Die kleinen Feinen
Noch liest jeder Leser im deutschsprachigen Raum, und in Krisenzeiten lesen sogar noch mehr. Was im amerikanischen Buchmarkt durch die Wirtschaftskrise erklärt wird, kann auf unseren Markt nicht 1:1 übertragen werden. Und doch gibt es auffallende Parallelen. "Die Stunde der kleinen Feinen" titelt die Frankfurter Rundschau heute.
Sie könnte auch im deutschsprachigen Raum schlagen. Allerdings - so erleben das Autorinnen und Autoren, aber auch Agenturen seit über einem Jahr - ist die hiesige Krise eine Strukturkrise. Die meisten KollegInnen haben es schmerzhaft zu spüren bekommen, manche, die nicht auf andere Einkünfte zurückgreifen konnten, hat es inzwischen restlos ruiniert: Irgendwie ist Sand im Getriebe der großen Verlagshäuser. Und das nicht erst seit der Wirtschaftskrise.
(Ich berichtete bereits 2008 über den Hunger nach Qualität und die Misere von AutorInnen, die ewig warten.)
Die Strukturkrise in der deutschen Verlagslandschaft ist hausgemacht. Mittlerweile klagen nicht nur AutorInnen darüber, dass in großen Verlagshäusern kaum einer mehr Entscheidungen oder Risiko nehmen mag und Ware außerhalb des Mainstreams fast keine Chance mehr hat. KollegInnen wagen es kaum, sich untereinander zu gestehen, unter welchen Bedingungen sie teilweise arbeiten müssen. Da scheint an manchen Arbeitsplätzen eine Eiseskälte eingezogen zu sein - aber es mangelt auch an Kompetenz und Identifikation mit den Büchern.
Wenn ich mich umhöre, schlucken AutorInnen die dicksten Klöpse, aus Angst, bei Aufmucken gar nicht mehr veröffentlicht zu werden. Die neueste Mode scheint solchen Berichten nach zu sein, dass Lektorinnen Texte regelrecht mit Korrekturen überziehen und es Fragen an der Textkompetenz der Autoren hagelt. Sind die Autoren schlechter geworden? Nein. Es handelt sich um den üblichen Dreh bei nur noch frei beschäftigten Lektorinnen, die zu solchen Superkorrekturen gezwungen werden. Sie müssen nämlich ihre Arbeit nachweisen - sonst sind sie weg vom Fenster und die Nachfolgerin rückt nach. Wie soll man an einem nahezu druckfeinen Text nachweisen, wie viele Stunden man lektoriert hat? Genau: Man hinterlässt Spuren. In Lektorenforen und ähnlichen Gruppen tauscht man sich über die geschicktesten Methoden des Überlebens aus. Hier geht es Verlagen nicht mehr um Bücher und schon gar nicht mehr um den Erhalt der Kreativität eines Autors. Das ist Unternehmens-Controlling, nicht Verlegen. Auf Kosten all derer, die Bücher schaffen.
In diesem Jahr nimmt die Misere sogar noch zu. Inzwischen klagen auch zahlreiche renommierte Agenturen, dass sich die großen Verlage nicht nur immer mehr Zeit für Entscheidungen lassen, sondern ganz offensichtlich nicht einmal mehr wüssten, was sie selbst wollten, wie ein Programm überhaupt aussehen könnte. Es kommt nicht überraschend. Solches Gebaren ist die logische Folge davon, wenn ein Unternehmen nur angebotsorientiert arbeitet statt bedarfsorientiert. Besser zu wissen, was Kunden wollen als diese - das führt in der freien Wirtschaft normalerweise sehr viel schneller zum Exitus.
Der Artikel in der FR zeigt deutlich, woran es auch in unserer Verlagslandschaft hakt: Aufgeblasene Strukturen, ein völlig überhöhter Hype um Promi- und Massenware auf Kosten wirklich gelesener Bücher (mit entsprechenden Investitionen) - und ich möchte das um einige Punkte ergänzen: zunehmend fehlende Unternehmensethik, Personalabbau, Outsourcing, Überhandnehmen von Konferenzen und Besprechungen mit elend komplizierten Entscheidungsstrukturen - und zunehmend mangelnder Verlegergeist.
In der Tat, die kleinen Feinen können sich solche Ressourcenverschwendungen nicht leisten. Die feinen Kleinen mit ihren winzigen Kreditspielräumen, ihrem schlanken Angestelltenstab und dem Zwang, sich gegen Massenware und laut Tönendes durchsetzen zu müssen - die müssen Risiko nehmen, die müssen alles auf eine Karte setzen. Sie müssen schnell handeln, hart arbeiten. Und sie müssen vor allem mit einer ungeheuren Verve an ihre eigenen Visionen und Bücher glauben. Sonst sind sie ganz schnell pleite, ohne dass ein großes Mutterhaus schnell wieder Geld hineinpumpt.
Und was tut eigentlich den Büchern besser? Der März ist der Monat der Jahresabrechnungen in den Verlagen. Die meinen sprechen seit Jahren eine deutliche Sprache: Die Größe eines Verlags sagt überhaupt nichts aus über den Erfolg eines Buchs. Bei mir - wie bei sicher vielen anderen auch - laufen diejenigen Bücher am besten, die vom Verlag am sorgfältigsten beworben und gepflegt werden. Es laufen diejenigen Bücher am besten, die vom Anfang der Produktion an sorgfältig und kompetent betreut wurden - und wo die Autorin den meisten Spaß beim Schreiben und im Teamwork mit dem Lektorat hatte. Es laufen die Bücher am besten, die einen wertigen Platz im Programm bekommen haben und nicht unter ferner liefen einfach auf den Markt gekippt wurden.
Aber so sehr ich der FR zustimmen möchte und mich auf das Kommen der feinen Verlage freue, die noch verlegerische Ideale, Bücher und Autoren pflegen - so sehr macht mir die Entwicklung Angst. Die Luft zum Atmen wird nämlich knapp. Buchhandelsketten, das Marktgebaren von Google, amazon & Co. und teilweise festgefahrene Strukturen im Feuilleton machen es den kleinen Feinen immer schwerer, sich durchzusetzen und bekannt zu werden. Das müsste schneller gehen, denn die Kleinen haben die Finanzkraft nicht. Der Mittelstand geht bekanntlich derzeit leer aus, wenn es Milliarden regnet. Auch Autoren können nicht ewig von Luft und Liebe zum Metier leben.
Hier liegt die größte Herausforderung in der Strukturkrise deutschsprachiger Verlage: Es fehlt eklatant an der Wahrnehmung der kleinen Feinen. Selbst der Literaturbetrieb wirft sich zunehmend dem lauten Promigeschrei und Superstar-Gehabe mit offenen Armen entgegen - während so manche verlegerische Perle nicht einmal mehr zur berühmten Sau findet. Da muss sich gehörig etwas ändern bei denen, die Bücher bekannt machen und mit Büchern handeln!
Sie könnte auch im deutschsprachigen Raum schlagen. Allerdings - so erleben das Autorinnen und Autoren, aber auch Agenturen seit über einem Jahr - ist die hiesige Krise eine Strukturkrise. Die meisten KollegInnen haben es schmerzhaft zu spüren bekommen, manche, die nicht auf andere Einkünfte zurückgreifen konnten, hat es inzwischen restlos ruiniert: Irgendwie ist Sand im Getriebe der großen Verlagshäuser. Und das nicht erst seit der Wirtschaftskrise.
(Ich berichtete bereits 2008 über den Hunger nach Qualität und die Misere von AutorInnen, die ewig warten.)
Die Strukturkrise in der deutschen Verlagslandschaft ist hausgemacht. Mittlerweile klagen nicht nur AutorInnen darüber, dass in großen Verlagshäusern kaum einer mehr Entscheidungen oder Risiko nehmen mag und Ware außerhalb des Mainstreams fast keine Chance mehr hat. KollegInnen wagen es kaum, sich untereinander zu gestehen, unter welchen Bedingungen sie teilweise arbeiten müssen. Da scheint an manchen Arbeitsplätzen eine Eiseskälte eingezogen zu sein - aber es mangelt auch an Kompetenz und Identifikation mit den Büchern.
Wenn ich mich umhöre, schlucken AutorInnen die dicksten Klöpse, aus Angst, bei Aufmucken gar nicht mehr veröffentlicht zu werden. Die neueste Mode scheint solchen Berichten nach zu sein, dass Lektorinnen Texte regelrecht mit Korrekturen überziehen und es Fragen an der Textkompetenz der Autoren hagelt. Sind die Autoren schlechter geworden? Nein. Es handelt sich um den üblichen Dreh bei nur noch frei beschäftigten Lektorinnen, die zu solchen Superkorrekturen gezwungen werden. Sie müssen nämlich ihre Arbeit nachweisen - sonst sind sie weg vom Fenster und die Nachfolgerin rückt nach. Wie soll man an einem nahezu druckfeinen Text nachweisen, wie viele Stunden man lektoriert hat? Genau: Man hinterlässt Spuren. In Lektorenforen und ähnlichen Gruppen tauscht man sich über die geschicktesten Methoden des Überlebens aus. Hier geht es Verlagen nicht mehr um Bücher und schon gar nicht mehr um den Erhalt der Kreativität eines Autors. Das ist Unternehmens-Controlling, nicht Verlegen. Auf Kosten all derer, die Bücher schaffen.
In diesem Jahr nimmt die Misere sogar noch zu. Inzwischen klagen auch zahlreiche renommierte Agenturen, dass sich die großen Verlage nicht nur immer mehr Zeit für Entscheidungen lassen, sondern ganz offensichtlich nicht einmal mehr wüssten, was sie selbst wollten, wie ein Programm überhaupt aussehen könnte. Es kommt nicht überraschend. Solches Gebaren ist die logische Folge davon, wenn ein Unternehmen nur angebotsorientiert arbeitet statt bedarfsorientiert. Besser zu wissen, was Kunden wollen als diese - das führt in der freien Wirtschaft normalerweise sehr viel schneller zum Exitus.
Der Artikel in der FR zeigt deutlich, woran es auch in unserer Verlagslandschaft hakt: Aufgeblasene Strukturen, ein völlig überhöhter Hype um Promi- und Massenware auf Kosten wirklich gelesener Bücher (mit entsprechenden Investitionen) - und ich möchte das um einige Punkte ergänzen: zunehmend fehlende Unternehmensethik, Personalabbau, Outsourcing, Überhandnehmen von Konferenzen und Besprechungen mit elend komplizierten Entscheidungsstrukturen - und zunehmend mangelnder Verlegergeist.
In der Tat, die kleinen Feinen können sich solche Ressourcenverschwendungen nicht leisten. Die feinen Kleinen mit ihren winzigen Kreditspielräumen, ihrem schlanken Angestelltenstab und dem Zwang, sich gegen Massenware und laut Tönendes durchsetzen zu müssen - die müssen Risiko nehmen, die müssen alles auf eine Karte setzen. Sie müssen schnell handeln, hart arbeiten. Und sie müssen vor allem mit einer ungeheuren Verve an ihre eigenen Visionen und Bücher glauben. Sonst sind sie ganz schnell pleite, ohne dass ein großes Mutterhaus schnell wieder Geld hineinpumpt.
Und was tut eigentlich den Büchern besser? Der März ist der Monat der Jahresabrechnungen in den Verlagen. Die meinen sprechen seit Jahren eine deutliche Sprache: Die Größe eines Verlags sagt überhaupt nichts aus über den Erfolg eines Buchs. Bei mir - wie bei sicher vielen anderen auch - laufen diejenigen Bücher am besten, die vom Verlag am sorgfältigsten beworben und gepflegt werden. Es laufen diejenigen Bücher am besten, die vom Anfang der Produktion an sorgfältig und kompetent betreut wurden - und wo die Autorin den meisten Spaß beim Schreiben und im Teamwork mit dem Lektorat hatte. Es laufen die Bücher am besten, die einen wertigen Platz im Programm bekommen haben und nicht unter ferner liefen einfach auf den Markt gekippt wurden.
Aber so sehr ich der FR zustimmen möchte und mich auf das Kommen der feinen Verlage freue, die noch verlegerische Ideale, Bücher und Autoren pflegen - so sehr macht mir die Entwicklung Angst. Die Luft zum Atmen wird nämlich knapp. Buchhandelsketten, das Marktgebaren von Google, amazon & Co. und teilweise festgefahrene Strukturen im Feuilleton machen es den kleinen Feinen immer schwerer, sich durchzusetzen und bekannt zu werden. Das müsste schneller gehen, denn die Kleinen haben die Finanzkraft nicht. Der Mittelstand geht bekanntlich derzeit leer aus, wenn es Milliarden regnet. Auch Autoren können nicht ewig von Luft und Liebe zum Metier leben.
Hier liegt die größte Herausforderung in der Strukturkrise deutschsprachiger Verlage: Es fehlt eklatant an der Wahrnehmung der kleinen Feinen. Selbst der Literaturbetrieb wirft sich zunehmend dem lauten Promigeschrei und Superstar-Gehabe mit offenen Armen entgegen - während so manche verlegerische Perle nicht einmal mehr zur berühmten Sau findet. Da muss sich gehörig etwas ändern bei denen, die Bücher bekannt machen und mit Büchern handeln!
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