Kaufrausch

Hach, eben kamen beim Surfen geballt Erinnerungen hoch. An das Einkaufen in Warschau in den frühen Neunzigern, als Supermärkte aus dem Westen noch nicht angelangt waren und lediglich das ehemals kommunistische Kaufhaus "Centrum" größere Warenmengen anbot, oder die Staatsläden für Nahrungsmittel "Spolem". Man ging auf die Märkte, riesige, wuselnde, schreiend bunte Versammlungen von Welt, denn man arbeitete sich vorbei an den polnischen Händlern, den türkischen Klamottenfälschern, zur bitter armen Russenabteilung mit exotischen Waren (Highlight: Ein Stand mit gebrauchten Kondomen, handgewaschen und wieder in die verstaubten Papiertüten gepackt), über die asiatischen Klamottenfälscher bis zur ärmsten Ecke der Welt, dem irakischen Markt. Dort gab es Rolex, 100% echt Plastik. Und manche hatten nicht mal das. Viele hatten unvorstellbare Wege zurückgelegt, um das letzte, was ihnen noch blieb, zu Geld zu machen.

Dort habe ich gelernt, dass man Fleisch ohne Kühlung essen kann und wie man erkennt, wenn einer das Grüne einfach abwäscht. Ich habe russischen Sekt getrunken, der verdächtig nach vergorenen Äpfeln schmeckte, und im Kaufhaus in einem Schick wühlen können, den man schon zu Lenins Zeiten trug. Es war eine wunderbare Zeit, weil es auch mindestens 20 Sorten Knödel gab und Früchte von Händlern am Straßenrand, die noch wie Früchte schmeckten. Das Schwein hat heute morgen noch in meiner Küche gesessen, sagte der Händler - und nur der Kohl im Winter, der war einem bald über, weil es auch zwanzig Zubereitungen gab und sonst nichts. Feine Gemüse hielten die strengen Winter nicht aus.

All das wandelt sich so schnell, dass es schon nicht mehr wahr ist.

Denn jetzt finde ich Bilder aus Kiev, die heute so aussehen wie Polen damals. z.B. der Waschmittelladen oder das Haushaltswarengeschäft. Ich erinnere mich auch noch an den Wert von westlichen Plastiktüten, die man hütete wie den Augapfel und auswusch und auf der Leine trocknete. Man ging schick damit einkaufen, Kinder gaben in der Schule damit an oder man hatte schlicht keine anderen Behältnisse als das, was die Westler wegwarfen.

Als ich in Polen damals einkaufte, wo es im Winter keinen Salat gab, hatten sie in Kiev oft eine Woche lang kein Brot.
Und Warschau erkenne ich auch nicht wieder. Das gute alte "Centrum", in dem ich mir Haarspangen und Hüte besorgte, ist heute eine ultralange, immense Werbefläche geworden, bestückt aus eben den Ländern, die heute am lautesten über Krisen jammern.

2 Kommentare:

  1. Diese Reise durch die alten Kaufläden kann ich mir lebhaft vorstellen, Petra. Manchmal wird damit ja sogar wieder Reklame gemacht - mir fällt diese pommersche Gutsleberwurst ein. Ich habe unsere Polin übrigens gefragt wegen der vergorenen Barszcz-Soße (ich hoffe, ich habe das jetzt richtig geschrieben): Sie meinte: In Polen kriegt man das oder in polnischen Läden.

    Herzlichst
    Christa

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  2. Danke fürs Fragen, Christa - dann muss ich es halt wieder selbst ansetzen...
    Herzlichst,
    Petra

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