Montparnasse und Montmartre
Was lange währt, wird manchmal doch noch. Ich habe sie längst aus meinem Kopf verdrängt, aber nun ist meine erste Buchübersetzung im Handel, wie mir eine Amazonkundin per Twitter verriet.
Das Projekt war wie auf mich zugeschnitten - Leib- und Magenthema Avantgarde. Trotzdem war es ein absolutes Abenteuer für mich, nach der Arbeit für die freie Wirtschaft und für EU-Projekte in die Verlagsarbeit zu wechseln, die ein sehr viel einsameres Arbeiten bedeutet. Den 600-Seiten-Wälzer zu bewältigen, war durchaus eine Übung in Selbstdisziplin. Abenteuerlich war es auch, weil der Autor ein sehr eigenes Französisch hat, und weil er große Passagen aus der Literatur des beginnenden 20. Jahrhunderts zitiert. Das hatte ich zunächst auf die leichte Schulter genommen - mindestens bei Suhrkamp würde ich alles in Übersetzungen finden - es wäre also schlicht einzufügen. Dachte ich.
Denkste. Es ist unwahrscheinlich, wie viele Klassiker, wie viel französische Literatur, nie ins Deutsche übersetzt wurden oder nur in uralten, nicht mehr zeitgemäßen Übersetzungen vorliegen. Max Jacob ist ein solcher in Deutschland völlig verkannter Dichter, wahrscheinlich hat man ihn wie so viele jüdische Literaten, deren Texte im Dritten Reich verboten wurden, irgendwann vergessen. In einigen Fällen hat die fleißig recherchierende Lektorin Teile meiner Klassikerübersetzungen dann doch noch mit vorhandenen Übersetzungen ersetzen können - das macht man so, weil jene "offiziellen" Übersetzungen in Schulen und damit bei den Lesern eher bekannt sind.
Trotzdem blieb noch genug übrig, womit sich die Anfängerin in Sachen literarische Übersetzung graue Haare züchten konnte. Ich erinnere mich noch gut an meinen weinerlichen Hilferuf bei einem Kollegen des Englischen: "Sag mal, bin ich schlecht? Ich mache schon zwei Tage an einem einzigen Gedicht rum, das kann doch nicht sein, zwei Tage für die paar Zeilen!" Wohlwollend lachte er über mich und bestätigte, dass das gestandenen Kollegen auch nicht besser ginge, man könne nicht von jeder Sorte Text zehn Seiten am Tag "herunterreißen". Der Herr, der mich so gebeutelt hatte, heißt Guillaume Apollainire. Mit einem seiner Gedichte in der Tasche bin ich eine Woche lang auf den Hundegängen unterwegs gewesen, habe es immer wieder rezitiert, immer wieder anders betont, bis ich glaubte, Klang und Bedeutung einigermaßen im Deutschen nachdichten zu können.
Solches Stückwerk in einem erzählten Sachbuch ist besonders schwer, weil man nicht die gleiche Textmenge hat, um sich in den Ton und Duktus eines Autors hineinzufinden. Für Dan Francks Eigenarten hatte ich Zeit genug. Irgendwann verschmilzt man so mit dem Autor, dass man im Voraus ahnt, welche Art Witz er reißen wird, wie er seine Rhythmen setzt und wann er sprachlich versagt. Was aber macht man, wenn man nie André Breton im Original gelesen hat und nun aus halbseitigen Fragmenten erfühlen muss, wie sich seine Sprache nachbilden ließe? Und zeigt man den Lesern, dass Picasso in seinen ersten Briefen wie eben ein sprachunkundiger Emigrant ein Kauderwelsch-Französisch voller Fehler schreibt? Oder muss man das Genie wie in Ausstellungskatalogen schönen, seine Sprache unauffällig glätten? Ebenso führt Franck den Dichter Apollinaire vor, den berühmten Literaten, den die Mutter mit ihren grauenhaften Grammatik- und Rechtschreibfehlern ermahnt, er solle korrekter schreiben. Sie macht Fehler, über die nur Franzosen lachen können. Welche Fehler müsste sie im Deutschen machen, damit der gleiche Effekt erzielt würde und der Text trotzdem nah genug abbildete, was ihre Eigenheit war?
Nun, es ist vollbracht und ich warte natürlich gespannt auf meine Belegexemplare. Und ich habe Gefallen gefunden am Übersetzen von Büchern ...
Dan Franck: Montparnasse und Montmartre. Künstler und Literaten in Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Parthas Verlag Berlin. Übersetzerin: Petra van Cronenburg
Das Projekt war wie auf mich zugeschnitten - Leib- und Magenthema Avantgarde. Trotzdem war es ein absolutes Abenteuer für mich, nach der Arbeit für die freie Wirtschaft und für EU-Projekte in die Verlagsarbeit zu wechseln, die ein sehr viel einsameres Arbeiten bedeutet. Den 600-Seiten-Wälzer zu bewältigen, war durchaus eine Übung in Selbstdisziplin. Abenteuerlich war es auch, weil der Autor ein sehr eigenes Französisch hat, und weil er große Passagen aus der Literatur des beginnenden 20. Jahrhunderts zitiert. Das hatte ich zunächst auf die leichte Schulter genommen - mindestens bei Suhrkamp würde ich alles in Übersetzungen finden - es wäre also schlicht einzufügen. Dachte ich.
Denkste. Es ist unwahrscheinlich, wie viele Klassiker, wie viel französische Literatur, nie ins Deutsche übersetzt wurden oder nur in uralten, nicht mehr zeitgemäßen Übersetzungen vorliegen. Max Jacob ist ein solcher in Deutschland völlig verkannter Dichter, wahrscheinlich hat man ihn wie so viele jüdische Literaten, deren Texte im Dritten Reich verboten wurden, irgendwann vergessen. In einigen Fällen hat die fleißig recherchierende Lektorin Teile meiner Klassikerübersetzungen dann doch noch mit vorhandenen Übersetzungen ersetzen können - das macht man so, weil jene "offiziellen" Übersetzungen in Schulen und damit bei den Lesern eher bekannt sind.
Trotzdem blieb noch genug übrig, womit sich die Anfängerin in Sachen literarische Übersetzung graue Haare züchten konnte. Ich erinnere mich noch gut an meinen weinerlichen Hilferuf bei einem Kollegen des Englischen: "Sag mal, bin ich schlecht? Ich mache schon zwei Tage an einem einzigen Gedicht rum, das kann doch nicht sein, zwei Tage für die paar Zeilen!" Wohlwollend lachte er über mich und bestätigte, dass das gestandenen Kollegen auch nicht besser ginge, man könne nicht von jeder Sorte Text zehn Seiten am Tag "herunterreißen". Der Herr, der mich so gebeutelt hatte, heißt Guillaume Apollainire. Mit einem seiner Gedichte in der Tasche bin ich eine Woche lang auf den Hundegängen unterwegs gewesen, habe es immer wieder rezitiert, immer wieder anders betont, bis ich glaubte, Klang und Bedeutung einigermaßen im Deutschen nachdichten zu können.
Solches Stückwerk in einem erzählten Sachbuch ist besonders schwer, weil man nicht die gleiche Textmenge hat, um sich in den Ton und Duktus eines Autors hineinzufinden. Für Dan Francks Eigenarten hatte ich Zeit genug. Irgendwann verschmilzt man so mit dem Autor, dass man im Voraus ahnt, welche Art Witz er reißen wird, wie er seine Rhythmen setzt und wann er sprachlich versagt. Was aber macht man, wenn man nie André Breton im Original gelesen hat und nun aus halbseitigen Fragmenten erfühlen muss, wie sich seine Sprache nachbilden ließe? Und zeigt man den Lesern, dass Picasso in seinen ersten Briefen wie eben ein sprachunkundiger Emigrant ein Kauderwelsch-Französisch voller Fehler schreibt? Oder muss man das Genie wie in Ausstellungskatalogen schönen, seine Sprache unauffällig glätten? Ebenso führt Franck den Dichter Apollinaire vor, den berühmten Literaten, den die Mutter mit ihren grauenhaften Grammatik- und Rechtschreibfehlern ermahnt, er solle korrekter schreiben. Sie macht Fehler, über die nur Franzosen lachen können. Welche Fehler müsste sie im Deutschen machen, damit der gleiche Effekt erzielt würde und der Text trotzdem nah genug abbildete, was ihre Eigenheit war?
Nun, es ist vollbracht und ich warte natürlich gespannt auf meine Belegexemplare. Und ich habe Gefallen gefunden am Übersetzen von Büchern ...
Dan Franck: Montparnasse und Montmartre. Künstler und Literaten in Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Parthas Verlag Berlin. Übersetzerin: Petra van Cronenburg
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