Wenn Offliner bloggen

In gewissen technikaffinen Kreisen begegnet man sogenannten "Offlinern" oft mit Spott oder sogar Häme, nennt sie "Ausdrucker", nimmt Menschen ohne Internet teilweise gar nicht mehr ernst. Leute, denen solche Witze allzu locker sitzen, bedenken dabei nicht, dass sich der Großteil unseres Lebens auf der Erde tatsächlich ohne Internetverbindung abspielt. Weltweit sind weder Computerbesitz noch ein Zugang ins Web selbstverständlich, Wissenschaftler sprechen bereits von einem gefährlichen Auseinanderdriften zwischen "Informierten" und solchen ohne Zugang.

Und natürlich gibt es jede Menge Hilfsprojekte, die dafür sorgen wollen, dass das nicht so bleibt. Ich selbst kenne einen Mann Ende Sechzig, der sich nach der Rente einen Computer gekauft hat und sich alles selbst beibrachte, um daheim nicht zu versauern, wenn der Job weg ist. Inzwischen kennt er sich derart gut aus - bis hin zur Hardware - dass er ehrenamtlich älteren Menschen Computer nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen zusammenbaut und sie in Sachen Internet unterrichtet. Einer seiner besten Schüler, 85 Jahre alt, ist nach einem Leben ohne Computer begeisterter Chatter und mehrfaches Forenmitglied geworden. Er findet so Anschluss und Kommunikation, auch wenn ihn eine Krankheit weniger mobil machen sollte. Viele Menschen würden das mit dem Internet ja versuchen, wenn man ihnen bei den technischen Voraussetzungen hilft, wenn man sie nach ihren eigenen Bedürfnissen und Fragen schult - und wenn man ihnen zeigt, was es fürs eigene Leben bringen könnte. Kurzum: Wenn man sie ernst nimmt.

Vor einiger Zeit bin ich auf ein Projekt gestoßen, das sich an dieser Schnittstelle bewegt und sogar so weit geht, reinen Offlinern das Bloggen zu ermöglichen. Die Rede ist von den "Blogpatenschaften".
Dahinter verbirgt sich ein Netzwerk, das zwei Dinge erreichen will: Ökosozialen Themen mehr Gewicht im Internet geben - und Offlinern oder weniger versierten Menschen einen Platz in den Social Media schaffen. Hier können sich die Offliner oder Nichtblogger ausprobieren, sie bekommen nicht nur Ratschläge und Tipps, sondern sogar Schulungen - ehrenamtlich übrigens. Finanziert wird das Programm durch Spenden von Betreuungspaketen.

Und wie funktioniert das ganze? "Blogpaten" sind Menschen, die bereit sind, im öko-sozialen Themenbereich Gastautoren in ihrem Blog aufzunehmen - diese Blogs werden gelistet und jeder, der keinen eigenen Blog hat, darf sich beteiligen. Daneben gibt es ein eigenes "Über"-Blog für alle, die "Offene Plattform". Hier kommen Beiträge tatsächlich noch mit Schreibmaschine auf Papier und per Post zustande! Wer also wieder einmal meint, über "Offliner" lästern zu können, der sollte sich in Acht nehmen - sein Gegenüber ohne Computer könnte durchaus schon fleißig bloggen!
Für Vereine und NGOs gibt es eine eigene Plattform, auf der vor allem Pressemitteilungen und Termine gepostet werden können, um die Vernetzung untereinander und mit dem Zielpublikum zu stärken.
"Blogpatenschaften" verbreiten außerdem jeden Beitrag in den üblichen Social-Media-Kanälen.

Gefällt mir, die Aktion. Menschen, die offline leben, sind nämlich nicht blöder als die dauerpräsenten Social-Media-Quassler, im Gegenteil! Zu finden ist das Projekt neben der Website hier:
Social-Media:
Twitter @Blogpaten
Twitter @nischenThema
Twitter Liste der Blogpaten
Facebook nischenThema
Flickr: Fotostream von nischenThema
Slideshare: Projektbeschreibung
YouTube-Kanal: nischenThema

Damit es in den Kommentaren nicht untergeht - die wunderbare Aktion "One Laptop per Child" hat sich zum Ziel gesetzt, arme Kinder rund um den Erdball mit einem eigenen Laptop zu beschenken - um Bildung zu fördern. Findige Köpfe haben dazu einen kindgerechten, billigen, extrem Energie sparenden Laptop entwickelt, der jedes Klima aushält und eigene Lernsoftware bietet. Finanziert werden die Geräte durch Sepnden. Wie wäre es - bei jedem dummen Witz über Offliner ein Sümmchen in die Spendenbüchse?

7 Kommentare:

  1. Liebe Petra,

    ich schon wieder! Weil ich u.a. schon Anwenderschulungen gehalten habe und - privat wie beruflich - sehr viel Kontakt mit Offlinern habe, kann ich das alles nur bestätigen. Es gab auch das sehr lobenswerte Projekt Uwe (http://socialaction20.wordpress.com/aktion-uwe/) von Ole Seidenberg, bei dem ein Obdachloser zu Wort kam. Bemerkenswert auch das Projekt Hole in the Wall aus Indien (http://www.ted.com/talks/sugata_mitra_shows_how_kids_teach_themselves.html), das zeigt, wie schnell Kinder die Internetnutzung auch ohne Schulungen lernen. Die Informationslücke zwischen On- und Offlinern sollten wir im Auge behalten. Ich schmunzele zwar auch gern mal über Offliner-Witze, aber was wirklich benötigt wird, sind mehr vermittelnde, brückenbauende Projekte - und Menschen.

    LG, Simona

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  2. Liebe Simona,
    das ist ja fantastisch - danke für die Hinweise!
    Witze können ja auch etwas Nettes sein, mich regt mehr die Arroganz mancher Social Media Gurus auf, die andere glauben machen wollen, außerhalb ihrer Sphäre sei Leben nicht mehr möglich. Die sind dann leider auch derart zu Fachidioten geworden, dass sie andere gar nicht mehr fürs Internet begeistern können.

    Ich sehe es an diesem 85jährigen, der ist schier verzweifelt, wenn er in den Computerladen ging und irgendein Schnösel ihm den neuesten Giga-Schnickschnack aufschwatzen wollte, ohne überhaupt erst mal dem Kunden zuzuhören, was dieser wollte. Der Mann, der ihm half, kannte die Bedürfnisse der Altersgruppe besser und stellte erst mal Fragen - daraus entstand der individuelle Computer, der viel billiger war als das Zeug, das sie ihm hatten aufschwatzen wollen. Außerdem macht der den Unterricht in Kleinstgruppen, wo sich die älteren Menschen wieder gegenseitig kennenlernen können.

    Mir fällt noch ein Projekt ein, das ARTE zeigte, leider weiß ich den Namen nicht mehr. Ein ganz hohes Tier aus irgendeinem Computerkonzern kam auf die Idee, dass es nicht teuer sein darf, Kinder weltweit mit internetfähigen Computern zu beschenken. Der entwickelte einen solarbetriebenen Billigcomputer in Quietschefarben mit vereinfachten Programmen, die sogar hoch auf den Anden noch funktionieren, ohne Strom. Das Projekt wird aus Spenden finanziert. Falls das mal jemand ausfindig macht...

    Schöne Grüße,
    Petra

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  3. Ich hab die Aktion doch tatsächlich gefunden:
    "One Laptop per child"
    http://one.laptop.org/
    Da kann man nachlesen, wie's genau funktioniert und mitmachen.

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  4. Hallo Petra,

    Wow, das finde ich eine tolle Aktion. Vielen Dank für den Hinweis!
    Ich werde mich gleich mal schlau machen (als Blogpate) auf der verlinkten Seite.

    Gruss Dani

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  5. Ich suche für "Offliner" KünstlerInnen (akademisch ausgebildet) moderne, zeitgenössische Arbeiten der Malerei, Poesie, Prosa und Lyrik schaffend, solche Möglichkeiten. Welche spezifische Plattform oder sonstige Lösung kommt einem da in den Sinn? Ich lebe zu weit weg, sonst könnte ich ja so etwas hosten.
    Schöne Grüße, Frank

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  6. Speziell für den Kunstbereich weiß ich leider nichts - vielleicht wird Google oder ein Leser hier fündig? In Sachen Prosa und Lyrik gibt es eine Fülle, allerdings für Onliner - "Autoren + Foren" oder "Autoren + Plattformen" oder Lyrik etc. googeln! Viele Literaturzeitschriften sind online.

    Das Problem ist ja der riesige Aufwand, dass bei echten Offlinern jemand die Texte erst einmal erfassen muss. Noch vor aller Betreuung - das kann einer gar nicht alleine leisten. Man könnte aber einen Verein gründen, der so etwas macht - und der muss ja nicht vor Ort sein, auch die gute alte Post ist grenzenlos.

    Ganz ehrlich - wenn man heutzutage etwas an die Öffentlichkeit bringen will, geht es ohne Internet nicht mehr. Nach den neuesten Studien sind 2/3 aller Deutschen online. Einfachst-Computer sind billig auch gebraucht zu haben, ein Blog ließe sich sogar vom Internet-Café aus betreiben, Kurse gibt es überall oder man lässt sich von Freunden das Nötige zeigen. Es würde schon reichen, eine kleine Visitenkarte im Web zu haben und bloggen muss man auch nicht täglich.

    Ich fände es also viel sinnvoller, die Offliner vom Ausprobieren des Internet zu überzeugen und ihnen vielleicht da Hilfestellungen zu geben.
    Schöne Grüße,
    Petra

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  7. Es ist ja eigentlich zu offensichtlich. Deshalb habe ich diese Möglichkeit wohl nicht bedacht. Den Vorschlag "Offliner" beispielsweise an ein Internet Café zu verweisen finde ich recht brauchbar, denn diese Zugänge zum Internet sind sehr verbreitet und ich werde das in Zukunft so handhaben. Freilich gibt es auch da Untiefen und Riffe bezüglich Sicherheit, wodurch so ein Projekt auflaufen oder "versinken" kann. Also PC-Laie zu sein kann man sich, auch als "Offliner", in keinem Fall leisten, wenn man über das Internet etwa Beiträge unter sein Publikum bringen möchte. Nun sehe ich, deshalb, dass es völlig unverzichtbar ist, auch für "Offliner", zuerst einmal zu wissen oder gründlichst herauszufinden, was man am PC tut und was einem daraus, in Punkto Sicherheitsrisiken, an Schaden entstehen kann. Erst dann sollte die Frage aufkommen, wie und wo man das am besten tun kann. Man wird dann wohl eher den nächsten Schritt machen und ein sicheres Vorgehen in den Vordergrund stellen. Dass hier einige Hürden zu überkommen sind wird Menschen die etwas zu sagen haben ermutigen, da es sich um überwindbare Hürden handelt.

    Schöne Grüße, Frank

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