Ich heiße P. und gestern habe ich nur meinen Einkaufszettel geschrieben. Ich bin aber in der Recherche ganz arg weit gekommen und habe eine Liste für einen fehlenden Teil im Exposé angelegt, bevor es an der Tür geklingelt hat und die Nachbarin Gurken gebracht hat. Sie hat auch Tomaten. Morgen kann ich wieder nicht schreiben, weil ich auftreten muss, aber ich will ganz bald an meinen Roman, ganz sicher.
Mal ganz ehrlich: Interessiert Sie so etwas wirklich?
Kürzlich fragte mich jemand, warum ich hier eigentlich nie über meine Arbeit als Autorin plaudere. Ich sei ein zugeknöpfter Typ. Man erfahre nichts über meine Projekte, meinen Roman oder wie ich mit Cliffhangers umginge. Antwort auf die letzte Frage habe ich: gar nicht.
Und was das Plaudern betrifft - das verlernt man im Haifischbecken der Branche schnell. Wenn sich etwa bei Sachbüchern sogar Verlage, bei denen ein Projekt zur Bewerbung liegt, hemmungslos am fremden Exposé für den eigenen (meist billigeren) Hausautor bedienen, dann ist jedes Wörtchen schon zu viel. In der Öffentlichkeit ist es tödlich. Also hält man den Kreis der Mitwisser winzig, damit man wenigstens im Fall der Fälle weiß, wer es war. Nun kann man einen Roman zwar weniger leicht abkupfern, aber was ich schreibe, ist ein noch ungelegtes Ei. Ich bin tatsächlich nicht der Typ, der bei jeder und jedem mit Ultraschallfotos hausieren geht: "Guck mal, isser nich niedlich? Da unten, die dunkle Blase, das isser." Wäre doch peinlich, mit einem Zellhaufen anzugeben, der vielleicht einen plötzlichen Abgang erleidet! Erst wenn die Verlagsvorschauen gedruckt sind, rede ich über meine Romane - und finde, dieser Spannungseffekt hat was ... zumal jetzt, wo ich das Genre grundlegend wechsle.
Warum aber schreibst du nicht mal übers Schreiben selbst, wie man's macht und so - fragte mich dieser Mensch. Hmmm ... gute Frage. Vielleicht, weil ich selbst gar nicht weiß, wie man es macht? Weil ich einfach mache? Und weil ich sowieso jedem nur sagen würde: Vergiss all den Anleitungskram, die Gebrauchsanweisungen für verdammt gute Bücher, und entwickle dich stattdessen lieber erst mal selbst, individuell, querköpfig, frei, kreativ?
Oder weil ich so bin wie ein Metzger, der den ganzen Tag im Schlachthof steckt und abends nicht auch noch übers Zerteilen von Schweinen reden will? Der sich außerdem für eine ganze Menge anderes interessiert und nicht nur fürs Würstestopfen?
Vielleicht mache ich mir ja auch Notizen über interessante Probleme, die beim Schreiben auftauchen. In denen ich mit mir unerbittlich und gnadenlos umgehe. Aber sind die Zeiten öffentlicher Flagellationen nicht längst außer Mode?
Außerdem verstehe ich diesen Menschen nicht. Ich habe das Gefühl, ich redete hier viel zu viel über mich und mein Schreiben, zu dem bekanntlich mehr gehört als das Traktieren einer Tastatur.
Wer es trotzdem wissen will: Ich habe in den letzten Monaten ein feines Portfolio gefüllt mit marktreifen Sachbuchprojekten, die zwar unterschiedliche Themen haben, aber dem treu bleiben, was ich als "mein Ding" entdeckt habe und entwickle. Das "erzählende" Sachbuch. Angefangen hat das mit "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt", einem Reisebuch, das weitab von üblichen Touristenführern nicht nur romanhaft lesbar sein sollte, sondern auch mit allen Sinnen beim Lesen erfahrbar. Text, der im Lehnstuhl reisen und genießen lässt.
Bei meinem letzten Sachbuch "Das Buch der Rose" ging ich noch einen Schritt weiter: Wenn ein Sachbuch schon die Sinne reizen kann - wie wäre das, wenn man zu einem teilweise recht wissenschaftlichen Thema zwei ungewöhnliche Bereiche paaren würde: die Kunst und die Literatur?
Die beiden Bücher sind der Anfang eines Weges zu meinem Ideal: ein Sachbuch zu schreiben, das gelesen werden kann wie ein Roman, und trotzdem auf hohem Niveau unauffällig Wissen vermittelt. Das vielleicht auch noch beim Leser Faszination am Thema weckt, ihn neugierig macht, selbst weiter zu denken, weiter zu forschen. Mich interessieren dabei vor allem komplexe, am liebsten hochkomplizierte Themen. Das war schon in meiner ganz frühen Journalistenzeit ein Spezialgebiet von mir: völlig undurchschaubare Sujets so aufzubereiten, dass sie jeder verstehen kann, der bereit ist, den Gedankengängen zu folgen.
Ich erinnere mich an meinen ersten Zeitungsartikel in dieser Richtung. Ich sollte über ein bahnbrechendes Projekt künstlicher Intelligenz berichten, als die meisten Menschen noch keinen eigenen Computer besaßen. Der außergewöhnliche Wissenschaftler begrüßte mich, ließ begeistert einen Redeschwall los, als sei ich sein Kollege, stutzte und fragte plötzlich: "Verstehen Sie überhaupt, was ich sage? Sie sind doch in dem Fach gar nicht ausgebildet?" - Worauf ich ihm erklärte, dass ich zwar ungefähr hatte folgen können und fachlich in der Lage sein sollte, sowohl über heiße Würstchen wie auch über künstliche Intelligenz zu schreiben, aber unsere Leser bei Fachsprache nicht unbedingt mitgingen. Als der Mann über die Würstchen lächelte, hatte ich eine Idee: "Wie wäre es, wenn Sie mir die neue Entwicklung so schilderten, als hätten Sie den Hot Dog erfunden?" Er hatte riesigen Spaß daran, mitzumachen - und so konnten die Leser endlich verstehen, was an "ihrer" Uni geforscht wurde.
Mit dieser eigenen Faszination und Begeisterung auch für scheinbar trockene Themen möchte ich die Leser gern anstecken.
Der Text stimmt für mich dann, wenn ich ihn bei einer Lesung darbieten kann, ohne dass die Zuhörer den Eindruck haben, einen Vortrag zu besuchen. Wenn die Leser gespannt und neugierig bei der Sache sind, ohne zu merken, dass sie gerade etwas über ein Thema lesen, das sie vorher angeblich nie interessiert hat. Noch übe ich auf dem Weg zu meinem ganz persönlichen Prototyp von Sachbuch. Und ich übe lieber, als ständig davon zu erzählen, wie ich übe...
Mal ganz ehrlich: Interessiert Sie so etwas wirklich?
Kürzlich fragte mich jemand, warum ich hier eigentlich nie über meine Arbeit als Autorin plaudere. Ich sei ein zugeknöpfter Typ. Man erfahre nichts über meine Projekte, meinen Roman oder wie ich mit Cliffhangers umginge. Antwort auf die letzte Frage habe ich: gar nicht.
Und was das Plaudern betrifft - das verlernt man im Haifischbecken der Branche schnell. Wenn sich etwa bei Sachbüchern sogar Verlage, bei denen ein Projekt zur Bewerbung liegt, hemmungslos am fremden Exposé für den eigenen (meist billigeren) Hausautor bedienen, dann ist jedes Wörtchen schon zu viel. In der Öffentlichkeit ist es tödlich. Also hält man den Kreis der Mitwisser winzig, damit man wenigstens im Fall der Fälle weiß, wer es war. Nun kann man einen Roman zwar weniger leicht abkupfern, aber was ich schreibe, ist ein noch ungelegtes Ei. Ich bin tatsächlich nicht der Typ, der bei jeder und jedem mit Ultraschallfotos hausieren geht: "Guck mal, isser nich niedlich? Da unten, die dunkle Blase, das isser." Wäre doch peinlich, mit einem Zellhaufen anzugeben, der vielleicht einen plötzlichen Abgang erleidet! Erst wenn die Verlagsvorschauen gedruckt sind, rede ich über meine Romane - und finde, dieser Spannungseffekt hat was ... zumal jetzt, wo ich das Genre grundlegend wechsle.
Warum aber schreibst du nicht mal übers Schreiben selbst, wie man's macht und so - fragte mich dieser Mensch. Hmmm ... gute Frage. Vielleicht, weil ich selbst gar nicht weiß, wie man es macht? Weil ich einfach mache? Und weil ich sowieso jedem nur sagen würde: Vergiss all den Anleitungskram, die Gebrauchsanweisungen für verdammt gute Bücher, und entwickle dich stattdessen lieber erst mal selbst, individuell, querköpfig, frei, kreativ?
Oder weil ich so bin wie ein Metzger, der den ganzen Tag im Schlachthof steckt und abends nicht auch noch übers Zerteilen von Schweinen reden will? Der sich außerdem für eine ganze Menge anderes interessiert und nicht nur fürs Würstestopfen?
Vielleicht mache ich mir ja auch Notizen über interessante Probleme, die beim Schreiben auftauchen. In denen ich mit mir unerbittlich und gnadenlos umgehe. Aber sind die Zeiten öffentlicher Flagellationen nicht längst außer Mode?
Außerdem verstehe ich diesen Menschen nicht. Ich habe das Gefühl, ich redete hier viel zu viel über mich und mein Schreiben, zu dem bekanntlich mehr gehört als das Traktieren einer Tastatur.
Wer es trotzdem wissen will: Ich habe in den letzten Monaten ein feines Portfolio gefüllt mit marktreifen Sachbuchprojekten, die zwar unterschiedliche Themen haben, aber dem treu bleiben, was ich als "mein Ding" entdeckt habe und entwickle. Das "erzählende" Sachbuch. Angefangen hat das mit "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt", einem Reisebuch, das weitab von üblichen Touristenführern nicht nur romanhaft lesbar sein sollte, sondern auch mit allen Sinnen beim Lesen erfahrbar. Text, der im Lehnstuhl reisen und genießen lässt.
Bei meinem letzten Sachbuch "Das Buch der Rose" ging ich noch einen Schritt weiter: Wenn ein Sachbuch schon die Sinne reizen kann - wie wäre das, wenn man zu einem teilweise recht wissenschaftlichen Thema zwei ungewöhnliche Bereiche paaren würde: die Kunst und die Literatur?
Die beiden Bücher sind der Anfang eines Weges zu meinem Ideal: ein Sachbuch zu schreiben, das gelesen werden kann wie ein Roman, und trotzdem auf hohem Niveau unauffällig Wissen vermittelt. Das vielleicht auch noch beim Leser Faszination am Thema weckt, ihn neugierig macht, selbst weiter zu denken, weiter zu forschen. Mich interessieren dabei vor allem komplexe, am liebsten hochkomplizierte Themen. Das war schon in meiner ganz frühen Journalistenzeit ein Spezialgebiet von mir: völlig undurchschaubare Sujets so aufzubereiten, dass sie jeder verstehen kann, der bereit ist, den Gedankengängen zu folgen.
Ich erinnere mich an meinen ersten Zeitungsartikel in dieser Richtung. Ich sollte über ein bahnbrechendes Projekt künstlicher Intelligenz berichten, als die meisten Menschen noch keinen eigenen Computer besaßen. Der außergewöhnliche Wissenschaftler begrüßte mich, ließ begeistert einen Redeschwall los, als sei ich sein Kollege, stutzte und fragte plötzlich: "Verstehen Sie überhaupt, was ich sage? Sie sind doch in dem Fach gar nicht ausgebildet?" - Worauf ich ihm erklärte, dass ich zwar ungefähr hatte folgen können und fachlich in der Lage sein sollte, sowohl über heiße Würstchen wie auch über künstliche Intelligenz zu schreiben, aber unsere Leser bei Fachsprache nicht unbedingt mitgingen. Als der Mann über die Würstchen lächelte, hatte ich eine Idee: "Wie wäre es, wenn Sie mir die neue Entwicklung so schilderten, als hätten Sie den Hot Dog erfunden?" Er hatte riesigen Spaß daran, mitzumachen - und so konnten die Leser endlich verstehen, was an "ihrer" Uni geforscht wurde.
Mit dieser eigenen Faszination und Begeisterung auch für scheinbar trockene Themen möchte ich die Leser gern anstecken.
Der Text stimmt für mich dann, wenn ich ihn bei einer Lesung darbieten kann, ohne dass die Zuhörer den Eindruck haben, einen Vortrag zu besuchen. Wenn die Leser gespannt und neugierig bei der Sache sind, ohne zu merken, dass sie gerade etwas über ein Thema lesen, das sie vorher angeblich nie interessiert hat. Noch übe ich auf dem Weg zu meinem ganz persönlichen Prototyp von Sachbuch. Und ich übe lieber, als ständig davon zu erzählen, wie ich übe...
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