Leberkrise

Andere Leute haben eine Klimakrise. Neuerdings ist es sogar hip, an einer Wirtschaftskrise zu leiden. Ich gäb' was drum, wenn es mir so gut ginge!

Der gestrige Silvester ist nämlich ein wenig verunfallt. Der verdammte Champagner vom verdammten Billigdiscounter war schlecht. Er kam mir gleich so verdächtig vor, viel zu viel Kohlensäure, schon nach dem Anstoßen wollte man nur noch aufstoßen. Aber was macht man nicht alles in Zeiten einschneidender Sparmaßnahmen: Man säuft das Zeug runter, ohne Rücksicht auf Verluste.

Die Rache folgte schon nach einem Glas. Einige von uns zeigten Symptome, als habe der Klimawandel im Esszimmer Stürme im Wasserglas entfesselt. Chinesische Gesichtsfarbe überrannte die Schwächsten. Ich hätte beinahe ein umfassendes Krisenmanagement in Form eines handgearbeiteten Nüssli aus einheimischer Ökoproduktion vorgeschlagen. Hatte aber zu kämpfen, dass die Aktienkurse des vermeintlichen Edelgesöffs nicht unkontrolliert nach oben stiegen. Wir trennten uns etwas bleich. Ich wünschte meinen Gästen, dass sie nicht unter die Räder kämen in diesen harten Zeiten.

Heute morgen war es dann so weit. Leberkrise. Crise de Foie. Schlimmer als sämtliche Klimakrisen, Wirtschaftskrisen und der deutsche Waldschadensbericht zusammen. Unter dem rechten Rippenbogen drückt ein sonst unbeachtetes Organ, als sei es auf dreifache Hirngröße angewachsen und würde gleich beginnen, Reden zu halten. Beim Entsorgen des Partymülls, aus dem die Austernschalen miefen, blitzt spontan der Gedanke auf, man würde sich in diesem Erdenleben ohne Ballast viel wohler fühlen - und könne gleich mit den eigenen Innereien anfangen. Die Spiegel werden mit grünen Tüchern verhängt. Eine Kaffeeliebhaberin erwägt ernsthaft, es einmal mit Kamillentee zu versuchen. Das stille Wasser gibt dem ätzenden Sodbrennen Saures. Andere Symptome würden sich nicht angenehm lesen.

Ein Horrorgedanke tickt im Schädel: Wäre ich eine ordentliche Deutsche, hätte ich enthaltsam gelebt. Mein Emigrantenteufelchen widerspricht: Eine Leberkrise kommt nicht vom Saufen, sondern auch vom Essen. Wie soll man da trocken bleiben? Ganz Frankreich leidet an dieser Epidemie, regelmäßig nach Festtagen. Es gehört sozusagen zum guten Ton, spätestens an Neujahr mit einer Leberkrise aufzuwachen! Selbst wenn sich regelmäßig die Ärzteschaft Europas darüber kaputt lacht, auch eine eingebildete Krankheit kann schaurig schmerzen.

Und wenn ein verdammter Billigchampagner aus einem verdammten Billigdiscounter partout eine zweite Flaschengärung beginnen will und Menschlein das nicht verträgt, dann bedeutet das doch nur, dass die Menschheit noch nicht reif ist für so einschneidende Sparmaßnahmen! Die wollen uns doch nur Luftblasen für ein Prickeln vormachen!

Wir wussten gestern nicht, was die Kanzlerin zum Neujahr gegen Krisen vorschlug und welchen Champagner sie sich leisten kann. (Vielleicht die alte Witwe Cliquot?) Für den kleinen Mann auf hohen Schuhen hatten wir jedenfalls nur beißenden Spott übrig, weil er jetzt mit seiner Bat-Woman die ganze Welt retten will. Vielleicht eilt er demnächst sogar herbei als Retter aus der Diktatorenkrise? Egal, Sex sells. Die Deutschen sollen mal nicht so genussfeindlich tun. Konjunkturpakete und Rettungsfallschirme wären eindeutig bei geilen Voyeuren und Viagrarentnern am besten aufgehoben.

Falls sich jemand wundert, warum dieser Beitrag so unkontrolliert zerfasert und keine Pointe hat: Auch das ist ein Symptom der Leberkrise. An Neujahr beherrschen wir in Frankreich nämlich das, was Deutsche mühsam in Selbsterfahrungsseminaren pauken. Wir denken mit dem Bauch.

9 Kommentare:

  1. Liebe Petra,

    ich wünsche alsbald umfassende Genesung und ein ganz tolles 2009!

    Dieses Blog gehört nun zu meiner regulären Lektüre. Und: Ein Hinweis zu den angedachten Schreibkursen: Mich würden zwei Themen interessieren: Motivation (ohne Zusatzpunkt Kreativität, denn die stellt sich bei Motivation von selbst ein). Und "Umgang mit Verlagsmitarbeitern in markanten Situationen". Beispiel: Was mache ich, wenn ich merke, dass etwas fachlich ungeschickt aufgezogen wird und ich andererseits höre/merke, dass man sich besser nicht dazu äußert, weil ein Autor immer sofort als "Diva" gilt? Was mache ich, wenn auf Hinweise nicht reagiert wird? Etc etc. Solche Fragestellungen haben mich extrem beschäftigt und durch (scheinbare?) Unlösbarkeit die, klingeling, Motivation geraubt.

    Liebe Grüße,
    Christine

    AntwortenLöschen
  2. Wobei ich, liebe Petra, Gedanken rund um die "Diva" eigentlich ablehne. Wenn man keine sachliche Kritik verknusen kann, dann ist es doch für den Popo. Kein gutes Arbeitsverhältnis kann funktionieren, wenn eine Seite immer gleich schmollt und herabgesetzt fühlt. Von Autoren erwartet man ja schließlich auch (zu Recht), dass sie verbessern. Und trotzdem muss man damit leben. Es ausbaden. Also endet es wieder beim Stichwort Motivation.

    AntwortenLöschen
  3. Hallo Christine,
    danke! Und keine Angst, genesen bin ich; kein Mensch, der sich wirklich so fühlt, schreibt gleichzeitig Satire. ;-) Es juckte mir regelrecht in den Fingern angesichts der Krisenjammerei einiger, mich über die Leberkrise lustig zu machen, die tatsächlich Frankreichs Volkskrankheit Nr. 1 ist, medizinisch aber gar nicht existiert (man kann auch nach einem Fest seine Leber nicht spüren).

    Das Gesöff, das ich mir zum Begießen meines Vertrags gegönnt habe, war leider wirklich allerletzte Sahne (Sodbrennen und das Unvermögen, am nächsten Tag zu essen, echt), aber das sehe ich als gutes Zeichen an...

    Nun, Motivation und Kreativität sind gekoppelt bei Menschen, die ihre Kreativität bereits ausleben. Leider verschütten viele aber ihre Kreativität oder glauben sogar von sich, sie seien gar nicht kreativ. Da nützt dann Motivation allein nichts.

    Was den Umgang mit Verlagsmitarbeitern betrifft - da empfehle ich immer heiß und innig, sich einen Agenten zu nehmen. Die haben ein breites Berufskreuz und nehmen "Markantes" als Prellbock auf sich, sind Meister der Diplomatie. Eine Agentur kostet zwar Provision vom Honorar, ist aber Gold wert. Sie spart Zeit, Nerven, Gedanken an Geschäfts- und Juristereikram und jede Menge Seminare über den Umgang mit Kunden / Mitarbeitern.

    Hat man keinen Agenten, empfehle ich immer drei Dinge im Handwerkskasten: Fingerspitzengefühl, Empathie (sollten Autoren haufenweise haben) und Wertschätzung des Gegenüber - beim gleichzeitigen diplomatischen Aufzeigen der eigenen Grenzen.

    Wenn man sich unsicher ist, im Kopf die Rollen umdrehen: wie würde ich reagieren, wenn der andere das mit mir machte?

    Praktisches Beispiel: Ich hatte mal bei einer Werbeproduktion mit einer Grafikerin zu tun, die Mist baute, üblen Mist - und mit einem Foto drohte, meinen Artikel ad absurdum zu führen. Jetzt kann ich nicht zu einer mir fremden Grafikerin sagen: "Studiernse noch mal, sie machen Müll!" Ich will ja auch nicht, dass mir Grafiker sagen, ich könne nicht schreiben.

    Also Ursachenforschung, vorsichtig Kollegen gefragt, wie es zu dem Foto kam. Kam raus, die Frau war wirklich nicht so ganz vom Fach, aber keine andere verfügbar (=bezahlt). Plus völlige Überlastung. Die Frau rotierte an ihrem Arbeitsplatz, weil der Chef Geld sparte.

    Also drehe ich den Spieß um und zeige Verständnis für die scheußliche Arbeitssituation der Frau und frage sie, wie ich ihr helfen kann und ihr Arbeit abnehmen. Ich hatte längst eine Auswahl von vierzig Fotos auf der Festplatte und habe ihr die rübergeschoben, als sie dankend annahm. So bekam mein Artikel ein von mir ausgesuchtes Foto und alle Beteiligten waren glücklich.

    Das nur als klitzekleines Beispiel, Patentrezepte gibt es so wenige wie es viele unterschiedliche Menschen gibt. Ich selbst setze immer auf Kommunikation, ruhig auch sachlich über Dinge reden, die nicht funktionieren oder die einen belasten. Dilpomatisch... nicht "das ist so", sondern "ich empfinde das so..." Konstruktiv Lösungen suchen.

    Und wenn das alles nichts hilft, nützt im rechten Moment die Faust auf dem Tisch - aber wie gesagt, Agenten haben härtere Knochen und man selbst kommt nicht in den Geruch, ein Schläger zu sein. ;-)

    Schöne Grüße,
    Petra

    AntwortenLöschen
  4. Liebe Petra,

    es fällt tatsächlich unter "wenn das nichts nützt", denn ich habe mir den Mund faserig geredet auf menschlich-freundlicher Ebene und alles, was dabei rauskam, war wohl der Eindruck, ich würde "das Gespräch suchen"... Also habe ich kurz und sachlich mitgeteilt, was im Argen liegt, was dann wiederum als "unfreundlich" empfunden wurde. Bis ich irgendwann schreiend in die Tischkante biss und schnaufend mitteilte, dass ich mich jetzt rausziehe, weil ich so nicht arbeiten könne.
    Agent.
    Okay.
    Und was macht man, wenn dieser (rein hypothetisch) mitteilt, dass man alles hinnehmen müsse? Dann verschiebt sich die Problematik nur auf eine andere Ebene.

    Wunderbare Grüße,
    Christine

    AntwortenLöschen
  5. Nun, Christine, ein Agent ist dein Interessensvertreter, wird sich also um deine Belange kümmern - natürlich mit einer anderen Erfahrung und anderem Hintergrundwissen als du. Wie in jedem Geschäftsverhältnis dieser Welt wird er "nach billigem Ermessen" abwägen wie der Anwalt sagt, zu deutsch: im fairen Umgang ALLER Parteien miteinander.

    Sollte er also durch seine Kenntnis der Lage zum Schluss kommen, dass du akzeptieren musst, wird er recht haben, dir aber gern die Gründe erklären. In Einzelfällen wurden bei üblen "Unfällen" auch schon mal Verträge in beiderseitigem Einverständnis zwischen Verlag und Autor gelöst. Aber dann bekommt man so schnell auch keinen zweiten mehr dort.

    Tatsache ist, dass sich leider sehr viele Autoren, vor allem unerfahrene, wirklich wie Diven oder Zicken benehmen (ich höre aus Verlagen Geschichten, wo ich jeden Lektor für seine Eselsgeduld bewundere). Und viele dieser Autoren bilden sich leider auch viel zu viele Rechte ein. Am liebsten würden sie noch ihr Cover selbst malen...

    Da hilft manchmal ein kurzer Blick in den Vertrag! Bücher sind ab Produktion Teamwork. Der Autor liefert Text. Zur Professionalität gehört u.a., nach Abgabe des Textes, sofern dieser nicht grundlegend verunstaltet wird, loszulassen. Wenn sich dann die Maschinerie aus Grafik, Vertrieb und was es alles gibt, um das Produkt kümmert, müssen immer Kompromisslösungen innerhalb der Abteilungen erarbeitet werden - und der Verlag hat das Sagen, denn er trägt auch das wirtschaftliche Risiko! (Man kann vertraglich z.B. Mitspracherecht beim Cover vereinbaren, aber das geht auch nur im Rahmen des Verlagsdesigns).

    Sagen wir es mal knallhart: Die wenigsten Autoren haben Ahnung von Design, Werbung, Vertrieb etc. Ein bißchen sollte man also Leuten auch vertrauen, die diese Berufe erlernt haben.

    Wer damit nicht leben kann, dass ein Buch ein Gemeinschaftsprodukt dieser Art ist, sollte im Eigenverlag selbst drucken...

    Das gilt jetzt allgemein, nicht auf deinen Fall bezogen, den ich nicht persönlich kenne und auch nie öffentlich besprechen würde.

    Schöne Grüße,
    Petra

    AntwortenLöschen
  6. jetzt weiß ich warum ich frankophil bin: Leberkrise und kleiner Mann mit hohen Schuhen! Das ist besser als Wirtschaftskrise, runter gezogene Mundwinkel und Hosenanzug :-)

    AntwortenLöschen
  7. Hahaha... und wir haben ja auch noch unsere Carla! Die kann sogar singen, wenn nix mehr geht ;-)

    AntwortenLöschen
  8. Liebe Petra,

    Deine Antwort ist die weiseste, die Du geben kannst. Meine hochpersönliche Situation werde ich ganz sicher nicht hier besprechen. Was ich ausdrücken wollte: Neutral betrachtet findet man Diven nicht nur auf der Autorenseite. Das wird aber anders gewertet. So wie "Männer sind dynamisch, Frauen sind hysterisch". Oder "Männer haben Durchsetzungsvermögen, Frauen sind zickig." Oder "Autoren halten Abgabetermine nicht ein (= Schlampen), Verlagsmitarbeiter sind überlastet (= arm dran).

    Aber das gehört gar nicht hierher, es war nur ein Hinweis zu den von Dir angedachten Schreibkursangeboten.

    Eine Leberkrise kann man übrigens durchaus körperlich empfinden, auch wenn die Schulmedizin etwas anderes sagt. Frag mal jemanden, der eine Fischvergiftung hatte, wo es weh tat. Rechts unterm Rippenbogen ;-)

    Feine Grüße,
    Christine

    AntwortenLöschen
  9. So wie "Männer sind dynamisch, Frauen sind hysterisch". Oder "Männer haben Durchsetzungsvermögen, Frauen sind zickig."
    Du lebst aber in einer komischen Welt! ;-)

    AntwortenLöschen

Deine Sicherheit:
Mit restriktiven Browsereinstellungen kannst du nur als "Anonym" und mit "Namen / URL" kommentieren. Möchtest du dein Google-Profil verwenden, musst du aktiv im Browser unter "Cookies von Drittanbietern" diejenigen zulassen, die nicht zur Aktivitätenverfolgung benutzt werden. Nur so kann das System dein Profil nach Einloggen erkennen.

Mit der Nutzung dieses Formulars erkläre ich mich mit der Speicherung und Verarbeitung meiner Daten durch Google einverstanden (Infos Datenschutz oben im Menu).
(Du kannst selbstverständlich anonym kommentieren, dann aber aus technischen Gründen kein Kommentarabo per Mail bekommen!)

Spam und gegen die Netiquette verstoßende Beiträge werden nicht freigeschaltet.

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Powered by Blogger.