Eine Autorin spinnt

Gestern fragte mich ein Kollege, wie ich das mache, solche Texte in die Tasten zu klopfen, ob ich womöglich Äthanol zu Hilfe nähme. Ich musste lachen, denn meine Droge war härter: Ich übersetze fleißig an einem Buch, in dem einer fleißig Äther schnüffelt. Das und eine Teesorte namens "Samowar" plus ein geschenkter Tag wegen einer ausgefallenen Konferenz reichten mir völlig.

Denn ich hatte mir morgens vorgenommen: Betrachte diesen als "gestohlenen" Tag. An solchen Tagen gönne ich mir "freies Herumspinnen", das in Wirklichkeit einen tieferen Sinn hat. Ich löse damit nämlich schriftstellerische Probleme. So gehe ich ja mit einem neuen Buchprojekt schwanger, habe aber einfach noch keine adäquate Form dafür. Andere nehmen in solchen Fällen Ratgeber zur Hand oder fragen Kollegen, wie sie dieses Problem lösen würden. Ich begebe mich auf die Suche nach meiner Geschichte und versuche, sie wenigstens ein paar Minuten stillhalten zu lassen, damit ich sie direkt befragen kann.

Weil Geschichten aber leider quecksilbrig sind und einem ständig Nasen drehen, nähert man sich ihnen am besten heimlich von der Seite, herumhüpfend und lustig mit etwas anderem beschäftigt. So kamen die gestrigen Texte zustande, nachdem ich Tränen über unseren schönen BHL gelacht hatte. Und wie der Hirnforscher sieht, stehlen sich dann unversehens Fetzen aus der eigenen Geschichten ein, deshalb wimmelt es in diesem Blog immer mal wieder von Russen. Ich fürchte, solange ich sie noch nicht in ein eigenes Buch sperren kann, machen sie sich immer wieder selbstständig. Wie mein heißgeliebter Wassilij, der in der Realität ein echtes dramaturgisches Problem darstellt.

Schön ist bei dieser öffentlichen Form des Herumspinnens, bei dem eher an einen Faden gedacht werden darf als an die übliche Bedeutung, dass alle irgendwie ihren Spaß haben. Derweil verknüpfen sich dann meine Assoziationen, Gespräche, Antworten und Reaktionen. Als dann bei Twitter jemand in einem Kompliment von Genreüberschreitungen sprach, kam plötzlich wieder die innere Glühbirne hervor. Und beleuchtete etwas, das ich zu obigem Kollegen gesagt hatte, bezüglich völlig neuer Formen aus der osteuropäischen Literatur. Heureka. Da genügt ein einzelner spinnerter Tag, um den größten dramaturgischen Knoten zu lösen.

Das Ergebnis ist so neu und ungewöhnlich, dass ich es erst einmal testen muss. Ich sehe jetzt schon gewisse Lektoren erstarren, weil die passende Schublade fehlt. Und genau deshalb könnte diese Form für meine zu erzählenden Geschichten die richtige sein. Wollen jetzt alle wissen, woran ich herumdenke? Neugierig?

Nun, das ist so: Mein Projekt besteht sozusagen aus zwei Geschichten, die zwar inhaltliche Parallelen haben, aber nur einen winzigen Berührungspunkt. Und das, was ich erzählen möchte, ist zu verstreut, zu punktartig, als dass sich daraus ein Roman machen ließe. Selbst für ein erzählendes Sachbuch blieben große Lücken zu überwinden, die man dann herkömmlich mit Wissensvermittlung stopfen würde. Gestern kam mir dann die Idee, das "Genre" des erzählenden Sachbuchs extrem wörtlich zu nehmen. Ich erzähle hier so vieles locker herunter, als säßen wir bei Tee oder Kaffee oder meinetwegen auch Äthanol - und keiner schreit auf, dass Wissen weh täte oder Bildung Beulen verursache. Warum eigentlich nicht diese Samowartante als Person in ein Sachbuch nehmen? Die könnte sich dann BLAU faseln, ohne dass einer merkt, was ihm da alles untergeschoben wird...

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