Verlogene Geschichten

Schreiben Sie über Tiere, das ist was fürs Herz und wird immer gekauft! So lautete einmal ein Ratschlag während meiner Volontärsausbildung. Eine Menge Kollegen scheinen darauf gehört zu haben, denn Knut bringt Knete und die herzallerliebsten Tierärzte und Tierärztinnen im Fernsehen sind Legion.

Aber selbst mein Hund, der Tierdokus bei ARTE und Rosamunde Pilcher bevorzugt, schläft dabei gnadenlos ein, weil die Tierlaute nicht zu den Bildern passen oder von satten Langweilern stammen müssen. Ich dagegen staune: Da rennt und fleucht es ohne Halsband und Leine, aber immer nach Knigge - und Affen hören besser auf Mensch als die eigene Schwiegermutter. Tierarztbesuche wirken wie eine Kreuzung aus Wellnessaufenthalt und geistlichem Beistand, am liebsten möchte man einmal wöchentlich einen absolvieren oder gleich Tierarzt werden. Oder Assistentin, um sich in den feschen Klinikleiter zu verlieben...

Nicht dass meine Tierärztin nicht auch zum Verlieben wäre - Rocco steht auf sie ganz besonders. Aber der Rest dieser Tierarztgeschichten ist Kolportage. Dreiste Lüge.

Wir haben uns vorhin zwecks Impfung einen Luxusaufenthalt in unserer Luxusklinik gegönnt. Inzwischen kann man dort auf dem Flachbildschirm Videoanimationen anschauen, die von sämtlichen Pharmafirmen des Landes gesponsert sind. Rocco liebt den falschen Hund, der beim Schütteln alle Haare verliert, weil Herrchen sich das Flohpuder gespart hat, und verbellt die Pixelkatzen. Ich finde die Riesenzecken und Darmparasiten einfach geil, herrliche Monster. Aber nach der dritten Endlosschleife finde ich, ich hätte mit Termin genug gewartet.

Und dann die anderen Wartenden... Kommen zwei mit Riesenkater auf dem Arm und wollen das flusige Vieh frei laufen lassen. Ich vorsichtig: "Sehen Sie meinen Hund?" (Schäferhundgröße). Er überlegt, sie überlegt, Rocco tropft der Zahn. Schließlich kommt Katerchen doch in die Box. Ruhe kehrt ein. Dreht er die Öffnung der Box zu Rocco. Kater starrt. Rocco starrt. Ich höflich: "Das ist jetzt vielleicht keine so gute Idee, mein Hund hasst Katzen." Er ganz freudig: "Och, das macht nichts, mein Kater hat keine Angst und der will den Hund anschauen. Und der Hund hat Angst?" Ich frecher: "Nein, der hat keine Angst. Katzen sind für ihn Nahrung, Futter." Roccos Zahn tropft, er ist kaum zu halten. Sie zu ihm: "Du, vielleicht ist es doch besser, ihn zu drehen. Was muss Katerchen sonst denken!" Tja, was muss der wohl denken über solche Menschen?

Ewiges Warten wegen Notfall, 24 Grad im Schatten draußen und die Klimanlage ist schlicht nicht eingeschaltet. Nach einer Stunde kommt endlich eine Assistentin auf die glorreiche Idee, den richtigen Knopf zu betätigen. Ich mach es kurz und schmerzlos: Mag ja sein, dass man gewisse Tiere ohne Leine apathisch neben sich setzen kann, wenn von links das Hamsterchen müffelt und rechts die Katze keift. Mein Rocco kann das nicht. Und wenn er weiß, dass er zur hübschen Ärztin soll, hört er auch nicht mehr auf mich.

Die Menschin versucht derweil die Befehle in drei Sprachen (normalerweise spricht er Französisch), untermalt von leckeren Belohnungen, die achtlos auf dem Boden liegen gelassen werden. Wozu Trockenfutter, wenn überall Lebendfutter platziert ist! Außerdem muss man diesen fiesen, gefährlich dreinblickenden Dobermann am Stachelhalsband so richtig verbellen. Dobermann bellt mit. Im gesamten Wartezimmer fallen Menschenohren zu. Rocco bellt besser. Ob's an seinem tiefen Riesenmaul oder an der richtigen Sängeratmung liegt, weiß ich nicht. Aber er probt ja bei mir im Treppenhaus, Resonanzkörper zu nutzen.

Das Bellen stoppt dann auf natürliche Weise. Der Dobermann zieht den Schwanz ein und zittert zwischen Herrchens Beinen. Für Herrchen bricht eine Welt zusammen, mit untertassengroßen Augen starrt er das Weib an, dessen Hund sich erdreistet... Aber das Weib ist da schon völlig nass geschwitzt, bringt die Impfung wie im Alptraum hinter sich und verlässt die Tierklinik keuchend. Neben ihr eine Mischung aus Beauceron und belgischem Schäferhund, die irgendwie größer geworden ist und einen seltsamen Macho-Blick drauf hat...

2 Kommentare:

  1. Na, das ist doch nun wirklich eine schöne, realitätsnahe Tiergeschichte, nur leider wirklich, wie du einführend schon schreibst, nicht verfilmungstauglich. Was sollen denn die netten Zuschauer denken, wenn Tiere sich so anrüpeln? Die sollen doch brav und niedlich sein und überhaupt ... und überhaupt sollen sie sich so benehmen wie die netten Ärzte und Rechtsanwälte und Förster und Polizeibeamte, die man auch aus dem TV kennt. Punkt.

    Irgendwie war mein Tierarztbesuch vor zwei Wochen ähnlich, nur dass mein "wilder Welpe" (5 Monate alt und schon fast tischhoch) seither schreckliche Angst vor allen Katzen (sind alles "Riesenmonster", jawohl!) hat.

    Herzlichen Gruß aus dem Odenwald
    Elke

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  2. Jaaaa, mein Volontärslehrer hatte recht! Schreib über Tiere oder das Wetter und du bekommst Leserbriefe. Jetzt muss mir nur noch etwas über das Wetter einfallen...

    Herzliche Grüße,
    Petra

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