Jeder, der einen Roman konzipiert, kennt das: Die Geschichte schreibt sich erst dann richtig, wenn die Figuren vor dem inneren Auge lebendig werden. Der Zauber, beim Lesen in fremde Welten vollkommen einzutauchen, hat mit dem Vermögen des Autors zu tun, seine eigenen Schöpfungen wirklich "echt" zu empfinden. Dieser fast magisch wirkende Vorgang wird von jedem Autor anders provoziert, sollte aber nie im Beisein eines Psychiaters besprochen werden.
Der würde uns vielleicht nicht abnehmen, dass wir mit unserer Hauptfigur frühstücken, spazierengehen, streiten - und sie auch noch fragen, ob sie guten Sex hatte und warum sie sich nicht dieses hässliche Hühnerauge endlich entfernen lässt. Immerhin, wir müssen mit diesem "Wahn" mindestens über mehrere Monate leben, bevor wir in die Abgabedepression fallen, dieses Loch aus Schmerz und Trennungsweh, weil sich die Figuren verabschieden, bevor neue lebendig werden. Einsam sind wir jedenfalls nie, denn manchmal feiern sogar Figuren aus alten Romanen miteinander Party oder stellen uns eine Person für eine Geschichte vor, die wir noch gar nicht erfunden haben. Und wer nähme uns schon ab, dass unsere Protagonisten oft "echter" und näher sind als manche Freunde, die sich lang nicht haben blicken lassen?
Man kann über die wunderbaren Seiten dieser Krankheit, die sich Schriftstellerei nennt, kaum reden. Wer soll einem so etwas glauben? Ich bin beispielsweise so ein Frühstücker. Ich quatsche ausgiebig mit meinen Figuren. Manchmal gibt es dann aber die Sorte, wie ich sie gerade in meiner Hauptfigur gefunden habe: Sie schweigt mich an, sträubt sich. Warum habe ich mich so in sie verliebt, was finde ich an dieser noch nichtssagenden Person? Was hat sie? An manchen Tagen bringt sie mich auf die Palme. Gut, sie hat einen Beruf, in dem man nicht unbedingt zum extrovertierten Redner wird - und sie lässt genug Dialoge im Roman ab. Aber wie, verdammt noch mal, krieg ich sie zum Lachen? Was wäre für sie der größte Verlust?
Wenn ich wissen will, was sie antreibt, erzählt sie mir, dass sie in bestimmten Situationen, als Nichtraucherin, eine "Romeo y Julieta"-Zigarre genießt. Was soll das? An anderen Tagen versteckt sie sich hinter mir und keckert: "Hehehe, ich trage die Haare nur so, weil du dir das als Kind gewünscht hast, aber du hast ja nur Schnittlauch auf dem Kopf, ätsch!" Verdammtes Biest.
Streiten nützt nichts in solchen Fällen. Der Psychiater auch nicht ("Herr Doktor, könnten sie mal bitte die Figur neben mir zurechtbiegen, die weigert sich permanent, sich die Beine zu rasieren"). Was tun?
In solchen Fällen hilft bei mir der Weltenwechsel. Frage mich keiner, was da genau passiert, aber in solchen Fällen treffe ich die Leute. Ich meine, die erfundenen Figuren. In Echt.
So geschehen mit meiner widerspenstigen Hauptfigur. Ich habe in solchen Momenten Angst, dass ich mit aufgerissenem Mund und völlig erstarrt Maulaffen feilhalte, weil ich so überrascht bin. Stellt mir doch tatsächlich jemand unlängst meine Hauptfigur vor! Die gleiche Statur, die gleiche Frisur, diese unvergleichlichen Augen, die Art...
Es war nur eine Begegnung auf Zeit. Aber als ich heimkam, saß meine Hauptfigur feixend am Küchentisch, rauchte eine Zigarre und meinte: "Na, kapierste mich jetzt endlich?" Kleinlaut musste ich zugeben, dass ich versagt hatte. Übermächtig, ja vermessen, hatte ich ihr ein paar Eigenschaften unterjubeln wollen, die sie unmöglich hatte haben können. Sie war anders, sie war wie diese Frau. Ich verstand jetzt auch ihre schweigsamen Phasen, ihre leise Kraft, die sich nicht so schnell verbraucht.
Seither schweigen wir auch mal miteinander bei einer Tasse Kaffee. Jetzt ruft sie mich allerdings. Unmissverständlich laut, keine Widerrede duldend. Sie brennt darauf, endlich diese andere Figur kennenzulernen, der sie bis jetzt nur einmal begegnet ist. Ich übrigens auch...
Und was den Psychiater betrifft, da hat sie einen guten Ratschlag für alle KollegInnen, sollten sie je an sich und ihrer geistigen Gesundheit zweifeln: "Erfinde dir einen."
Der würde uns vielleicht nicht abnehmen, dass wir mit unserer Hauptfigur frühstücken, spazierengehen, streiten - und sie auch noch fragen, ob sie guten Sex hatte und warum sie sich nicht dieses hässliche Hühnerauge endlich entfernen lässt. Immerhin, wir müssen mit diesem "Wahn" mindestens über mehrere Monate leben, bevor wir in die Abgabedepression fallen, dieses Loch aus Schmerz und Trennungsweh, weil sich die Figuren verabschieden, bevor neue lebendig werden. Einsam sind wir jedenfalls nie, denn manchmal feiern sogar Figuren aus alten Romanen miteinander Party oder stellen uns eine Person für eine Geschichte vor, die wir noch gar nicht erfunden haben. Und wer nähme uns schon ab, dass unsere Protagonisten oft "echter" und näher sind als manche Freunde, die sich lang nicht haben blicken lassen?
Man kann über die wunderbaren Seiten dieser Krankheit, die sich Schriftstellerei nennt, kaum reden. Wer soll einem so etwas glauben? Ich bin beispielsweise so ein Frühstücker. Ich quatsche ausgiebig mit meinen Figuren. Manchmal gibt es dann aber die Sorte, wie ich sie gerade in meiner Hauptfigur gefunden habe: Sie schweigt mich an, sträubt sich. Warum habe ich mich so in sie verliebt, was finde ich an dieser noch nichtssagenden Person? Was hat sie? An manchen Tagen bringt sie mich auf die Palme. Gut, sie hat einen Beruf, in dem man nicht unbedingt zum extrovertierten Redner wird - und sie lässt genug Dialoge im Roman ab. Aber wie, verdammt noch mal, krieg ich sie zum Lachen? Was wäre für sie der größte Verlust?
Wenn ich wissen will, was sie antreibt, erzählt sie mir, dass sie in bestimmten Situationen, als Nichtraucherin, eine "Romeo y Julieta"-Zigarre genießt. Was soll das? An anderen Tagen versteckt sie sich hinter mir und keckert: "Hehehe, ich trage die Haare nur so, weil du dir das als Kind gewünscht hast, aber du hast ja nur Schnittlauch auf dem Kopf, ätsch!" Verdammtes Biest.
Streiten nützt nichts in solchen Fällen. Der Psychiater auch nicht ("Herr Doktor, könnten sie mal bitte die Figur neben mir zurechtbiegen, die weigert sich permanent, sich die Beine zu rasieren"). Was tun?
In solchen Fällen hilft bei mir der Weltenwechsel. Frage mich keiner, was da genau passiert, aber in solchen Fällen treffe ich die Leute. Ich meine, die erfundenen Figuren. In Echt.
So geschehen mit meiner widerspenstigen Hauptfigur. Ich habe in solchen Momenten Angst, dass ich mit aufgerissenem Mund und völlig erstarrt Maulaffen feilhalte, weil ich so überrascht bin. Stellt mir doch tatsächlich jemand unlängst meine Hauptfigur vor! Die gleiche Statur, die gleiche Frisur, diese unvergleichlichen Augen, die Art...
Es war nur eine Begegnung auf Zeit. Aber als ich heimkam, saß meine Hauptfigur feixend am Küchentisch, rauchte eine Zigarre und meinte: "Na, kapierste mich jetzt endlich?" Kleinlaut musste ich zugeben, dass ich versagt hatte. Übermächtig, ja vermessen, hatte ich ihr ein paar Eigenschaften unterjubeln wollen, die sie unmöglich hatte haben können. Sie war anders, sie war wie diese Frau. Ich verstand jetzt auch ihre schweigsamen Phasen, ihre leise Kraft, die sich nicht so schnell verbraucht.
Seither schweigen wir auch mal miteinander bei einer Tasse Kaffee. Jetzt ruft sie mich allerdings. Unmissverständlich laut, keine Widerrede duldend. Sie brennt darauf, endlich diese andere Figur kennenzulernen, der sie bis jetzt nur einmal begegnet ist. Ich übrigens auch...
Und was den Psychiater betrifft, da hat sie einen guten Ratschlag für alle KollegInnen, sollten sie je an sich und ihrer geistigen Gesundheit zweifeln: "Erfinde dir einen."
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