Neue Zahlen zu E-Books

Wie verkaufen sich E-Books eigentlich? Lohnt es sich überhaupt, für diesen winzigen Markt zu produzieren und so viel Energie hineinzustecken? Zwei essentielle Fragen bekommen derzeit wieder ein paar Antworten, die man interpretieren mag wie man lustig ist, denn es handelt sich natürlich nur um Statistiken.

Steffen Meier vom Ulmer Verlag präsentiert eine doch recht erhellende Infografik über den E-Book-Markt in Deutschland (von Wirtschaftswoche und Statista). Demnach nimmt in der Belletristik die Zahl der Leser gegenüber der letzten Statistiken offensichtlich rasant zu, vor allem konsumieren E-Leser mehr als Papierleser, was sicher an den Preisen liegen mag. Sachbücher dürften meiner Einschätzung nach noch deshalb etwas abgehängt sein, weil sie technisch oft komplizierter zu programmieren sind und deshalb vielleicht gar nicht erst in Angriff genommen werden. Bestätigt im Trend: Amazon ist mit Abstand Marktführer, der Abstand zu Apple scheint sich sogar vergrößert zu haben, deutsche Shops verkaufen lächerlich wenig. Auch wenn 1% vom Gesamtumsatz Buch wenig sein mag, so muss man dieses Ergebnis in der Relation zu den Preisen und Kosten der Verlage setzen. Für Self Publisher, die vom Buchhandel leider immer noch stiefmütterlich behandelt werden, dürfte der E-Markt dagegen aufgrund der besseren Distribution der größere sein. Allerdings sollte man sich auch hier vergewissern, ob die eigene Zielgruppe überhaupt E-Books liest - je nach Art des Buchs kann das nämlich auch ins Auge gehen.

Man muss sich außerdem vergegenwärtigen, wie jung der europäische E-Book-Markt in seiner jetzigen Form ist: Erst vor einem Jahr eröffnete der deutsche Kindle-Shop! Amazon veröffentlicht zum Jubiläum Jahresbestsellerlisten, die recht aufschlussreich sein können. Im Gegensatz zu Bestsellerlisten bei Spiegel & Co., die nicht nur den Kindle Shop, sondern auch Self Publisher herausrechnen, sehen hier die Verkäufe doch anders aus. Es geht in E natürlich auch genau das, was in Papier ebenfalls in die Stapel gepuscht wird. Bestseller verkaufen sich in egal welcher Form.

Neu und überraschend mag jedoch sein, dass sich in dieser Liste der meistverkauften E-Books Self Publisher absolut gleichberechtigt zu Verlagsautoren tummeln. Namen wie Matthias Matting, Emily Bold, Jonas Winner, Cathy McAllister, Michael Linnemann oder David Gray schreiben nicht für Verlage - nicht mitgerechnet sind dabei Eigenverlage, die man auf Anhieb nicht erkennen kann.

In einer Facebook-Gruppe ("Self Publishing", daher auch die Zahlen) entspann sich deshalb eine Diskussion um die Bücher von Michael Linnemann, die scheinbar in dieser Form kein Verlag genommen hätte. Irgendetwas muss trotzdem an ihnen dran sein, denn der Autor habe in einem Interview gesagt, dass er in den ersten vier Monaten dieses Jahres 55.000 seiner E-Krimis verkauft habe. Amazon lässt sich in die Berechnung seiner Ränge nicht hineinschauen, seine Algorithmen sind bestgehütetes Geheimnis und offensichtlich spielt auch der erzielte Umsatz eine Rolle. Trotzdem kann man sich durch Vergleiche ungefähr ausrechnen, was ein Autor leisten muss, der in die Topliste des Jahres kommt: Platz 6, "Grimms Märchen" aus dem Null Papier Verlag von Jürgen Schulze, soll ebenfalls laut Interview 25.000 mal verkauft worden sein.

Diese Höhen wird nicht jede Art von Buch und nicht jeder Autor schaffen. Und wie und warum es die geschafft haben, die sich dort tummeln, mag ein Geheimnis sein wie die märchenhafte Bestsellerformel. Dass es aber Self Publisher ohne die Maschinerie eines Verlags und ohne die potente Unterstützung von Buchhandel und Feuilleton überhaupt so weit bringen, spricht doch sehr für einen revolutionären Umbruch in der Branche. Den Lesern ist egal, worüber wir uns einen Kopf machen. Sie wollen Geschichten und sie holen sie sich, selbst wenn sie sprachlich erstaunlich unbearbeitet sind.

Aber auch das passiert im Moment: Autoren, die mit einer Story Erfolg und damit Einkünfte haben, lassen ihr Buch nachträglich lektorieren und kommunizieren das ganz offen. So wird das E-Book auch zu einem "Work in Progress", einer offenen Geschichte, an der die Leser als Kritiker Anteil haben. Welcher Verlagsautor schreibt sein Buch um, weil dem Publikum etwas nicht gefällt? Und welche Möglichkeiten experimenteller Art ergeben sich aus der Idee von Mitmachbüchern erst!

Eines scheint jedenfalls den Self Publishing Bestsellerautoren gemeinsam zu sein: Sie sind unwahrscheinlich fleißig und kümmern sich gleichzeitig auch noch um ihr Publikum. Sie sind mutig, innovativ und machen einfach. Warten war gestern.
Es ist wohl das erste Mal in meiner Laufbahn als Autorin, dass Autoren ganz allein eine derart starke Position entwickeln können. Denn wer sich bei all dem gutdeutschen Verschlafen von Entwicklungen warm anziehen muss, das sind diesmal nicht die Autoren, sondern die Verlage und der Buchhandel. Das sollte den Autoren das nötige Selbstbewusstsein geben. Wir sind keine Bittsteller, wir haben ein hohes Gut zu bieten: unsere Schöpfungen; das, was Leser brauchen und was ein Buch ausmacht. Und die anderen Marktbeteiligten? Die lernen vielleicht ganz rasant um, bevor es zu spät ist wie einst in der Musikbranche?

7 Kommentare:

  1. Demnach nimmt in der Belletristik die Zahl der Leser gegenüber der letzten Statistiken offensichtlich rasant zu

    ----

    Ich hbe zwar keinen Kindle, aber es erstaunt mich.
    Belletristik lese ich in aller Regel einmal, danach geben ch das Buch weiter, bevor es in der Ecke verstaubt. Das kann ich bei eBooks nicht machen (weswegen sie für mich auch nicht in Frage kommen).

    Bei Sachbüchern könnte ich mir schon eher vorstellen, dass ein eBook zwecks Notizen interessant ist.

    Für mich sind eBooks genau wie Download-Spiele ein Versuch der Industrie, die Weitergabe zu verhindern und das zum halbwegs gleichen Preis wie ein normales Buch / Spiel.

    AntwortenLöschen
  2. Ich denke, da ist auch viel Unwissenheit im Spiel - DRM-freie Bücher kann ich durchaus frei weitergeben. Und DRM wird über kurz oder lang fallen - das liest man auch schon in Branchennachrichten.

    Kommt dazu, dass die Gewohnheiten der Menschen unterschiedlich sind. Ich als Vielleserin lese z.B. die typischen "Einmalschmöker" fast nur noch elektronisch, weil sie mir dann nicht mehr die eh schon vierreihige Bibliothek verstopfen, in die ich nun lieber die schöneren Bücher stelle und diejenigen, die ich mehrmals lese. Außerdem sind sie meist billiger (ich lese nämlich die Originale), so dass ich noch mehr Bücher kaufe als früher.

    Und es gibt für mich nichts Schöneres, als ständig in der Handtasche eine ganze Bibliothek bei mir zu haben - für all die Wartezeiten unterwegs.

    Als typische Bettlektürenleserin bin ich außerdem dankbar, dass mir der Reader beim Einschlafen nicht so schwer auf die Nase kracht wie ein 600-Seiten-Schmöker (er schaltet sich danach sogar selbstständig in Schlafmodus, der brave) - und ich keine Lesebrille mehr aufsetzen muss, nur noch die Schrift vergrößern.

    Ich lektoriere sogar gerade jemandem ein Buch per Kindle, weil es ein viel entspannteres und "echteres" Lesen ist als am Bildschirm (E-Ink ist wie Papier und geht auch bei Prallsonne) - und ich schaffe dadurch mehr Seiten in kürzerer Zeit.

    Ich kann mir ganze Reihen von Klassikern leisten (da meist kostenlos) und lese tatsächlich so viele wie noch nie und entdecke viele wieder neu. Ich entdecke sogar Talente, die es im Buchladen nicht gibt.

    Der Witz: Ich konnte mir all das vorher auch nicht vorstellen und habe das alles auch für Quatsch gefunden, bevor ich einen Reader hatte. Und glaub mir, jeder, der bei mir daheim überkritisch so ein Ding in die Hand nimmt, hat spätestens vier Wochen selbst einen haben wollen ;-)

    Ich kann die Statistik nur bestätigen: Ich lese mehr in kürzerer Zeit und ich kaufe mehr Bücher, auch in Papier. Das gesparte Geld beim Schmöker fließt nämlich dort in die Preziosen. Und ich liebe es, um Mitternacht oder am Sonntag schnell noch ein Buch zu kaufen, nur weil mir die Bettlektüre ausgegangen ist und ich vergessen hatte, vorzusorgen ;-)

    AntwortenLöschen
  3. Das sind alles Dinge, die anders handhabe.

    Gelesene Bücher schiebe ich per Tauschticket ab, gerade weil ich viel zu viele Bücher habe. Aus dem gleichen Grund kaufe ich kaum noch neue, weil ich genug da habe. Inzwischen bin ich soweit, dass ich entweder Rezi-Exemplare von Verlagen nehme oder verzichte. Es stapelt sich schon überall in meinem Schlafzimmer und ich bin dankbar für jedes Buch, welches ich nicht besitze.

    Klassiker sind ein Argument - mein Bruder hat auf diese Weise den kompletten Tucholski gelesen.

    Eine Bibilothek muss ich nicht mit mir rumschleppen, da ich außerhalb der Wohnung entweder beim Sport / Reiten / bei Freunden bin. Für die seltenen Fälle eines Arztbesuches reicht ein Taschenbuch. Ich lese auch nicht im Bett, da mir das zu unbequem ist.

    Ich bin nicht gegen eBooks und für Dachbücher hätte ich gerne ein Kindle, aber ich sehe (für mich) mehr Nachteile, als Vorteile.

    Aber ich gebe zu: Es wäre ein Traum, wenn ich mit Hilfe des Kindle Bücher, die ich wirklich mag, behalten könnte. Wenn ich meine ganzen Bücher sehe, ob es die gewollten und ungewollten sind, empfinde ich angesichts der Menge nur noch Hass.Lesen und abschieben...

    AntwortenLöschen
  4. Seitdem "Candy Kindle" (Touch 3G) zu uns gezogen ist, habe ich folgendes Beobachtet:

    Einkaufen ist leichter: ich kann es bequem vom Garten aus machen. Also das Kindle Logo stimmt.

    Meine Wishlist hat sich unglaublich verlaengert: weil ich einfacher stoebern kann und eine Auswahl habe bei der keine Buchhandlung mithalten kann.

    Ich lese wesentlich mehr: weil das ganze Erlebniss flexibler und bequemer ist und es sich mit dem Kindle gut lesen laesst.

    Warum?

    Es ist absolut alles auf meine Beduerfnisse zugeschnitten.

    Wuenscht sich das nicht jeder Kunde?

    AntwortenLöschen
  5. Danke für die Einblicke ins Leben mit Büchern!
    Seht ihr - drei Menschen, drei unterschiedliche Umgehensweisen mit Büchern und dann verändert so ein Gerät außerdem noch die alten Gewohnheiten!
    Und genau darum finde ich, darf kein Verlag und kein Self Publisher so arrogant sein, das E-Publikum zu missachten.

    Umgekehrt mit dem Papier im Self-Publishing bemerke ich, dass es doch auch eine sehr viel größere finanzielle Investition ist. Das fängt beim viel aufwändigeren Cover an und hört beim Druck auf. Das finanzielle Risiko ist höher. Es ist umso höher, als sich der deutsche Buchhandel Self Publishern gegenüber - mit wenigen rühmlichen Ausnahmen - verschließt.

    Deshalb muss man extrem gut abwägen, welche Gewohnheiten das eigene Zielpublikum hat. Liebhaber von aufwändigen Kunstbüchern kaufen diese nicht elektronisch. Aber Kunden von Reiseführern der Baedeker-Art wollen diese inzwischen mobil vor Ort auf dem iPhone lesen und am liebsten mit Navigationsdiensten etc. verbinden.

    Auch hier werde ich jetzt das Härteexperiment machen. Ich werde meinen Nijinsky, der ein ganz ganz typisches Printpublikum hat, nun doch als bebildertes Kindle herausgeben. Und dann mal sehen, ob das E-Book ein Ladenhüter wird - oder ob man vielleicht Publikum an Orten findet, wo man sie nicht findet / missachtet.
    Ausschlaggebend war übrigens die Tatsache, dass inzwischen mehr Leser aus Russland als aus deutschsprachigen Ländern mein Nijinsky-Blog lesen. Und die können z.B. die Printausgabe nicht kaufen.
    Es bleibt spannend.

    @Frank: Du hast die riesige Auswahl, weil du englischsprachige Bücher liest. Das deutschsprachige E-Book-Angebot ist manchmal leider noch jämmerlich, weil 1. nicht alles angeboten und 2. Mondpreise mancher Verleger. Auch das ist die Chance der Self Publisher ...

    AntwortenLöschen
  6. @Franck - zur Auswahl:
    JEDE Buchhandlung hat theoretisch die gleiche Auswahl an Büchern - sie hat sie nur nicht körperlich im Laden. Aber du kannst beim Buchhändler deiner Wahl jedes lieferbare Buch bestellen. Da es sich um ein körperliches Produkt handelt, braucht es natürlich ein klitzeklein bißchen länger als einen Klick, aber du kannst es mit in die Badewanne nehmen und auch noch lesen, wenn das für dich zuständige Atomkraftwerk explodiert ist ;-)

    AntwortenLöschen
  7. Liebe Petra, ich habe diesen Artikel auf Facebook verlinkt - und dort wird auch garde drüber diskutiert!
    Herzlich, Carla

    AntwortenLöschen

Deine Sicherheit:
Mit restriktiven Browsereinstellungen kannst du nur als "Anonym" und mit "Namen / URL" kommentieren. Möchtest du dein Google-Profil verwenden, musst du aktiv im Browser unter "Cookies von Drittanbietern" diejenigen zulassen, die nicht zur Aktivitätenverfolgung benutzt werden. Nur so kann das System dein Profil nach Einloggen erkennen.

Mit der Nutzung dieses Formulars erkläre ich mich mit der Speicherung und Verarbeitung meiner Daten durch Google einverstanden (Infos Datenschutz oben im Menu).
(Du kannst selbstverständlich anonym kommentieren, dann aber aus technischen Gründen kein Kommentarabo per Mail bekommen!)

Spam und gegen die Netiquette verstoßende Beiträge werden nicht freigeschaltet.

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Powered by Blogger.