Das Zaudern beim Zitieren
Wahrscheinlich sieht man es mir im Blog an, ohne dass ich ein Video drehen muss: Ich schüttele in letzter Zeit immer häufiger den Kopf. Im Unterschied zu Leuten, die sich nur als Untermieter in demselben fühlen, bin ich nämlich in einem Alter, in dem mir die ganze Verantwortung für mein Hirn vor Augen steht. Nun bin ich seit Studienzeiten mit dem Urheberrecht und vor allem Zitatrecht aufgewachsen, habe korrektes wissenschaftliches und literarisches Zitieren und später journalistisches Zitieren gelernt. Man darf ja, wenn man es richtig macht. Und vor allem als Sachbuchautor kann man gar nicht umhin, es korrekt zu beherrschen - sonst würde man sich den eigenen Strick drehen.
Die meisten Leser ahnen gar nicht, wie oft man da als Autor schwitzt und hin und her überlegt. Und dass man nicht selten - wenn man nicht die Hegemann macht - ganze Passagen lieber umschreibt, ja sogar verzichtet. Bei meinem Hörbuch über Nijinsky wurde der Sachtext zur Herausforderung. Ein Sprecher kann keine Fußnoten aufsagen. In einem Hörbuch werden keine Quellen vorgelesen. Aber die Lösung ist einfach: Solch ein Apparat gehört ins Beiheft der CD, Ausreden, es sich einfach zu machen, gibt es auch hier nicht.
Nun hat Nijinsky selbst ein wunderbares "Tagebuch" geschrieben, aus dem man in solch einem Fall unbedingt zitieren muss - und sich also mit dem Zitatrecht auseinandersetzen. Im Text muss hörbar sein, dass jetzt hieraus zitiert wird. Nijinsky ist noch keine 70 Jahre tot - und selbst wenn er es wäre, liegen die Rechte an der Übersetzung bei Verlag. Sobald man daraus öfter als soundsovielmal zitiert, geht man den Weg der Anständigen: Beim betreffenden Verlag werden die Rechte eingeholt, sprich, man fragt ganz einfach, ob man darf.
In den meisten Fällen hat man als Autor aber gelernt, so geschickt und korrekt zu zitieren, dass es ohnehin erlaubt ist. Zwei Sätze allenfalls und auch keine halbseitigen, ansonsten muss man eben den eigenen Hirnschmalz anstrengen, um zu erzählen, was man aus dem anderen Werk gelernt hat. Und diese Sätze ordentlich zitiert, mit genauen Quellenangaben. Das ist nicht einfach juristische Spitzfindigkeit, sondern Dienst am Leser. Wer durchstöbert nicht gern auch einmal Fußnoten und Bibliografien, wenn ihn ein Thema gepackt hat? So werden zwei zitierte Sätze zum Appetithappen auf ein anderes Werk, das eigene Buch wird zum Diskurs mit anderen Autoren, zum Verweis, dass es nicht alleine steht und zufällig aus einem einzigen Hirn explodiert ist.
Dieser Apparat macht verdammt viel Arbeit, vor allem nachher im Lektorat. Ich sehe ein schönes Beispiel bei dem Buch, das ich derzeit übersetze. Da hat jemand Unmengen von Originalliteratur durchfahndet, schreibt daraus bisher völlig unbekannte und spannende Geschichten, aber fein säuberlich jedes einzelne Zitat belegt, jede Quelle genannt. Will ich nun über ein ähnliches Thema arbeiten, hilft mir ein solches Buch enorm, weil ich genau herausfinden kann, welche Quellen sich lohnen und welche ich mir sparen kann. Solch ein Buch wird zu einer Anleitung spannender Forschung und Vertiefung, zu einer Entdeckungsreise an Hintergründen. Ich gestehe, ich bin ein Bibliografie-Süchtling. Wenn mich ein Thema packt, will ich nicht nur ein Buch darüber lesen. Quellenangaben werden damit zur Verführung, zu einer Leitplanke auf unbekannten Straßen. Und es schmerzt mir im Herzen, wenn vor allem Verleger populärer Sachbücher Bibliografien platzsparend zusammenstreichen und damit Bücher entwerten.
Zitat- und Urheberrecht zwingen mich als Autorin dazu, mich nicht auf den Lorbeeren anderer auszuruhen, sondern Eigenes zu schaffen. Wie oft zaudere ich im Schreibfluss, lösche die Anführungszeichen wieder und sage mir: Dazu könntest du dir eigene Gedanken machen, fällt dir denn selbst nichts ein? Hat ein Text allzu viele Quellenangaben, ist das für mich immer ein kritisches Zeichen: Dann rutsche ich entweder in einen akademischen Stil, den ich als Buch nicht verkaufen kann, weil ihn zu wenige verstehen oder goutieren könnten. Oder ich bin schlicht auf die schiefe Bahn der Bequemlichkeit geraten, habe mein Hirn abgeschaltet, schöpfe nicht mehr selbst. Da hilft nur, das Ganze noch einmal zu schreiben.
Quellenangaben sind nicht nur Service und Verführung für die Leser. Quellenangaben sind ein Dankeschön an die Urheber, eine Respektbezeugung für die Arbeit, die sie sich vor mir gemacht haben. Quellenangaben stellen mein Werk ins richtige Licht, weil sie die Verflechtungen und Denkschritte sichtbar machen, weil sie beweisen, dass nichts ohne die anderen gedacht werden kann, dass es so viel Neues nicht gibt. Aber dass derart kenntlich gemachte Wege wie Wanderkarten für die Nachfolgenden sind, Anleitungen, ebenfalls andere Wege auf Altvertrautem zu gehen, individuelle Wege durch einen teilweise bekannten Dschungel. Quellenangaben sind eine Erinnerung daran, dass kein Autor allein steht, kein Ego so groß sein kann, dass es allein genüge. Modern gesagt: Quellenangaben sind auch eine Art "Social Media" und Sharing-Kultur.
Die meisten Leser ahnen gar nicht, wie oft man da als Autor schwitzt und hin und her überlegt. Und dass man nicht selten - wenn man nicht die Hegemann macht - ganze Passagen lieber umschreibt, ja sogar verzichtet. Bei meinem Hörbuch über Nijinsky wurde der Sachtext zur Herausforderung. Ein Sprecher kann keine Fußnoten aufsagen. In einem Hörbuch werden keine Quellen vorgelesen. Aber die Lösung ist einfach: Solch ein Apparat gehört ins Beiheft der CD, Ausreden, es sich einfach zu machen, gibt es auch hier nicht.
Nun hat Nijinsky selbst ein wunderbares "Tagebuch" geschrieben, aus dem man in solch einem Fall unbedingt zitieren muss - und sich also mit dem Zitatrecht auseinandersetzen. Im Text muss hörbar sein, dass jetzt hieraus zitiert wird. Nijinsky ist noch keine 70 Jahre tot - und selbst wenn er es wäre, liegen die Rechte an der Übersetzung bei Verlag. Sobald man daraus öfter als soundsovielmal zitiert, geht man den Weg der Anständigen: Beim betreffenden Verlag werden die Rechte eingeholt, sprich, man fragt ganz einfach, ob man darf.
In den meisten Fällen hat man als Autor aber gelernt, so geschickt und korrekt zu zitieren, dass es ohnehin erlaubt ist. Zwei Sätze allenfalls und auch keine halbseitigen, ansonsten muss man eben den eigenen Hirnschmalz anstrengen, um zu erzählen, was man aus dem anderen Werk gelernt hat. Und diese Sätze ordentlich zitiert, mit genauen Quellenangaben. Das ist nicht einfach juristische Spitzfindigkeit, sondern Dienst am Leser. Wer durchstöbert nicht gern auch einmal Fußnoten und Bibliografien, wenn ihn ein Thema gepackt hat? So werden zwei zitierte Sätze zum Appetithappen auf ein anderes Werk, das eigene Buch wird zum Diskurs mit anderen Autoren, zum Verweis, dass es nicht alleine steht und zufällig aus einem einzigen Hirn explodiert ist.
Dieser Apparat macht verdammt viel Arbeit, vor allem nachher im Lektorat. Ich sehe ein schönes Beispiel bei dem Buch, das ich derzeit übersetze. Da hat jemand Unmengen von Originalliteratur durchfahndet, schreibt daraus bisher völlig unbekannte und spannende Geschichten, aber fein säuberlich jedes einzelne Zitat belegt, jede Quelle genannt. Will ich nun über ein ähnliches Thema arbeiten, hilft mir ein solches Buch enorm, weil ich genau herausfinden kann, welche Quellen sich lohnen und welche ich mir sparen kann. Solch ein Buch wird zu einer Anleitung spannender Forschung und Vertiefung, zu einer Entdeckungsreise an Hintergründen. Ich gestehe, ich bin ein Bibliografie-Süchtling. Wenn mich ein Thema packt, will ich nicht nur ein Buch darüber lesen. Quellenangaben werden damit zur Verführung, zu einer Leitplanke auf unbekannten Straßen. Und es schmerzt mir im Herzen, wenn vor allem Verleger populärer Sachbücher Bibliografien platzsparend zusammenstreichen und damit Bücher entwerten.
Zitat- und Urheberrecht zwingen mich als Autorin dazu, mich nicht auf den Lorbeeren anderer auszuruhen, sondern Eigenes zu schaffen. Wie oft zaudere ich im Schreibfluss, lösche die Anführungszeichen wieder und sage mir: Dazu könntest du dir eigene Gedanken machen, fällt dir denn selbst nichts ein? Hat ein Text allzu viele Quellenangaben, ist das für mich immer ein kritisches Zeichen: Dann rutsche ich entweder in einen akademischen Stil, den ich als Buch nicht verkaufen kann, weil ihn zu wenige verstehen oder goutieren könnten. Oder ich bin schlicht auf die schiefe Bahn der Bequemlichkeit geraten, habe mein Hirn abgeschaltet, schöpfe nicht mehr selbst. Da hilft nur, das Ganze noch einmal zu schreiben.
Quellenangaben sind nicht nur Service und Verführung für die Leser. Quellenangaben sind ein Dankeschön an die Urheber, eine Respektbezeugung für die Arbeit, die sie sich vor mir gemacht haben. Quellenangaben stellen mein Werk ins richtige Licht, weil sie die Verflechtungen und Denkschritte sichtbar machen, weil sie beweisen, dass nichts ohne die anderen gedacht werden kann, dass es so viel Neues nicht gibt. Aber dass derart kenntlich gemachte Wege wie Wanderkarten für die Nachfolgenden sind, Anleitungen, ebenfalls andere Wege auf Altvertrautem zu gehen, individuelle Wege durch einen teilweise bekannten Dschungel. Quellenangaben sind eine Erinnerung daran, dass kein Autor allein steht, kein Ego so groß sein kann, dass es allein genüge. Modern gesagt: Quellenangaben sind auch eine Art "Social Media" und Sharing-Kultur.
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