Wie laut darf Buch-PR sein?

Im Moment komme ich mir selbst ein wenig wie eine billige Marktschreierin vor, weil es außer meinem neuen Buch "Faszination Nijinsky" kein Thema mehr für mich zu geben scheint. Es sei mir vielleicht nachgesehen, dass ich mich nach zweieinhalb Jahren Arbeit an einem echten Herzensprojekt in meinem Überschwang nicht zügeln kann. Und irgendwo muss ich ja auch zum Handwerk klappern, weil es in diesem Fall niemand anders für mich tut: Bücher wollen gefunden werden. Wenn ich schon so viele Jahre lang PR für andere gemacht habe, sollte ich mir diesen Dienst selbst einmal gönnen.

Doch nichts ist schwieriger als PR in künstlerischen Bereichen. Eigen-PR ist zumindest in der Buchbranche fast ein Unding. Normalerweise arbeitet man, wenn man vom Fach ist, den eigenen Verlagen hinter den Kulissen zu - oder tauscht mit PR-Kollegen Mailingaktionen, damit nur ja nicht der eigene Name befleckt wird. "Eigenlob stinkt" ist in deutschen Landen ein sehr verbreitetes Motto. "Der muss es ja nötig haben", urteilen vorschnell KollegInnen und sogar die Presse, wenn man zuviel des Guten tut. Was in Amerika an Werbeton an der Tagesordnung ist, gilt in Europa als schlechtes Benehmen, macht den Autor zum billigen Jakob. Man kann das wunderbar in den Social Media beobachten: Die Bastler mit den wirklich unsäglich schlecht gemachten "Büchern" voller Rechtschreibfehler, die Gurus der Ratgeber-Szene von Seo bis Selbstbetrug schreien am häufigsten, am lautesten und am direktesten: Kauf mich! Der "wahre Autor" schweigt oder redet über ganz andere Dinge. Trennt sich hier schon die Spreu vom Weizen, indem das Publikum sich den "Werbefritzen" verweigert?

Dumm nur, dass das mit dem Schweigen in einer öffentlichen Welt der Überkommunikation auch nicht mehr läuft. Manche Literaten, die im Jahr beim Spitzenverlag 200 Exemplare absetzen, könnten ihre Bekanntheit durchaus steigern, wenn sie ihre Totalverweigerung von Social Media beenden würden, um an die Menschen heran zu kommen, die von ihren Büchern sonst nie etwas erfahren. Und die Freaks, die ein Netzwerk nach dem anderen sammeln, könnten durch eine Web-Diät durchaus den Ruf des ernsthaften Schriftstellers verbessern. Die Gratwanderung zwischen dezenter, informativer PR und aufdringlicher Werbung ist schmal. Ich will versuchen, ein paar Tipps aus meiner Berufsmottenkiste hochzuholen (und zu schauen, ob ich mich selbst daran halte).

Die PR gibt es nicht.
Jedes Buch, jeder Autor, jedes Zielpublikum ist anders. Die gute alte Gießkannen-PR mag bei Presseaussendungen noch halbwegs funktionieren. Im zunehmend fragmentierten Markt werden individuelle PR-Strategien immer wichtiger. Das braucht wo-manpower, das braucht viel Zeit und macht viel Arbeit. Zwei Dinge muss ich dafür ganz genau kennen: Mein Thema - und die Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse meines Publikums. Letzteres lernt man nicht durch Werben kennen, sondern durch Zuhören / Hinlesen.

PR heißt Public Relations
PR ist keine Werbung. Es ist der Aufbau öffentlicher Beziehungen, es ist Kommunikation und Information. Wonach könnte mein Leser / Kunde suchen, was könnte er brauchen, wo kann ich ihm helfen? Welchen Nutzen hat er von der Sache? Als PR-Mensch bin ich nicht billiger Marktschreier, sondern Dienstleister.

Die Minimalausstattung
Früher war das beim Buchautor die zur Marke (Verlag / Buch / Autor) passend gestaltete Pressemappe mit Autorenbiografie, Veröffentlichungsliste / Auszeichnungen / besonderen Erfolgen, Pressestimmen zu älteren Büchern und vielleicht dem neuen, einem technischen Blatt zum Buch und dem Pressetext zur Neuerscheinung in unterschiedlichen Längen - optional Bestellformulare und Autorenfoto plus Rezensionsexemplar. Diese Mappe bekommt nicht nur die Presse, sie ist auch Darstellungsmittel vor Buchhändlern und Veranstaltern. Abgesehen davon, dass man heute noch in vielen Situationen "körperliches" Material braucht, hat sich die Verbreitung solcher Informationen ins Internet verlagert.

Minimalstandard sollte sein:
Eine seriös und professionell anmutende Autorenwebsite ohne Werbeschaltungen Dritter und darauf:
  • Autorenbiografie: Kurz, knapp, die Befähigung herausstellend, eine interessante Person zeigend. Tödlich: Ellenlange Erzählungen vom ersten Schreibkrampf mit fünf Jahren über Schmusegedichte in der Schule bis zur Hochzeitszeitung von Tante Erna. Das interessiert außer Tante Erna niemanden und ist ein Standard-Kennzeichen von Nicht-Profis.
  • Autorenfoto: Nicht am falschen Ende sparen - je professioneller gemacht, desto besser. Es darf zum Thema eines Buchs inszeniert sein - ein Trashautor darf trashig aufgemacht sein. Aber private Partybilder beim Fachautor oder eine Großaufnahme der nackten Füße eines politischen Sachbuchautors haben auf einer seriösen Berufs-Website nichts zu suchen. Presseservice: Ein oder mehrere Fotos in ausreichender Größe und Auflösung zum Download anbieten. (Das erspart so manches schlampig oder unvorteilhaft geknipste Bild in der Zeitung oder anderswo im Internet!)
  • Pressestimmen zu Büchern, Auftritten etc. Autoren sollten in Sachen Urheberrecht mit gutem Beispiel voran gehen und nicht ungefragt ganze Artikel auf ihre Seite stellen. Ein, zwei knackige Sätze, mit Quellenangabe zitiert, lesen sich auch fürs Publikum viel besser!
  • Die eigenen Bücher in Übersicht. Wer zusätzliche Verkäufe / Einkünfte generieren möchte, kann zusätzlich dazu einen Partnershop mit Onlinehändlern aufmachen und die Bücher so verlinken. Sollten Bücher nicht über den Buchhandel beziehbar sein, will der Kunde knapp und einfach verständlich erfahren, wie er zum Buch kommt. Eine Neuerscheinung oder ein wichtiges Buch dürfen gern zusätzlich eine eigene Informationsseite bekommen!
  • Pressetexte zum Download: Buchrückentext und Klappentexte und womöglich ein eigener Pressetext. Hier sollte man nicht am falschen Ende sparen - je perfekter er den Gepflogenheiten und Wünschen der Medien entgegenkommt, desto größer sind die Abdruckchancen. Solche Texte braucht man auch an anderen Stellen, z.B. für Veranstalter, die die Presse bedienen wollen. Als Self Publisher sollte man sich nichts vormachen: Große Zeitungen und das Feuilleton sind an Self Publishing Büchern allenfalls interessiert, wenn sie Millionen einbringen. Hier muss man Alternativen suchen.
  • Kontaktmöglichkeiten. Wer lange nach Kontaktmöglichkeiten zum Autor suchen muss, lässt den Kontakt lieber sein. Neben der Email sollten prominent und einfachst zugänglich alle Social Media Aktivitäten gelistet sein. Es ist sträflich, wie viele Autoren bei Facebook und Twitter sind und weder auf der Website noch im Blog einen permanent sichtbaren Link dorthin zeigen.
  • Leseproben, Leseproben, Leseproben. Manche Verlage mögen es sich ja noch (!) leisten können, mit Leseproben zu geizen. Aber je größer die Chance ist, dass ein Buch nicht im Stapel an der Kasse oder auf dem Bestsellertisch liegt, desto eher muss ich es sichtbar machen. Viele Menschen wollen in ein Buch hineinlesen, ob ihnen der Stil oder das Thema gefällt. Vor allem aber beim Self Publishing ist die Leseprobe das einzige Mittel, um zu zeigen, was man wirklich kann. Ein Buchtext überzeugt mehr als tausend Werbeworte. Zehn Seiten ist das absolute Minimum (die sind durch Titelei und Impressum schnell vertan), ab 20 Seiten ist besser. Auch wenn manche Leute nur zwei Seiten lesen, ist das Angebot einer längeren Leseprobe eine Service - man kann sich ein Bild nicht nur vom Anfang machen. Kollegendiskussionen, ob man das mag oder nicht mag, ganz schnell vergessen! Leseproben sind ein Dienst an den Lesern - wer sie dumm findet, muss sie nicht anklicken.
Auftreten in Social Media

Lesernutzen statt Eigennutz! Wenn jeder dritte Tweet den eigenen potentiellen Bestseller lobt und jeder zweite den Link in den Onlineshop bringt, dann ist schnell klar: Das ist ein Möchtegern, ein billiger Jakob. Auf solche Leute fahren selbst maschinelle Followerblocker ab. Gleichermaßen eine Unsitte, die den Geruch des "der hat's aber nötig" hat: Bei Facebook Freundschaftsanfragen ohne Nachricht stellen, nur um im Stream des vielleicht Bekannteren aufzutauchen, in Gruppen mit Eigenwerbung hereinplatzen, ohne sich vorzustellen oder an der Diskussion zu beteiligen, Freunde und Kontakte ständig mit Werbenachrichten zu belästigen.
Ungern gesehen: Menschen, die nur "abgreifen", Leistungen oder Hilfestellungen von anderen suchen, ohne selbst etwas zu bieten.
Eigentlich ist es ganz einfach: Erfolgreich bewegt man sich in Social Media, indem man etwas zu geben hat und sich authentisch als Mensch zeigt.

Storytelling: Menschen lesen Bücher, weil sie das mögen. Menschen werden aber auch durch Storys aufmerksam auf Bücher oder Autoren. Anstatt sich den Mund darüber fusslig zu reden, warum die Großzehenmassage mit der Vibrationsmeditation aus dem eigenen Ratgeber so weltweit einzigartig und irre doll verjüngend ist, könnte ich eine Vibrations-App verschenken oder einen Blogartikel schreiben, wie man den großen Zeh auf dem Fernsehsessel lustig bekommt. Anstatt großspurig zu tönen, dass man den abgefahrensten Castrop-Rauxel-Krimi verfasst hat, könnte man Bilder von den Handlungsorten teilen, Anekdoten von der Recherche erzählen oder spannende Stories über Castrop-Rauxel.

Sich interessieren. Bevor man in Netzwerken loslegt, sollte man sich für seine Mitmenschen interessieren. Für das, was sie mögen oder nicht mögen, ihre Arbeit, ihre Ideen. Am Anfang steht das Zuhören / Hinlesen. Autoren können von ihrem Publikum durchaus lernen - indem sie es kennenlernen.

Social Media Diät. Klappern gehört zum Handwerk. Aber irgendwann bewegen sich manche Autoren in so vielen Netzwerken, dass sich die Leute fragen: Wann schreiben die eigentlich ihre Bücher? Gewiss hat jedes Netzwerk seine eigenen Vorteile und manche braucht man alleine vom Hauptberuf her. Aber weniger ist mehr. Es geht nicht um Quantitäten: Kontakte wollen gepflegt und betreut werden. Einen wunderbaren Artikel hat dazu Sabine Kanzler geschrieben.
Darüber sollte man die Kontakte im echten Leben nicht vernachlässigen. Selbst mit lokal begrenzten Auftritten macht man sich schneller einen Namen als durch tägliche Facebook-Arbeit.

PR statt Werbung. Leserinnen und Leser wollen Informationen, Geschichten, Wissenswertes, Hilfreiches, Nützliches, Unterhaltsames und vieles mehr - statt offener Werbung. Vor allem aber wollen sie ernst genommen werden.

Und vielleicht verzeihen sie es einer Autorin dann auch, wenn die im Glücksrausch und Neuerscheinungsüberschwang drei Tage lang von nichts anderem schwärmt als von ihrem ollen, langweiligen abseitigen Nischenschinken, auf den die Welt nun wirklich nicht gewartet hat? ;-)

PS: Ich habe mich natürlich an der eigenen Nase gezogen und die Kontaktmöglichkeiten in Sachen Social Media prominent auf meiner Website gelistet. 

Backlink: Lautsprecher und Leser

6 Kommentare:

  1. Gesine von Prittwitz, aka @pundp16/7/11 17:47

    gut gebrüllt oder besser, fein gekräht, Mme. Der Beitrag könnte glatt von mir sein :)

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  2. Danke für diesen Beitrag! Ist auch für mich interessant und hilfreich.

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  3. @Lebenskünstlerin Danke für den Kommentar mit Link - habe gerade Spannendes über Tanz und Schauspiel gelernt!

    @Gesine Ich hatte auch das ganz komische Gefühl, als würde mir etwas die Sätze diktieren ;-)

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  4. Wieder ein wunderbarer Beitrag. Ich werde es mir selbst hinter die Ohren schreiben, auch wenn ich noch am davor bin und einen Verlag suche :-)

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  5. Na, der Verlag muss dann aber auch sein Teilchen dazu beitragen... ;-)

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  6. Damit die Backlinks in meinem Blog endlich erfasst werden, bedarf es einer komplizierteren Operation an der Programmierung, drum hier einfach per Hand - "Name" anklicken!
    PvC

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