Möchtegernabwimmeln

Liest man so kurz vor der Buchmesse die Feuilletons, könnte man meinen, irgendwer habe einen Wettbewerb zum fröhlichen "Möchtegernabwimmeln" in der Buchbranche ausgerufen. Allerdings ist das auch kaum verwunderlich, denn wie in jedem Jahr werden sich wieder all die hoffnungsvollen Laiinnen und Laien auf die Verlagsstände stürzen, einen dicken Packen ausgedruckten Papiers unterm Arm, aber keinen Termin in der Tasche. Und wie jedes Jahr werden sie dann wieder laut weinen, dass man sie nicht erhört habe und all die seit Monaten angemeldeten Hausautoren und Agenten und Branchenkollegen vorzog.

Es ist aber auch ekelhaft. In einer Zeit, in der selbst Tante Erna glaubt, Schriftstellern im Publikumsverlag sei ein nettes Hobby, für das man sich bei KiKa live qualifizieren könne, kommt man schlecht an mit der Professionalisierungskeule in der Hand. Selbst mein Vergleich zu Solopianisten, Dirigenten, Schauspielern und Opernsängern wird oft nur noch mit einem gelangweilten Gähnen quittiert. Denen glaubt man nämlich auch längst nicht mehr, dass man für diesen Beruf etwas lernen und noch mehr trainieren muss. Wenn diese Leute doch wenigstens eine gesunde Selbsteinschätzung hätten und es mit Self Publishing versuchten! Die Verlage wären entlastet.

Und wenn doch die wirklichen Talente sich besser darstellten, besser vermitteln oder verkaufen könnten! Denn auch das gibt es: jede Menge wirklich guter Bücher, die nicht angenommen werden. Die Gründe sind vielfältig und kaum im Einzelnen zu analysieren. Jeder von einer Agentur vertretene Profi weiß: Auf ein veröffentlichtes Buch kommen mehrere Absagen bei der Konkurrenz. Es gibt mehr Menschen, die "Bücher" schreiben, als Programmplätze vorhanden sind. Absagen - vorausgesetzt das Manuskript ist tatsächlich gut - kommen aus unterschiedlichen Gründen zustande: Man hat sich beim unpassenden Verlag beworben, beim Lesen des Exposées schlafen einem die Füße ein, die Lektorin hatte Krach mit ihrem Liebsten, das Manuskript passt nicht ins aktuelle Programm, der Programmchef hat am Vorabend zu viel gesoffen, der Programmplatz wurde gerade an einen Kollegen mit einem zu ähnlichen Thema vergeben, der Autor hält sich nicht an Einsendeformatierungen und und und.

Mein Erstlingsmanuskript wurde von einem Alkoholiker, der Erstlingsautoren und insbesondere Frauen hasste, im Vollsuff im Verlag weggeschlossen. In dem gleichen Verlag, der ein Jahr später dieses Buch herausbrachte, nachdem ich nicht locker ließ und mich noch zwei mal dort bewarb. Als ich den Vertrag unterschrieben hatte, erzählte mir der Programmchef, man habe erst kürzlich jenen Lektor fristlos entlassen und seine Schränke aufbrechen müssen. Aus einem fielen unzählige Erstlingsmanuskripte, darunter meins.

In einem meiner anderen Verlage schickte eine Frau ein völlig unzureichendes Exposée mit Leseprobe unverlangt ein. Bei einem Verlag, der so gut wie nie unverlangt eingesandte Manuskripte druckt, weil er genug Qualität verlangt bekommt. Diese Frau hat so ziemlich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Aber eine Zeichnung fiel der Lektorin ins Auge. Sie rief die Autorin an, ob sie noch einmal ein ordentliches Exposée verfassen könne. Das Buch wurde in Nullkommanichts zum Bestseller, inzwischen sogar verfilmt. Es ist eins der am besten verkauften Bücher im Verlag.

Was ich mit diesen Geschichten sagen will: Es ist ein Höllengeschäft. Es ist brutal, eiskalt, verrückt, herzenswarm, high-machend, fordernd, glücksspielartig und manchmal eine Karikatur seiner selbst. Schreibenkönnen allein reicht nicht in diesem Geschäft. Vorhersagen zu treffen, ist idiotisch. Ein und dasselbe Manuskript kassiert die dämlichsten Absagen, hat bei Schönwetter keine Chancen und überzeugt an einem kalten Regentag plötzlich doch einen Verlag. Wie aber besteht man nun in diesem verrückten Beruf, den manche mit Fingerschnipp beherrschen wollen und den man ein Leben lang mühsam erlernen muss?

Die SZ gibt launige Einsteigertipps, indem sie mit den sechs komischsten Typen bekannt macht, mit denen Buchautoren auf dem Weg zum ersten veröffentlichten Werk zu tun bekommen. Nicht so gönnerhaft-altväterlich, aber durchaus mit Humor untersucht die NZZ in einem äußerst fundierten und tiefgründigen Artikel, wie es dazu kommt, dass nicht alle Manuskripte bei einem Verlag landen. "Die Tempelwächter" ist einer der besten Artikel über unseren Beruf, den ich seit langem gelesen habe. Wer mit diesem Beruf liebäugelt oder wer sich fragt, wie er ihn auf Dauer überleben kann, der sollte diesen Artikel dringend lesen!

8 Kommentare:

  1. Nur eine ganz winzige Anmerkung. Es ist nicht richtig, das ein Verlag "mein Verlag" des Schriftstellers/innen ist. Auch hat ein Künstler keine Galerie. Es verhält sich genau andersherum, da der Artist der Abhängige ist.

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  2. Na ja, Sprachgebrauch halt!

    "Mein Mann" ist ja auch nicht in meinen Besitz übergegangen, wir haben "nur" ein gegenseitiges Vertragsverhältnis geschlossen.

    Ok, ein bisschen Emotion war und ist auch dabei!

    ;-)

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  3. Habe den Artikel verlinkt, Petra,
    weil er mich zum Nachdenken über das Schreiben angeregt hat.

    Herzlichst
    Christa

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  4. Recht haben Sie, Thomas Gatzemeier. Das ist das joviale badische "mein Verlag und nicht deiner, bei dem wo du...", das mir da öfter durchrutscht. ;-)
    Sabine, du kannst das auch mit "mein Mann" durchdeklinieren...
    Merci, Christa!

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  5. MEIN Deutschlehrer sagt, dass die Werbung den Sprachgebrauch beeinflusst. http://www.youtube.com/watch?v=U0MU-2_MuUE
    Solange er das Haus, Auto usw nicht bezahlt hat, gehört es der Bank. ;)

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  6. Wer als wildfremder Mensch mein Mailfach ungefragt mit über 5 MB Werbung fürs eigene Buch zuspammt, gerät auch hier auf die Spamliste - nur mal so zum Mitschreiben.
    So geht PR nicht nur nach hinten los, sondern sorgt auch für Unlust statt Kauflust. Zum Glück filtert mein Mailprogramm so etwas von vornherein aus, aber blogger lernt das auch noch :-)

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  7. Also ich habe allein 20 Jahre gebraucht, bis ich so viel gelernt habe, dass ich mit meinem Geschreibsel zufrieden war. Und? Ich will künsterlich noch einen drauflegen. Von wegen kann jeder...

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  8. Izzy, das imponiert mir!

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