Nebenberuf: Kommunikator
Eben habe ich es wieder aus berufenem Munde gehört: So wie derzeit wird es in der Buchbranche nicht weitergehen. Eigentlich, so der Fachmensch, ginge ja derzeit überhaupt nichts richtig. Die einen seien dabei, mit hemmungslosem Ausreizen von Massengeschmack den Karren an die Wand zu fahren, weil der elfte geklonte Hackfleischklops plötzlich Übelkeit beim Hackfleischverbraucher verursacht. Und die anderen hätten mit ihren Gourmetfeinheiten noch das Problem einer gewissen Unsichtbarkeit, was bekanntlich zu finanziellen Überlebensengpässen führen kann. Aber wie wir alle aus der freien Wirtschaft wissen: Selbst ein gewisser Lebensmittelbilligdiscounter bietet inzwischen Gourmetprodukte und Bioware an.
Ich will mich nicht im Kristallkugellesen versuchen, obwohl das, worum es geht, durchaus etwas von einem Besuch bei der Wahrsagerin hat. Alle an der Entstehung von Büchern Beteiligten wissen ganz genau, es muss in Zukunft neue Kanäle und Medien geben, welche die herkömmlichen Methoden nicht ersetzen, sondern ergänzen. Wohl dem, der rechtzeitig dabei ist und schon mal übt, bevor die Sache richtig ins Geld gehen könnte.
Social Web für Kontakt mit Lesern?
Einer dieser Kanäle heißt Internet, neumodisch und speziell gemeint ist das Social Web. Der Begriff "social" verrät, was gemeint ist: Jede Tätigkeit online, die auf Interaktivität und Kommunikation abzielt. Der gute alte Kontakt zu Menschen also, an die man virtuell oft schneller, billiger und kilometersparender im Internet herankommt. Gemeint sind z.B. Blogs mit Austausch und nicht Blogs mit abgeschalteter Kommentarfunktion. Gemeint sind all die Kommunikations- und Vernetzungstools, aber auch der Wissenaustausch wie bei Wikipedia, der Austausch von Videos oder Podcasts. Und der Holtzbrinckkonzern hat nun in München eine Veranstaltung zum Thema aufgezogen, wo der Nutzen von Social Media speziell für Buchleute diskutiert wurde.
Einen guten Überblick über die Ergebnisse dieses Tages gibt es im Literaturcafé und im Buchreport-Blog. Sehr lesenswert: Der analysierte Selbstversuch eines Autors. Alle Links auf einen Blick beim Veranstalter.
Fazit der Veranstaltung: Einen genauen Kosten-Nutzenvergleich kann man derzeit nicht aufstellen. Es fehlen nicht nur Messmethoden, sondern auch konkrete Ergebnisse. Als PR-Frau im Nebenberuf kann ich nur sagen: Das hat man bei herkömmlichen PR-Methoden auch nur bedingt. Und wenn ich an einer gedruckten Presseaussendung arbeite, sind die Ergebnisse nicht unbedingt berauschender, als wenn ich online Kontakte nutzen würde.
Meine Meinung nach noch laufendem Selbstversuch:
Social media allgemein:
- Man muss nicht alles machen und nicht alles beherrschen. Beim zwanglosen Herumspielen in der Vielfalt kann man jedoch entdecken, welcher Kommunikationstyp man ist - und was einem liegt.
- Social Media sind intuitiv und schnell einsetzbar. Aber wie jedes Kommunikationsinstrument will der Umgang gelernt sein. Und dann sollte man auch irgendwann eine Strategie entwickeln, sich Ziele setzen, um über den netten Zeitvertreib und Zeitfresser zu handfesteren Ergebnissen zu kommen.
- Das Thema Datensicherheit interessiert offenbar nur wenige - ich finde, Information und Aufklärung sollten auch hier sein. Tatsache ist, dass die meisten kostenlosen Social Media Systeme hemmungslos und ewig konserviert Daten sammeln und in einer Weise verwenden, dass einem getrost schlecht werden darf.
- Klasse statt Masse! Wer nach Klickzahlen, Followers, Friends und sonstigen "Umsätzen" schielt, ist nicht nur von gestern, sondern hat menschliche Kommunikation nicht begriffen.
- Social media sind nur so gut oder schlecht wie die Menschen, die sie benutzen.
- Egozentrik kommt nur kurzfristig und nur in gewissen Kreisen gut. Nachhaltig wird die Sache erst im Dialog und Austausch.
- Noch kostet das Ganze "nur" Zeit und Selbstausbeutung (außer bei kostenpflichtigen Netzwerken).
- Social Media funktionieren nur durch Austausch, Dialog, Vernetzung, Verlinkung etc. Auch hier: Klasse statt Masse.
- Lügen, Getue und Fassade fallen ziemlich schnell auf. Empfehlenswert ist ein Öffentlichkeitsgesicht (man stellt halt nicht alles ins Web), das möglichst authentisch gelebt werden sollte. Statt Werbeblubberblasen lieber ein Mensch.
- Strategie, Planung und Disziplin sind extrem wichtig, denn Dienste wie Facebook oder Twitter sind extreme Zeitfresser. Man sollte sich zuerst fragen: Was will ich erreichen? Wie kann ich es erreichen? Wie viel Zeit habe ich dafür übrig? Und welche Plattform kommt meinen Zielen am ehesten entgegen?
- Ich glaube nicht, dass ich durch meine Internetaktivitäten nennenswert mehr Bücher verkauft habe (das werde ich Ende März an den Abrechnungen sehen). Ich glaube nicht einmal, dass ich meine Leserinnen und Leser anspreche - sondern eher andere Branchenleute. Wenn überhaupt etwas im Gespräch sein sollte, dann nicht meine Titel, sondern mein Name. Passend zum Thema "Markenbildung" Autor... Eine Binsenweisheit deshalb: Man sollte mit Klarname tätig sein.
- Speziell bei Twitter fallen Kontakte zu Branchenleuten (nicht nur KollegInnen) leicht, einige bleiben durchaus auch "real life" hängen. Man spricht sich in Social Media leichter an, entdeckt hochinteressante Leute (falls man auf Klasse statt Masse schaut). Ideal auch für Fragen und Hilfeleistungen aller Art. Völlig abgehängt: Feuilleton und in weiten Teilen Presse. Die folgen meist nur sich selbst und werden eines Tages übel erwachen, wenn sie weiter so im eigenen Sud schwimmen. Fazit: In Zukunft wird Kommunikationskompetenz entscheidend sein. Egoticker sind von gestern.
- Viel spannender für den Kontakt zu Lesern und Einblicke ins Buchmachen finde ich Multimedia. So spannend, dass ich mich schon technisch einlerne. Dazu reicht eine Autorenwebseite oder ein Blog - und dann kann ich überlegen, was ich via Video oder Podcast vermitteln könnte (wofür es dann wiederum Plattformen wie youtube gibt). Aber auch das sollte professionell sein oder zumindest ausreichend Trash-Charme haben! Und da lassen sich dann auch feine Mitmachaktionen ausdenken. In diesem Bereich könnten Autoren von sich aus tätig werden.
- Meine Pläne: Endlich einmal meine Stimme zu konservieren oder vielleicht sogar einen Auftritt auf Video. So wird man nicht nur Veranstalter leichter überzeugen können, sondern kann auch Menschen glücklich machen, denen die Lesung zu weit weg ist. Live-Streaming wäre ein Zukunftsthema (eigentlich wäre das Aufwändigere aber Sache von Verlagen).
- Plattformen wie Facebook oder Twitter eignen sich besonders gut für Spezialisten und Spezialthemen. Social media haben etwas Fragmentiertes, Allrounder wie ich kommen da nicht so gut. Ich müsste mich, um an Leser zu gelangen, in Rosenbereichen genauso herumdrücken wie in Tourismus und Gastronomie oder bei Ballettomanen - für einen Menschen mit zwei Händen, zwei Beinen und einem Hirn unmöglich. Und die Schnittmengen wären hier einfach zu klein, als dass es sich lohnen könnte. Leute, die nur Krimis schreiben, nur Diätratgeber oder nur Fantasy haben es hier sehr viel einfacher! Mischtypen müssen sich knallhart nach ihrem USP fragen. Und da glaube ich, kommt man mit einer professionellen Webseite, die gut eingebunden ist in ein Netz und vielleicht multimedial - sehr viel weiter. Im Moment.
- Man sollte nie sagen: Das ist nichts für mich. Techniken, Bedürfnisse und Inhalte ändern sich derzeit so schnell, dass in zwei Monaten alles ganz anders aussehen kann.
- Bevor man sich in Arbeit stürzt, empfiehlt sich eine Analyse des eigenen Publikums (z.B. bei Lesungen etc.) Ich habe z.B. einen sehr großen Anteil an Lesernnen, die nicht internetaffin sind, Bücher auch fast ausschließlich im Laden kaufen. Das bedeutet, ich kann zwar im Internet vielleicht neue Schichten ansprechen, sollte jedoch unbedingt die Nicht-Onliner weiter pflegen. Herausforderung der Zukunft: Vernetzung von Offline und Online als Kultur des Austauschs.
AutorInnen, die dank Spitzentitel u.ä. Platzierungen eh schon fleißig von Verlagen und Buchhandlungen beworben werden, können zwar dank Social Web Fangemeinden pflegen - aber eigentlich bringt das nicht viel Zusatznutzen. Dann doch lieber gleich den nächsten Bestseller nachschieben!
AutorInnen, die in Stapeln und auf Sondertischen in Buchhandelsketten stark präsent sind, sind das über die Verlage meist auch im Internet. Auch hier schätze ich Social Media eher als nettes Zusatztool ein, als dass es vom Aufwand her gerechtfertigt wäre.
Social Web ist im Moment die einfachste und preiswerteste Lösung fürs Sichtbarmachen von unsichtbaren Büchern. Also den Perlen, die nicht im Buchsupermarkt ausliegen, die am Feuilleton vorbeigehen, die ein sehr spezielles Lesepublikum ansprechen.
Aber man muss sich im Klaren sein, dass Social Media indirekt sehr wohl Kosten verursacht (Manpower, Arbeitszeit) und noch mehr Arbeit am Sichtbarmachen verlangt als herkömmliche Formate.
Unbedingt empfehlen möchte ich vor dem Start ein kurzes Einlernen ins Medium oder die Plattform. Viele geben in der Anfangsphase auf, weil sie das Ding schlicht nicht zu bedienen wissen. Während des lustigen Experimentierens darf dann die zweite Phase kommen: Man lernt intensiv über Vorteile, Nachteile und Möglichkeiten des gewählten Mediums - Material gibt es in Hülle und Fülle im Netz. Beherrscht man die Sache dann ausreichend, sollte die Disziplin greifen. Mit einer Stunde täglich kann man hinkommen, wenn man sich nicht verzettelt. Wer zeitweise solche aufwändigen Artikel schreibt wie ich, darf dann noch ein Stündchen aufschlagen.
Ob das Ganze nur Seifenblase oder Selbstbetrug ist, werde ich im April berichten.
Was mir absolut fehlt: Qualitätsplattformen für Hochwertiges und Besonderes - und echte Alternativen zum großen Feuilleton. All das existiert bereits für Lesefutter, warum nicht auch für Erlesenes?
Oh ja, den letzten Punkt unterschreibe ich. Falls es sowas gibt habe ich es noch nicht gefunden...
AntwortenLöschenAls Internetladen kenne ich nur www.tubuk.com (Link rechts im Menu), aber richtige Plattformen oder Communities suche ich bisher auch vergebens. Ich könnte mir z.B. wunderbar einen Zusammenschluss der Independents vorstellen.
AntwortenLöschenAnsonsten: als kleine, winzige, unscheinbare Einzelkämpferin versuche ich wenigstens hier in den Rezensionen das Augenmerk auf meiner Meinung nach "besondere Bücher" zu lenken, abseits von den Stapeln (obwohl einer inzwischen in einem liegt). Und ich kann nur andere ermuntern, sich ebenfalls zu engagieren, damit unsichtbare Bücher sichtbar werden. Das geht auch ohne Social Web: Man kann Bücher empfehlen, Bücher verschenken...
Spannende Überlegungen, die sehr anregend sind. Eine kleine persönliche Erfahrung mit Social Media: Als Kulturveranstalter haben wir begonnen im Herbst eine Facebook-Fanseite aufzubauen. Das Ergebnis: wir hatten noch nie so viele junge Leuten, bei unseren Veranstaltungen, weil diese leicht an die Infos kamen. Ich kann aber bestätigen, dass mandie nicht Internetaffinen nicht vergessen darf.
AntwortenLöschenWeiters zu bedenken: Die seite muss gepflegt werden. Wenn dort 3 Monate nichts passiert, ist die Energie des Aufbaus verpufft. This means steady work!
Spannende Diskussion jedenfalls.
Andreas Brunner
Letzteres ist der Grund, warum ich dieses Blog manchmal verfluche (und nicht noch ein Medium schaffe). Aber ich habe als junge Journalistin ja immer von der eigenen Zeitung geträumt, das hat man davon, wenn man sich sowas wünscht...
AntwortenLöschenGrüße übers Gebirge!
man kann auch ueber ning.com sein eigenes exclusives Netzwerk bilden. Allerdings wie alles was Sie sagen, Pflege ist hier noch wichtiger als woanders.
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