzum, einem Abbild unserer Zeit in ihrem ipsum daselbst.

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