Wie kommt ein Buch von A nach B?

Eigentlich sollte die Serie "Ich bastle ein Buch" hier zu Ende sein, denn "gebastelt" ist bereits. Vielleicht bietet aber der Rattenschwanz an Arbeit danach noch Wissenswertes. Heute beschäftigen wir uns mit der Frage: Wie bekommt man ein Buch aus der Druckerei zum Leser? Oder anders gesagt - wie funktioniert das eigentlich mit dem "Sortiment"?
Fachleute aus der Buchbranche mögen mir nachsehen, wenn ich jetzt rede wie in der Sendung mit der Maus. Ich bin blutige Laiin in kaufmännischen Dingen und fühlte mich bei der ersten kurzen Einführung in die Geheimnisse des Buchhandels, als würden meine Ohren zu Gemüse. Im Prinzip ist manches immer noch ein Buch mit sieben Siegeln für mich - so mögen sich meine Leserinnen und Leser bitte nicht zurückhalten, mich zu verbessern und zu ergänzen! Und wer es ganz genau wissen will, der lese besser bei Wikipedia nach.

Ein Buch will verkauft werden - wie kommt es von A nach B?

Die glückliche Autorin ist nun also Besitzerin eines fertigen Buchs. Das ist im Grund genauso, als hätte sie einen fetten Fisch an der Angel, den sie nicht alleine essen mag. Zumal es sich um einen ganzen Fischschwarm handelt: So viele Exemplare könnten von anderen Menschen verspeist werden! Und wenn man die fetten Fische an diese Menschen verkauft, kommt Geld für den nächsten Angelschein oder den Urlaub am Strand in die Kasse.

Kleine Fische

Die Autorin kann zunächst so viele Fische wie nur möglich in einen Korb packen und sich damit auf den Wochenmarkt setzen. Das nennt man Direktvertrieb über die Autorin. Manche machen das ziemlich schwarz und heimlich in seltsamen Spelunken und auf wilden Märkten, früher verkaufte man Bücher gegen die Zensur sogar aus dem Mantel heraus. Aber eigentlich braucht man vorher gewisse Genehmigungen: manchmal einen Gewerbeschein, manchmal auch nur einen Kontakt zum Finanzamt - je nach Lage. Und dann geht das große Verdienen los: Weil die Autorin ihre Fische selbst abschuppt, ausnimmt und in eigene Zeitung wickelt, verdient kein anderer Händler an ihrem Fisch. Sie steckt den Löwenanteil selbst ein. Allerdings darf sie sich auch selbst mit der Buchhaltung, der Logistik, der Rechnungsstellung, schadhaften Büchern und den unzufriedenen und reklamierenden Kunden herumschlagen. Ist es das wert?

Eine andere Form des Direktvertriebs nimmt ihr das Unangenehme ab: der Direktvertrieb über den Verlag. Das bringt zwar nur Tantiemen ein, hat aber den Vorteil, dass weder die Autorenfinger nach Fisch stinken noch irgendein Aufwand von Seiten der Autorin zu betreiben ist. Jemand kümmert sich um alles. Jemand, der das auch kann. Und weil beim Direktvertrieb über den Verlag keine anderen Marktschreier am Fisch mitverdienen, bringt dieses Verkaufen den Verlagen am meisten pro Buch ein. Das schlägt sich nicht nur im Erhalt der Verlage nieder, sondern auch daran, dass die Tantiemen der Autoren nicht von Branchenrabatten bedroht werden.

Dumm nur, dass die Fischesser heutzutage nicht unbedingt extra auf den Wochenmarkt gehen. Vielen ist es zu umständlich, von Stand zu Stand zu flanieren und den Hering von drei Marktweiblein zu vergleichen. Sie kaufen lieber zentral in der Markthalle, genannt Buchhandlung - oder per Kreditkarte im Internet, genannt Online-Buchhandel. Theoretisch könnte der Buchhandel ebenfalls direkt bei den Verlagen bestellen. Dann würde der Verlag auch direkt seine Konditionen mitteilen und einen Rabatt gewähren. Der muss durch vermehrten Fischumsatz natürlich wieder verdient werden. Sonst ist irgendwann der Verlag pleite oder die Tantiemen für die Autoren sinken. Das Geschäft lohnt sich jedoch: Der Buchhandel erreicht nämlich meist sehr viel mehr Fischesser als Verlag und Autor zusammen.

Mittelgroße Fische

Doch leider gibt es da ein Tier, das einem den Hering gehörig versalzt: den Amtschimmel. Je mehr Leute sich nämlich geschäftlich um so einen Fisch scharen, desto mehr Papierkram will erledigt werden und desto komplizierter wird es, jedes einzelne Filet frisch und schnell an die Genießer zu bringen. Ein Einzelner kann das gar nicht stemmen. Und Arbeitskräfte, die per Hand Hering in Zeitung wickeln, sind teuer. Gar nicht zu reden von all den Fallen und Fußangeln, die bei solchen Geschäften auf einen lauern. Es tauchen nun also ein paar großgewachsene Herren in dunklen Umhängen auf diesem Markt auf, die einem für einen gewissen Obolus versprechen, die Dreckarbeit zu übernehmen. Sie treiben sogar das Geld ein. Diese Herren nennt man Barsortimenter oder Zwischenbuchhandel. Die einen sehen darin eine seriöse und unverzichtbare Dienstleistung, die anderen monieren die steigenden Verdienstspannen für das bißchen Schutz.

Tatsächlich ist es so, dass der Zwischenbuchhandel in Sachen Fischaufzucht und Angelei absolut nichts geleistet hat und weder den angelnden Autor noch den Esser am Teller direkt beglückt. Der Zwischenbuchhandel wechselt sozusagen nur das Zeitungspapier um den dadurch nicht frischer werdenden Fisch und hält die Filets auf Lager. Seine Amtshandlung ist der Papierkram, die Logistik und die Verteilung in Markthallen und zu den ganz riesigen Kunden bis hin zu den Fischketten und Fischhandelsgiganten. Und weil sich ein riesiges Geschäft nur lohnt, wenn es riesig bleibt, fallen dabei schon mal schlechter laufende Bücher oder kleine unabhängige Buchhandlungen unter den Tisch. Die einkaufenden Riesen wollen natürlich noch riesiger werden und verlangen für ihre Großmütigkeit von den Verlagen riesige Rabatte und viele viele Fischkonserven..

Riesenfische

Pro Fisch sollen das bis zu 55% Rabatt sein und einmal soll ein Verlag sogar gebeten worden sein, die Rolltreppe von so einem Großmannsfischvertrieb zu finanzieren, um aufgenommen zu werden. Auch Regalplatzierungen und Stapelpositionen dürfen bezahlt werden. 55% vom Nettopreis eines Buchs plus Kleinkram wie Rolltreppen wollen jedoch erst einmal von den Verlagen erwirtschaftet werden! Vielleicht kann man an den Autoren sparen ... Das riesige Riesengeschäft will man sich schließlich nicht verscherzen, es könnte ja funktionieren?

Den Fischessern ist es schließlich egal, Hauptsache, der Fisch kommt frisch und schnell auf den Tisch, am liebsten über Nacht, egal, wie viele Leute unterwegs Schuppen lassen müssen. Die Buchpreise würde man am liebsten noch mehr drücken, ist einem doch egal, was andere abdrücken müssen, schließlich beißt so ein Fisch doch fast automatisch an und es gibt doch so viele im Meer - oder etwa nicht? Nur kein Gang zu viel, nur keine Arbeit! Die dunklen Herren mit ihren Schlapphüten werden's schon (an)richten. Dabei könnte man sogar fischartgerecht einkaufen: Im Direktvertrieb oder in der unabhängigen Buchhandlung.

Die ungeduldigen Fischesser

Märchen beiseite. Die Hintergründe sind vor allem für Selbstpublisher interessant. Weil Fischesser meist faul oder nicht bewusst einkaufen, läuft Direktvertrieb alleine hierzulande allenfalls bei Berühmtheiten wie Mrs Rowling oder bei raren Sammlerwerten. Das Buch muss also ins Barsortiment und das bietet nicht jeder Hersteller gleichermaßen breit an - und mancher lässt sich die Meldung auch extra bezahlen.
Schlagworte sind Libri, Buchkatalog, KNV oder kleinere wie Umbreit & Co. Hier wird es richtig kompliziert: Die eine Buchhandlung bestellt z.B. nur über Libri, die andere mag lieber den Buchkatalog. Bevor man erforscht, welche wie tickt, ist man am besten bei beiden vertreten. Und bei den anderen auch. Natürlich muss das Buch dann auch den entsprechenden Umsatz bringen, sonst wird es von manchen wieder ausgemustert! Da helfen auch ein paar Extraexemplare auf Lager nichts.

Und wenn ein Buch nachweislich existiert und die Buchhandlung behauptet, es sei nicht bestellbar? Dann sollten Fischesser nachhaken und darauf bestehen. Denn entweder hat die Buchhandlung im falschen Sortiment nachgeschaut, in dem es noch nicht angekommen ist - oder die Verkäuferin ist zu faul - oder das Buch ist womöglich wirklich nur per Direktvertrieb zu haben und darum unattraktiv, weil mit Arbeit verbunden, oder der Autor / Verlag / Hersteller hat an der falschen Stelle gespart, nämlich an der ISBN und der Anmeldung.

Ein wahrer Sonderfall - nicht nur an Rabatthöhe - ist das allerorts hochgejubelte Amazon. Für manche Fischesser existiert man als Autor scheinbar nur, wenn man dort gelistet ist. Das geht aber gar nicht so schnell wie woanders! Und gar nicht so einfach. Wer je versucht hat, einen Katalogfehler zu berichtigen, wird wissen, wovon ich rede.

Beispiel "Faszination Nijinsky":
Und warum kann man es bei Amazon selbst noch nicht kaufen?
Dort muss der Verlag nach Schaltung und Aufnahme durch Amazon erst einmal seine Bücher manuell freischalten, was heute erfolgt ist. Und selbst die Aufnahme des Buchs in der Author's Central schlägt mit mindestens fünf Werktagen Wartezeit zu Buche. Und dann muss Amazon seine Exemplare zuerst einmal von seinen eigenen Sortimentern bekommen. Die wiederum sind diejenigen, die länger als Libri brauchen. Und erst dann, erst wenn es im Lager liegt, ist das Buch für Amazon vorhanden - obwohl man es längst woanders kaufen kann. Etwa beim Verlag (ebenfalls versandkostenfrei) oder beim freundlichen Buchhändler.

Nein, der Onlinebuchhandel ist nicht schneller als der stationäre Buchhandel.
Und der Spaß, ein längst vom Verlag ordentlich ans Sortiment geschicktes Cover ordnungsgemäß in die Buchankündigung zu bekommen, ist wieder ein anderes Kapitel...
Übrigens noch ein Tipp: Mit steigender Lagerhaltung und Vorrätigkeit bei den Barsortimenten sinken auch die Lieferzeiten. So ist das eben, wenn ein klitzkleiner Fisch durch ganz viele Hände gehen muss, anstatt direkt am Hafen eingekauft zu werden.

PS: Ich bedanke mich bei meinem Idol Fjodor für die Inspiration in Sachen Metapher.

2 Kommentare:

  1. Gott sei Dank fängt so ein Buch nicht nach drei Tagen zu stinken an....!

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  2. Warst du mal in einer Entsorgungsfabrik, wenn verramschte Bücher geschreddert werden? ;-)

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