Sauberer Schnitt

Eben habe ich mich köstlich in Zoe Becks Blog über ihre Nachbarn amüsiert. Vor allem über die Dame mit dem bunten Bus und den Bongotrommeln. Ich habe den Eindruck, der Frau gestern begegnet zu sein. Zwar fuhr die meine irgendeine schnittige CO2-Schleuder, aber Habitus und Erleuchtungsgrad stimmen in etwa.

Ich muss dazu sagen, dass ich am Sonntag leider meinen Handballen mit einer Kartoffel verwechselt habe. Das Gemüsemesser war eins von der ultrascharfen Sorte, die man lebenslänglich nie nachschärfen muss. Also ein wenig "Urgences" gespielt. Das ist diese Erfolgsserie, die auf Amerikanisch so ähnlich heißen muss, und in der vor laufendem Abendessen Doktorspiele mit Patienten und Krankenschwestern die Zuschauer ergötzen.

Für mich war es die erste Begegnung mit einem französischen Krankenhaus, mit einer Notaufnahme außerdem. Schon komisch, dass sich plötzlich gleich drei Krankenschwestern um mich tummelten und mich umtuddelten. Die eine rückte die Kompressen zurecht, die andere klopfte mir das Tuch auf der Liege auf, die Dritte tröstete mich liebevoll. Bis ich begriff, dass es nicht an mir lag. Der junge türkische Arzt schien dem Casting der gleichnamigen Serie entsprungen, bildhübsch, nicht von der Krankenhausbettkante zu stoßen. Er musste sie wie Hühner zur Tür hinausscheuchen, um mir in Ruhe eine echt französische Haute-Couture-Naht zu vermachen. Schade, dass der schicke Faden wieder gezogen werden muss.

Jetzt habe ich den Faden verloren. Frauen ... ach ja Frauen. Frau in meinem Zustand, einhändig auf der einen, mit riesigem weißen Bollen statt Hand auf der anderen Seite, erregt natürlich diverses Mitleid. Und unwahrscheinlich schlaue Sprüche. Sei froh, du darfst nicht abwaschen. Sei froh, dass du die Sehnen nicht gekappt hast oder verblutet bist. Sei froh, kannste dich krankschreiben lassen. Mein Opa hat sich umgebracht, als er nur noch eine Hand benutzen konnte. Du hast ja ein Spracherkennungsprogramm.
Alles zu ertragen. Alles irgendwie logisch, weil diejenigen, die finden, ich könne froh sein, selbst froher sind, dass es sie nicht getroffen hat.

Aber dann traf ich diese Frau, die auch Zoe Beck kennen könnte. Statt Yoga sind es bei ihr irgendwelche garantiert drogenfreien Selbsterfahrungstrips, ohne Koffein, ohne Teein und ohne Tierversuche. Einmal die Woche trifft sie sich mit anderen Frauen zu irgendwelchen Omm-Kreisen, bei denen auch heftig viel Geld kursiert, weil Geld, das heftig kreist, viel viel neues Geld gebärt. Ich nenne die Dame im lila Businesskaftan heimlich Omm-Emma.

Omm-Emma also will mir verkaufen, dass ich mich absichtlich geschnitten habe. Und dass dieser Schnitt einen karmischen Sinn habe, mich sozusagen seit meiner vorletzten Reinkarnation unsichtbar begleitet hat und hinter jeder Kartoffel lauerte, bis er zustechen konnte. Ich sollte ein glückliches Omm singen, dass ich so tief geschnitten hätte, dass man hätte nähen müssen. In jener Tiefe lägen sozusagen meine Chancen oder so ähnlich. Jede Wunde wolle uns etwas sagen.

Meine brachte mich bis gestern eher zum Brüllen. Gehört habe ich nur ein dumpfes Wummern. Omm-Emma übersetzte also, dass ich insgeheim einfach eine Auszeit gesucht hätte. Ich hätte nicht gewagt, Urlaub zu nehmen, meinen Auftraggebern ein mutiges "Stopp" entgegen zu singen (Oberton), ich hätte einfach nicht auf meine Kräfte geachtet, die sich darum mit meiner Aura zusammen in die Karibik aufgemacht hätten.

Das kann sogar ich mir ausrechnen, was passiert, wenn meine Kräfte am Karibikstrand in leuchtender Aura bräunen. Das gibt Sonnenbrand und Kräftehautkrebs. Und dann sieht man bei runzligen Kartoffeln schon mal rot. Ich jedenfalls sah bei Omm-Emma ein zweites Mal rot. Wo kommen wir hin, wenn jeder Freiberufler sich erst verletzen muss, um wie ein glückliches Huhn frei laufen zu können? Schneide ich mir für einen vierwöchigen Urlaub ein Bein ab? Nehme ich mir mal schnell einen kleineren Krebs, um endlich den Mut aufzubringen, ins Schwimmbad zu gehen (was ich ständig verschiebe)? Was ist das für eine menschenverachtende Sinnhaftigkeitstheorie von Krankheit und Unfällen?

Zoe Becks Yoga-Bongo-Mutter bringt mich auf eine höchst karmische Idee. Ich schicke ihr Omm-Emma vorbei. Und wenn sie dann alle zusammen bis zur Erschöpfung trommeln, spendiere ich kalt lächelnd dauerschneidende Gemüsemesser. Man muss dem Karma schließlich zu einem sauberen Schnitt verhelfen.

PS: Die Autorin hört derweil auf ihren charmanten Arzt:
1. Auf keinen Fall Geschirr spülen!
2. Essen Sie lieber Reis oder Nudeln, an denen verletzt man sich nicht so leicht.
Und siehe da, man kann auch einhändig Bewerbungsunterlagen fertigtippen. Karma, alles Karma: Auszeit im Haushalt, gewusst wo.

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