So nicht, liebe Buchhändler!

Anonymisiertes, darum leicht verändertes Gedächtnisprotokoll einer Verkaufssituation in einer Buchhandlung. Sicher ein absolut nicht pauschalisierbares Individualerlebnis, aber leider kein Einzelfall. Denn ich schreibe nur darüber, weil das nicht mehr das erste Mal ist, dass ich so etwas erlebe! Warum ich mir überhaupt Luft mache? Damit manche vielleicht nachbessern, bevor es zu spät ist. Bevor auch treue Buchhandlungskunden wie ich immer öfter frustriert und resigniert wegbleiben.

Ort der Handlung: Eine kleinere unabhängige Buchhandlung, die mir auf einer vorpfingstlichen Reise nach Deutschland sehr empfohlen worden war und die ich statt der ebenfalls in der Stadt vorhandenen Buchketten wählte, weil ich ja gern unabhängige Buchhandlungen unterstütze.
Zeit der Handlung: Werktags gegen 17:30 Uhr.

Die Buchhandlung ist gähnend leer, als ich sie in Begleitung betrete. Anwesend: Ein älterer, dauertelefonierender Buchhändler und ein etwas jüngerer an der Kasse, letzterer sagt kurz Hallo. Er ist nicht mehr im üblichen Praktikumsalter. Etwas unschlüssig und sichtlich nicht fündig werdend stehe ich nach einigem Suchen vor dem Krimiregal. Jemand hat mir bei Facebook detalliert einen bestimmten Krimi von Janet Evanovich empfohlen. Ich rechne zwar nicht damit, genau dieses Buch zu bekommen, aber damit, dass man die preisgekrönte und verfilmte Autorin wenigstens irgendwie im Regal hat oder zumindest kennt. Ziemlich laut hallt mein Ausruf durch die menschenleere Buchhandlung, dass ich das Buch einfach nicht finden könne.

Buchhändler 1 telefoniert erneut und hackt auf seinem Computer herum. Buchhändler 2 steht nichtstuend hinter der Kasse und ist offensichtlich schwerhörig. Also laufe ich schnurstracks auf ihn zu und frage, ob er Bücher von Janet Evanovich im Laden habe. Er quält sich sichtlich hinter seiner Theke hervor, läuft zum Krimiregal - er hat mich also doch beobachtet. Dort zieht er wahllos irgendwelche Bücher heraus, von allen möglichen Autoren. Nach vier Handgriffen murmelt er ein "Hammwernich".

"Janet Evanovich", sage ich, "nicht diese Herren da." - "Hammwernich." - "Könnten Sie vielleicht in Ihrem Computer nachschauen, vielleicht stehen die Bücher ja auch in einem ganz anderen Regal?", bitte ich ihn. Er geht zum Regal nebenan, zieht wieder wahllos irgendwelche Bücher heraus und mault: "Hammwernich." - "Ich kann mir irgendwie auch nicht vorstellen, dass Sie Krimis unter "Romanzen" ablegen, wollen Sie nicht vielleicht im Computer ...?"

Buchhändler 1 hat sich währenddessen mit seinem Handy in den Hintergrund verzogen. Er ist ganz offensichtlich Chef des Ladens. Buchhändler 2 schlappt an den Computer, tippt herum, strahlt mich an und sagt: "Hammwerwirklichnich!" Frech dränge ich mich an den Bildschirm und will es genau wissen. Und gehe ihm nochmals zur Hand: "Sie schreibt sich nicht Iwannowitsch!" - "Ach, ist das keine Russin?", fragt er. Zum ersten Mal fühle ich mich beachtet. Der Mann hat mir doch tatsächlich eine Frage gestellt! Nach dem dritten Buchstabieren hat er endlich den Namen richtig eingegeben. Aber dann kommt noch ein "Hammwernich" und ich bedanke mich genervt und meine, dann würde ich eben nach anderer Lektüre schauen.

Nein, er fragt mich nicht, ob er mir behilflich sein könne oder etwas empfehlen! Er schnauft sichtlich erleichtert auf und sucht schnurstracks das Weite. Buchhändler 1 führt inzwischen das zigste Telefonat, nun wieder im Vordergrund. Als wir auch nach zweimaligem Umrunden des Ladens irgendwie nichts finden können, kommt Buchhändler "Hammwernich" plötzlich begeistert angewetzt: "Wirhammsedoch!" Und drückt mir drei völlig veraltete, englischsprachige Bücher von Janet Evanovich in die Hand, die offensichtlich in der Schulecke verstaubten. Und die sind tüchtig überteuert, wie das oft der Fall ist, wenn man in einer deutschsprachigen Buchhandlung Originale kauft. Ich bedanke mich herzlich und sage ihm, dass mir die Taschenbücher so zu teuer sind.

Er bietet mir nicht an, die gewünschten deutschen Bücher sofort zu bestellen. Frustriert verlasse ich die Buchhandlung, die für meinen Lesegeschmack irgendwie nichts da hatte, hauptsächlich auf Hardcover baute, die ich mir kaum leisten kann - und auf dem Bestsellertisch den üblichen Schmonzes anbot, den ich auch in der Kette nebenan bekommen hätte. Und damit ich wenigstens die teure Gebühr vom Parkhaus (Nachteil der Innenstadtlage) nicht ganz so bereuen musste, warf ich meinen Kindle an und saugte das gewünschte Buch mit einem Klick durch die Luft auf meinen Reader. Für's gesparte Geld war das Café gleich mit drin. Ähnliches ist mir nun schon dreimal hintereinander in unterschiedlichen Buchhandlungen passiert. Bei solch berauschendem Kundenservice sind die Algorithmen dann doch persönlicher und Amazon war jedes Mal der Gewinner.

Ich möchte meine gute alte Buchhandlung wiederhaben, in der mich das Ladenpersonal begrüßt und nach einer Weile, wenn ich unschlüssig oder verzweifelt im Laden stehe, anspricht, ob man mir irgendwie weiterhelfen könne! Ich möchte nicht dem Verkaufspersonal auf die Sprünge helfen müssen, sondern von kundigen Buchhändlern Hilfe erfahren. Sei es in Empfehlungen, sei es in der Beratung oder "nur" im einfachen Angebot, ein gewünschtes Buch, das nicht im Laden steht, umgehend zu bestellen. Ich möchte Buchhändler erleben, die mir das Kaufen zum Erlebnis machen, weil sie Bücher lieben und weil sie gelernt haben, Kunden zuzuhören. Ich möchte Buchhändler finden, die zugunsten eines Verkaufs vielleicht auch einmal ein Telefonat um fünf Minuten verschieben, wenn der Angestellte eine Situation sichtlich nicht meistert. Ich war bereit, rund hundert Euro in dieser Buchhandlung zu lassen. Das ist lächerlich wenig Geld für einen Buchhändler. Aber auf Dauer ist es verdammt viel verlorener Umsatz, wenn man vom unabhängigen Buchhandel (noch) überzeugte Kundinnen nachhaltig mit der "Hammwernich"-Attitüde in die Arme dessen treibt, den man so fürchtet, weil der es den Kunden ultraeinfach macht und sagt: "Hammweralleswasmöchtensedenn!"

7 Kommentare:

  1. Per Twitter höre ich gerade erstaunlich oft den Kommentar von ausgebildeten BuchhändlerInnen, sie hätten das noch ganz anders gemacht als der Hammwernich, aber sie würden keine Anstellung mehr finden (weil teurer als Nicht-Fachkräfte) oder hätten bereits den Beruf gewechselt ...

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  2. Seltsamerweise habe ich in letzter Zeit diese engagierte Haltung noch am ehesten in Buchhandlungsketten gefunden. Es ist ja nicht so, als würde man Buchhandlungen bewusst meiden, aber wenn man das Gefühl vermittelt bekommt, man störe... geht man auch gerne woanders hin.

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  3. Das Erlebnis passt exakt so auch auf Elektronikgeschäfte - und da kann ich tatsächlich aus eigener Erfahrung bestätigen, dass die engagierten und begeisterten Mitarbeiter den Verantwortlichen einfach zu teuer sind. Lieber ein paar Aushilfen, Praktikanten, Studenten als wirklich gutes Personal. Kundenbindung? Hammwernichbrauchnwernich. Wie will man denn mit solch einer Einstellung gegen das Onlinegeschäft - Amazon ist ja mitterweile Erzfeind sowohl der Elektronik- als auch der Buchhändler - ankommen? Wie kurzsichtig muss man als Verantwortlicher sein um die Kunden fröhlich lächelnd zur Konkurrenz zu treiben? Ich habe es nie verstanden und werde es wohl nie verstehen. Inzwischen arbeite ich nicht mehr im Einzelhandel und kann mir die Situation kopfschüttelnd aus der Ferne ansehen. Ein wenig Wehmut fühle ich aber dennoch. Ab und zu fehlen mir die Kunden, die Beratungen, Gespräche, das Fachsimpeln und sogar die renitenten Verkäufer-Hasser..

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  4. ... wenn es nicht so traurig wäre, dann wäre die Geschichte eigentlich ganz lustig. "Servicewüste Deutschland" ist ja nicht nur ein Begriff. Dein Artikel dokumentiert geradezu süffisant was da alles falsch laufen kann. Allerdings muss ich sagen, gibt es natürlich auch Buchhandlungen und entsprechendes Personal die wirklich erkannt haben, dass da was passieren muss.

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  5. Diese Buchhandlung wohl auch. Buchhändler 2 arbeitet dort nämlich nicht mehr ;-)

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  6. diese situation kann ich mir zwar so nicht vorstellen, ich würde sie als gelernte buchhändlerin selbstverständlich anders händeln- habe aber in meinem traumberuf auch keine anstellung mehr. weil alle anstatt nachzudenken und nachzuhaken lieber bei dem A. Logisten bestellen.

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    1. @anonym
      Das ist traurig. In jedem anderen Laden hätte ich die Situation übrigens sofort beendet. Weil die Situation leider recht typisch war für das, was ich oft unterwegs erlebe, wollte ich sie "ausforschen". Nicht jede Kundin ist so geduldig ... das muss man auch verstehen.

      Ich habe übrigens einen Leib- und Magenbuchhändler, der es sich leistet, mehrere ausgebildete Fachkräfte zu beschäftigen, obwohl das für ihn auch ein sehr hohes Risiko ist mit extrem teurer Innenstadtlage. (Die dreht den meisten den Hals zu ...) Zu dem fahre ich 40 km hin und 40 km zurück - gerne. Weil er weit und breit der einzige ist, der sich rührend um seine KundInnen kümmert, eine erlesene Auswahl an Büchern bietet (und nicht die Stapelware) und genau weiß, was mich noch interessieren könnte. Im Winter schickt er mir meine Bücher nach Frankreich. Und der gab mir den Tipp, dass englischsprachige Ausgaben tatsächlich übers Internet leichter und schneller zu besorgen seien. Für diese Ehrlichkeit und Kundenfreundlichkeit liebe ich den Laden - und meine E-Books hole ich bei Amazon.
      Wenn wir endlich begreifen würden, dass dieses Miteinander die Gegenwart ist ... beide können was anderes, keiner ersetzt wirklich den anderen. Aber die Stärke des Einzelhandels wäre eben der Servicegedanke ...

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