Dicke Backen

Filmtipp: "Der Elefantenmensch" von David Lynch, 1980 als Schwarzweißfilm produziert. Es war einer der Filme, dessen Bilder sich wirklich in meinem Kopf eingebrannt haben, weil er nicht nur großes Erzählkino schaffte, sondern bewirkte, dass sich der Zuschauer mit einer völlig abstrus wirkenden Hauptfigur identifizierte, meisterhaft gespielt von John Hurt. Die wahre Geschichte des Elefantenmenschen Joseph Merrick führt außerdem in ein realistisches viktorianisches England in einer Weise, von der Autoren nur lernen können: Hier hat sich gründlichste Recherche an Originalquellen und Fakten gewandelt in Bilderzählen, ohne falsche Zugeständnisse zu machen.

David Lynchs Film hat etwas, das die meisten historischen Romane längst nicht mehr haben. Seine Geschichte ist nicht Fluchtkino in alte Zeiten, sondern knallharte Analyse menschlichen Verhaltens, schonungslose Gesellschaftskritik, die sich zudem auf eine Eigenschaft bezieht, die zeitlos ist. Die Ausgrenzung der Anderen findet auch hier und heute statt, in immer neuen Formen. So wird die Geschichte auch zur Gegenwartskritik, zur politischen Geschichte.

Anders als die Macher der opulenten Kostümfilme, die den Zuschauer den Alltag vergessen machen, indem Leidenschaft und Hiebe in immer neue Roben und Jahrhunderte gequetscht werden, hatte es David Lynch anfangs schwer. Alle Produzenten lehnten ab. Nur einer griff mutig und begeistert zu und ließ sogar seinen Namen heraus, damit keiner das Werk mit einer Komödie verwechselte: Mel Brooks. Es gab jede Menge Oscar-Nominierungen, aber auch hier setzte sich der Mainstream durch. Der trotzdem erfolgreiche Film geht unter die Haut.

Das ging er bei mir im wahrsten Sinn des Wortes, denn ich hatte damals, als er in die Kinos kam, gerade den Mumps hinter mir. Ich konnte mir vorstellen, wie das ist, wenn man mit dicken Backen von allen gehänselt wird, wie schlimm musste schlimmeres sein! Aber gegen Mumps wird man ja immun, kein Grund zur Sorge also.

Denkste, wieder so ein Geschichtsfehler. Die Autorin hängt kraftlos über den Tasten, aufgeschwollen und deformiert wie ein Elefant. Ein erster Tag, wo die Schmerzen nur noch schmerzen und nicht diese Hölle bereiten, in der man davon träumt, jemand würde einem den Kopf abschneiden zur Erleichterung. Meine Ärztin freut sich schon auf die Blutabnahme wegen der Antikörperanalyse. Ich sei ihr dritter Fall. Seit man in Frankreich intensiv gegen Mumps impft, sei eine Virusvariante entstanden, die plötzlich lieber Erwachsene befalle. Und auch die, die den anderen Mumps schon mal hatten.

Tröstlich. Ich aktiviere derzeit meine Körperpolizei, als müsste ich alle Tatort-Serien allein schreiben. Und probe edle Verhüllungen mit Schleiern und Schals. Denn am 5.7. trete ich auf, koste es, was es wolle. Sollte ich es mit der endgültigen Gesundung bis dahin nicht schaffen, gibt's halt ein wenig Lynch-Feeling gratis...
Blogpause. Die deformierte Autorin schleppt sich wieder ins Bett.

1 Kommentar:

  1. Unter www.ws-avantgarde.de gibts übrigens ne ganze Episode über Lynch. Für Lynch-Einsteiger nur zu empfehlen

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