Strickliesls globale Algebra

Alle Mützen im Laden sind hässlich oder haben nicht die richtigen Farben. Todesmutig stürzt sich deshalb die recht handarbeitsabstinente Autorin in den bäuerlichen Handarbeitsladen im Schtetl (10.000 Einwohner). Madame braucht eine Grundausrüstung. Und staunt.

Die dicke Häkelnadel aus billigstem, garantiert nicht bruchsicherem Plastik aus Indien kostet fette 4 E. Die dünne, ebenfalls aus Indien, aber aus Metall, macht nur 2,45 E. Wenn es hochkommt, bleiben von der fetten vielleicht 20 Cent in Indien. Der Rest bleibt wo? Hätte Madame benzinlich wie zeitlich die Fahrt ins Nachbarland Deutschland auf sich genommen, hätte sie für beide Häkelnadeln aus heimischer Produktion, die an unbekannten Orten der Erde stattfindet, nur 2.50 E pro Häkelnadel gezahlt. Die wären aus verkleidetem Metall, absolut stabil. Obwohl die Mehrwertsteuer in beiden Ländern fast angeglichen ist und die Bauersfrauen in D. weit mehr verdienen als in F.

Auch so ein winzig kleines Wollknäuel kostet einen irren Preis. Runden wir mal auf sechs Euro. Zum Glück will ich nur eine Mütze häkeln. Wäre ich so verrückt, einen Pullover davon stricken zu wollen, wäre ich mit 20 Knäueln dabei. Macht 120 Euronen für das edle Teil, Arbeit nicht mitgerechnet! Im gleichen Laden hängt ein Pullover, der als handgestrickt durchgehen kann. Er kostet 19.90 E im Angebot, made in China. Die Bauersfrau wartet also, bis eine Dame aus der Überflussgesellschaft ihr Angeberteil über hat und im Emmaus abgibt. Da kann man es dann für 2-3 E erstehen. Billiger als eine deutsche Häkelnadel. Aber man muss trotzdem noch reichlich Kartoffeln dafür pflanzen.

2 Kommentare:

  1. Petra,
    das ist nur ein Beispiel, das zeigt, dass etwas schief läuft. Wenn die Unterschiede so sind, dann muss irgendwo auf dieser Welt jemand gewaltig ausgebeutet werden, damit wir billige Pullover oder Spielzeug oder Fisch oder oder oder haben.

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  2. Ja, Alexander, das ist so meine Art ohne den pädagogischen Zeigefinger. ;-) Was mich noch viel mehr erstaunt, war die Tatsache, dass die Ware, von der der Erzeuger am wenigsten bekommt, am teuersten ist. Also müssen daran irgendwelche Leute richtig dick verdienen. Der Verbraucher entscheidet.

    Aber es wundert mich nicht wirklich. Schauen wir doch mal, wer von einem Buchpreis im Laden was bekommt. Der Autor am wenigsten. Und den ganz großen Reibach machen schon jetzt auf Kosten von Autoren und auch Verlagen gewisse Buchhandelsriesen.

    Man stelle sich das mal als Beispiel vor: Naives Autorlein X bekommt von seinem Verlag 8% vom Nettoladenpreis als Tantiemen. Macht einen Riesen-Onlineshop auf und verdient am Direktlinkverkauf seines Buchs 15% vom Bruttoladenpreis (ich habe die aktuellen Zahlen nicht). Die Freude ist groß, unser naives Autorlein findet es ganz klasse, seine Bücher online verkaufen zu können und obendrein "doppelt" abzukassieren.

    Naiv deshalb, weil unser Autorlein nicht bedenkt, dass der Riese 1. das Geld für seine Zwischenhändler braucht und 2. selbst großen Reibach machen will, sehr großen Reibach. Deshalb geht der Riese an die Verlage und setzt die Rabattdaumenschrauben an. Kann er, ist ja ein Riese und alle sind ja geil aufs Verkaufen. Wer nicht mitmacht, fliegt raus (ich erinnere an Diogenes).

    Jetzt passieren zwei Dinge: Manche Verlage können nicht mitmachen, sind zu arm. Werden also noch ärmer. Die anderen müssen den Verlust wieder erwirtschaften. Kürzen wir ab: der Profit des Riesen geht auf Kosten der Autoren und der Ware. Einsparungen. Massenware für den Schnellabverkauf. Immer härtere Arbeitsbedingungen.

    Und so freut sich unser naives Autorlein über seinen Onlineshop und merkt gar nicht, dass es sich damit selbst das Wasser abgräbt!
    Nur ein Beispiel, der Druck von Buchhandelsketten funktioniert ähnlich. Inzwischen verdienen die am meisten am Buch, die am wenigsten mit dessen Werden zu tun haben - die ganz großen Händler.

    Schöne Grüße,
    Petra

    PS: Ich bitte drum, aus rechtlichen Gründen, auch bei Antworten keine Namen zu nennen.

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