Die Wirklichkeit biegen
Schriftsteller können Wirklichkeit verbiegen. Nein, nicht nur im Buch, nicht nur in der Fiktion. Am Samstag war so ein Tag. Buchstäblich in letzter Minute habe ich dem Nijinsky-Manuskript, das eigentlich längst fertig ist (und nun auch die Korrekturen hinter sich hat), einen neuen Schluss verpasst. Ist ja auch nicht einfach, ein Buch enden zu lassen, das einer tiefen Tragik der Realität folgt, wo doch angeblich alle Leute Happy Ends und Liebesschnulz lesen wollen. Also habe ich es mir vorsätzlich noch ein wenig mit "allen Leuten" verscherzt. Nijinsky ist tatsächlich 1950 gestorben, da gibt's keinen Ausweg. (Keine Angst, ich habe natürlich nicht ellenlang von der Beerdigung erzählt.)
Nach so viel Tod und Gänsehaut und Pathos braucht man als Autor hartes Kontrastprogramm zum Auftauchen. Fenster zu und Musik aufgedreht: "Perfect", polnischer Kultrock (schon zu kommunistischen Zeiten). Wenn ich das höre, sind die verrückten "Weißen Nächte" wieder im Kopf, die Zeit im Juni, wenn es in Warschau kaum noch dunkel wird, wenn die Sonne nachts um drei aufgeht und alle Wintergeplagten von einer Party in die andere schlittern. Damit man den ersten Frost Ende August vergisst, den Mond am nachmittäglichen Nachthimmel im Dezember. Genau das richtige nach Wahn und Tod.
Wie ich die Musik höre, komme ich drauf, dass ich mal Gedichte geschrieben habe. Nein, nicht das Teeniezeug, sondern viel härter: polnische Gedichte. Auf Polnisch. Und wie ich das alte, gut versteckte Heftchen hervorhole und schmökere, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Es gibt deutsche Textversuche von mir, die mir so unbekannt vorkommen. Auch mein Nijinsky-Hörbuch hat einen Tonfall, bei dem ich mich ständig frage, wo ich den nur her habe. Daher. Ich schreibe endlich auf Deutsch so, wie ich auf Polnisch fühle. Verrückt...
Ich brauchte dann etwas Grenzdebiles zum Entspannen. Fiel mir als erstes natürlich der Fernseher ein. Angeknipst, ARTE erwischt. Plötzlich redet einer von Nijinsky. Irgendein Theater spielte irgendetwas aus dem Leben von Nijinsky. Es war dieser 24-Stunden-Berlin-Klopper, den ich nicht weiter angeschaut habe. Kochte mir lieber ein Menu, las ein gutes Buch. Dann in der Nacht, zweiter Versuch. 3-Sat erwischt: "Der Tod in Venedig", Viscontis legendäre Verfilmung der Novelle von Thomas Mann. Nicht schon wieder, dachte ich. Kommt nämlich ganz dick im Nijinsky-Hörbuch vor, Kapitel 3.
Was soll man machen, nach so viel wunderschönem, ganz großen Sterben im Bett, an Stränden, auf der Bühne und der Leinwand? Genau: endlich den Roman schreiben, den ich seit Jahren immer wieder abtöten will und der mir ständig neu nachrennt, lebendiger als zuvor. Dass der in Polen spielen wird, kann doch nur Zufall sein, oder?
Nach so viel Tod und Gänsehaut und Pathos braucht man als Autor hartes Kontrastprogramm zum Auftauchen. Fenster zu und Musik aufgedreht: "Perfect", polnischer Kultrock (schon zu kommunistischen Zeiten). Wenn ich das höre, sind die verrückten "Weißen Nächte" wieder im Kopf, die Zeit im Juni, wenn es in Warschau kaum noch dunkel wird, wenn die Sonne nachts um drei aufgeht und alle Wintergeplagten von einer Party in die andere schlittern. Damit man den ersten Frost Ende August vergisst, den Mond am nachmittäglichen Nachthimmel im Dezember. Genau das richtige nach Wahn und Tod.
Wie ich die Musik höre, komme ich drauf, dass ich mal Gedichte geschrieben habe. Nein, nicht das Teeniezeug, sondern viel härter: polnische Gedichte. Auf Polnisch. Und wie ich das alte, gut versteckte Heftchen hervorhole und schmökere, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Es gibt deutsche Textversuche von mir, die mir so unbekannt vorkommen. Auch mein Nijinsky-Hörbuch hat einen Tonfall, bei dem ich mich ständig frage, wo ich den nur her habe. Daher. Ich schreibe endlich auf Deutsch so, wie ich auf Polnisch fühle. Verrückt...
Ich brauchte dann etwas Grenzdebiles zum Entspannen. Fiel mir als erstes natürlich der Fernseher ein. Angeknipst, ARTE erwischt. Plötzlich redet einer von Nijinsky. Irgendein Theater spielte irgendetwas aus dem Leben von Nijinsky. Es war dieser 24-Stunden-Berlin-Klopper, den ich nicht weiter angeschaut habe. Kochte mir lieber ein Menu, las ein gutes Buch. Dann in der Nacht, zweiter Versuch. 3-Sat erwischt: "Der Tod in Venedig", Viscontis legendäre Verfilmung der Novelle von Thomas Mann. Nicht schon wieder, dachte ich. Kommt nämlich ganz dick im Nijinsky-Hörbuch vor, Kapitel 3.
Was soll man machen, nach so viel wunderschönem, ganz großen Sterben im Bett, an Stränden, auf der Bühne und der Leinwand? Genau: endlich den Roman schreiben, den ich seit Jahren immer wieder abtöten will und der mir ständig neu nachrennt, lebendiger als zuvor. Dass der in Polen spielen wird, kann doch nur Zufall sein, oder?
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