Leben statt Urlaub

Als Freiberufler sollte man sich nie vornehmen, endlich einmal ein, zwei Wochen lang so zu tun, als täte man nichts. Es kommt immer anders und das ist eigentlich auch gut so. Am Wochenende will ich mir erstmals eine Liste schreiben, was ich im angeblichen Urlaubsmonat September der Reihe nach erledigen sollte.

Das Nijinsky-Manuskript ist fort, die Endfassung steht. Jetzt heißt es wie immer in einer Produktion: Warten auf Dritte. Das fängt beim Rechteeinholen ein und hört bei der Beschaffung von Fotos auf. Wer glaubt, Buchproduktionen seien ein langwieriges Geschäft, der irrt - eine französische Fotoagentur hat eine dringende Mail nach sage und schreibe zwei Monaten beantwortet.

Eigentlich hatte ich mir gemütliches Feiern und Faulenzen vorgenommen, um den typischen Autorenblues nach der Abgabe zu vermeiden, weil man sich dann plötzlich so nutzlos vorkommt. Stattdessen darf ich mich an einem wohl durchgeknallten Typ aus dem Dorf erfreuen, der mich bedroht hat - und wie ich erfuhr, seine Show offensichtlich nicht nur bei mir abzieht. Nun, ich wollte ja immer schon mal auf der Gendarmerie recherchieren, falls ich irgendwann einen Krimi schreiben sollte. Nur schade drum, dass solche Typen nie eindimensional genug handeln, sonst könnte man sie fürs Fernsehen verwursten.

Und nächste Woche steht dann außerdem ein neuer Brotjob an. Vor Jahren konnte man mit mehr als einem Buch pro Jahr noch fein als Autor leben, inzwischen empfiehlt sich rigoros der akut versterbende Erbonkel, der reiche Märchenprinz mit Ölfeldern oder Hotel Mama, falls man unter 60 ist. Ich war irgendwie zu allem zu blöd, jetzt schufte ich zweisprachig für Europa - und weil ich Dummerle nichts anderes gelernt habe, natürlich wieder in Sachen Text. Spannend wird es werden, absolutes Kontrastprogramm. Statt Alleingang in der Schriftstellerbude Teamwork mit Kreativen. Statt zaudernder Manuskripteinkäufer drängelnde Auftraggeber. Und die Themen sind der reine Spaß.

Genauso wenig, wie man sich als Freiberufler Urlaub nehmen sollte, sollte man niemals nie sagen (das war jetzt hoffentlich eine mindestens dreifache Verneinung). "Ich übersetz' das nicht, nein sowas kann ich nicht". Prompt habe ich auf meinem Schreibtisch einen Text, den ich zur Probe übersetzen soll. Dann wird geprüft, ob ich tauge. Gestern liefen mir die ersten sechs Seiten Rohübersetzung in die Tasten (das ist noch nicht das Endergebnis, sondern klingt wie Babelfish!) und ich stellte verblüfft fest, dass das viel mehr Spaß macht als Amtsfranzösisch in lesbares Deutsch zu bringen. Trotzdem nötigen mir Aufgabe und Umfang Respekt ab - ich werde mich anstrengen müssen und über mich hinauswachsen.

Falls es klappen sollte (drei mal auf Holz geklopft), kann ich im Winter am Schreibtisch sitzen und muss mich nicht bei Alli an der Kasse bewerben. Aber mit freien Tagen wird es wohl auch nichts. Am Monatsende darf ich mich nämlich außerdem auf verschiedenen Behörden einschließlich Künstlerberatung herumtreiben, um das Multitasking zu ordnen. Menschen, die gleichzeitig drei Berufe ausüben, sind auf dem platten Land noch nicht vorgesehen. Das regelt man dann in der Europahauptstadt. Dort leben all die anderen Künstler von der Hand in den Mund, von Alli an der Kasse, vom reichen Märchenpartner oder von drei Jobs. Tja, Kunst ist Reichtum, macht aber in den seltensten Fällen reich.

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