Mit dem Alter kommt die Ruhe?

Eigentlich müsste ich im Moment vollkommen rotieren, wenn ich daran denke, was für die Deadline alles noch nicht gemacht ist. Im Moment geht das ganz aufregend zwischen Telefon, neuen Dateien und Speedübersetzen hin und her. Und ja, ich schaue schon öfter auf die Uhr als sonst. Früher hat mich so etwas zwar herrlich beflügelt, aber auch jede Menge Nerven gekostet. Immer war ich aufgeregt, nicht rechtzeitig fertig zu werden oder nicht gut genug zu sein. Vor allem das Verlagsleben kostet einen ja einiges an Selbstwertgefühl. KollegInnen werden das kennen, wenn man nach monatelangen Bewerbungsdurchgängen und teilweise einfach unsinnigen Absagen den Eindruck gewinnt, besser Metzger geworden zu sein.

Die Zeiten sind offensichtlich vorbei. Durch meine anderen Arbeiten kann ich endlich wieder einschätzen, wie ich tatsächlich arbeite. Und während mir die Übersetzung eines Sachverhalts aus dem Zweiten Weltkrieg noch vor zwei Jahren das Schlottern beigebracht hätte, sage ich mir jetzt: "Komm, du hast eben für das Buch die Passage eines Literaten übersetzt, da wirst du doch so eine klitzekleine Invasion schaffen." Ein schönes Gefühl, wenn einen so leicht nichts mehr schockt. Wenn man einfach gelassen bleiben kann, weil man weiß, dass es zu schaffen ist.

Und was hat Madame also heute gemacht, anstatt kopflos wie ein Huhn Hektik zu verbreiten? Erst einmal die Akkus von zwei Telefonen mit einem lieben Kollegen leer telefoniert, dabei auch das neue Projekt bequakelt und spannende Anregungen und Fragen dazu bekommen. Das landete dann irgendwann wieder bei Nijinsky - und den sollte ich ja bis spätestens vor den Aufnahmen noch einmal auf die allerletzten übersehenen Fehler überprüfen. Ausgerechnet heute, mitten im Stress, lektoriere ich also noch das halbe Hörbuch. Und schippe Schnee. Und laufe mit dem Hund, der heute bis fast an den Bauch im Schnee stand (anstrengend für Mensch, der keine leichtgängigen Pfoten hat).

Und jetzt mach ich ganz frech Feierabend, so früh wie noch nie, all meine Texte sind vor Lektorat fertig. Spät abends dann noch einmal eine Runde Telefonkonferenz, wo ich sicher hören werde, dass jetzt doch alles ganz anders gemacht wird. Das ist dann morgen dran. In Ruhe.
Älter werden macht Spaß. Es müssen schon ganz andere Hämmer als früher passieren, bis man in Deadline-Panik gerät. Denn auch das habe ich erst lernen müssen: Bei der deadline sollte die line tot sein, nicht der Arbeitende.
PS: Mal sehen, ob ich morgen noch so lustig klinge.

3 Kommentare:

  1. Kann mir einer verraten, warum immer ausgerechnet in der Großkampfphase vor der Deadline all diejenigen etwas von einem wollen, die endlos Zeit haben und einen gemütlichen Angestelltenjob? Da schlagen die Mails auf, dass es eine Pracht ist.

    So, noch ein Tee und weiter, Endspurt...

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  2. Weil sie Deinen Blog lesen?
    Weil sie denken, dass Du eingeschneit und einsam bist und Dich nach Gesellschaft sehnst?
    Weil sie wissen wollen, ob Du nach so viel Einsamkeit mit Hund auf alles nur noch "Wau" sagst?
    Weil sie prüfen wollen, ob Du tatsächlich so gelassen bist wie gestern beschrieben?

    In der Ruhe liegt die Kraft!
    "Ommmmmmmmmmmm............"

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  3. Na, es hatte nicht nur mich getroffen, Deadlines scheinen diese Warter magisch anzuziehen. Ich hab dafür eine Normmail nach dem Motto "Jetzt nicht!"

    Oft ist es einfach so, dass sich Festangestellte diesen Freiberuflerirrsinn nicht vorstellen können und denken, man bohre den ganzen Tag gelangweilt in der Nase.

    Aber es ist alles geschafft. Und ich mach heute luxuriös frei. Sonnenschein, die Mücken tanzen über freigeschmolzenen Grashälmchen...

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