roccultur 04

roccultur: Beißfester als Popkultur, authentisch wie Rocco, unser französischer Korrespondent von der berüchtigten Beauceron-Berger-Belgique-Connection.
Erschnüffelt vom Bodensatz der Feuilletons, herabgezerrt aus den Höhen des Kulturbetriebs. Kurz, knapp, mit einem Wau. Kunst und Literatur, geprüft auf Fresswert und Lustgewinn, bewertet zwischen Schlafen und Schlaraffen. Ein Happs und weg? Oder zum genüsslichen Dauerkauen geeignet? Roccultur hat Platz auch in der kleinsten Hütte.

Die Menschin wünscht sich eine Faschingsnummer von mir. Menschen! Nun gut. Wie wäre es mit der zweibeinertypischen Bezeichnung vom "Schweinehund"? Schon mal darüber nachgedacht, warum die uns das Wort antun? Etwa, um Hundesteuer zu sparen?

Wikipedia weiß anscheinend mal wieder alles besser als ich und klärt uns nur halb auf, aber immerhin: die Deutschen haben zwei Schweinehunde, Effektivität will gelernt sein. Und angeblich sei das alles nicht zu übersetzen, also urdeutsch sozusagen. Da ist einmal der Schweinehund in uns selbst, der sogenannte "innere Schweinehund".Der wird von den meisten Menschen gepflegt und gehegt und irgendwann fett. Ist aber unbedingt zu bekämpfen, will man Mensch bleiben. Sagen Zweibeiner jedoch zu ihrem Gegenüber "Du Schweinehund!", dann ist das eine freundliche Verniedlichung des "Sauhunds" und ein böses Schimpfwort. Nur - warum haben die Deutschen dieses Problem mit ausgerechnet den treuesten und intelligentesten Vierbeinern, die es auf einem Bauernhof gibt? Warum wir?

Tappen wir ins Ausland, wo es das Problem angeblich nicht gibt. Von wegen! Nur die Engländer geben sich mal wieder cool: "to overcome one's weaker self" psychologisiert man sich den inneren Schweinehund weg und schimpft seinen Nachbarn "bastard", unwissend, dass gerade Promenadenmischungen die robustesten Hunde sind. Die Spanier suhlen sich schon eher im Mist des Schweinekobens, wenn sie "den inneren Schweinehund überwinden" mit "dominar los bajos instintos" übersetzen. Irgendwie sind mir die "niederen Instinkte" hier ehrlicher als die schwachen Engländer. Saftiger beschimpft man auch den bösen Nachbarn: "Hijo de puta" - das sind dann diese Wörter, die man sich im Wörterbuch g'schamig verkneift.

Dass Polen sowohl Schweine als auch Hunde mögen, merkt man schon an der Sprache. Gemütlich geht's zu mit dem Schweinehund, denn "zwalcza´c lenia" klingt zwar oberflächlich ein wenig nach kriegsähnlichem Kampf, aber bitte, wenn dann das niedliche Tierchen einfach nur faul ist, sozusagen vor dem inneren Feuer liegt und sich wärmt - da kann man doch so viel nicht kämpfen müssen? Ich lege mich da glatt dazu. Mit den Schimpfwörtern wird es dann schon schwerer, den Reichtum kann ich hier kaum vermitteln.

Beschränken wir uns auf den "´swintuch", der sich direkt vom Schwein und ohne Hund ableitet und in der Verbform einfach "schweinigelt" (im Deutschen hat man es mit komischen Mischwesen) oder sich dreckig benimmt. Was Dreck und Mist betrifft, wäre dann "du Bauer!" nicht das adäquatere Wort gewesen? Es gäbe auch noch den "plugawiec" als Übersetzung. Damit sagen wir unserem Nachbarn, er sei ein unflätiger, schamloser Mensch. Aber selbst wenn der "plugawiec" im Deutschen verschweint wird, im Polnischen denkt man ihn mit Krabbelgetier! "Plugastwo" ist nämlich nicht nur der Dreck im Koben, sondern eher das, was in einer verdreckten Menschenwohnung herumläuft: Ungeziefer.

Beim Nachbarn links sieht alles ganz anders aus. Keine Schweine, keine Hunde, keine Küchenschaben. Franzosen empfinden mit den Sinnen. "Surmonter sa pétoche" heißt "den inneren Schweinehund überwinden. "Surmonter", überwinden, hat auch etwas Körperliches. Der Berg "surmonte" / überragt den See im Tiefland. Folglich wäre "pétoche" jener See da unten. Und in der Tat ist damit etwas Feuchtes ziemlich weit unten gemeint: "Der Schiss in der Büx" wäre die angemessene Übersetzung. Hier wird also endlich der stinkende Mist nicht auf ein edles Tier geschoben, hier gibt der Mensch zu, den Schiss in der eigenen Hose zu haben!

Und deshalb bin ich der Meinung, der wirklich echte Schweinehund der Zukunft kann nur aus Frankreich kommen. Vergessen wir mal all das deutsche Psychogesülze von Motivationstrainern, Fitnesstrainern, Gesundheitstrainern, Mentaltrainern, Erfolgstrainern, Unternehmenscoachs, Ordnungshütern und Diätaposteln - das erinnert dann doch zu sehr an den Missbrauch des inneren Schweinehunds durch die Nazis (die machten auch vor nichts Halt!), die mit Anti-Schweinehund-Propaganda ihre angeblich soldatischen Tugenden durchdrücken wollten. Ich als Hund sehe mit Bedenken die Ähnlichkeiten zwischen Oberfeldwebeln und Trainern, zwischen Diziplin im Schützengraben und vor dem Kühlschrank!

Der innere Schweinehund ist doch, wenn wir ehrlich sind, ein Franzose. Und was für ein wunderbares Tier! Wer je im Périgord war, weiß, dass sich zwei der edelsten Tiere dort einen Beruf teilen, von dem deutsche Gourmets nur träumen können. Schwein und Hund sind aufgrund ihrer Intelligenz, Menschenfreundlichkeit und vor allem ihrer extrem feinen Sinne geradezu dazu prädestiniert, im Dreck zu wühlen, niederstes Kroppzeug im Boden zu erspüren und jede Faulheit zu vergessen, wenn sie dieser Duft in der Nase rührt: der Duft von Trüffeln! Man beschimpft sie nicht - man belohnt sie.

Machen wir uns klar, dass Schweinehunde die ideale Kreuzung von Trüffelschweinen und Trüffelhunden sind! Warum sie bekämpfen, warum sie nicht sogar im Gegenteil ausbilden!?! Menschen, seid stolz, wenn ihr einen inneren Schweinehund habt! Hegt und pflegt ihn. Er zeigt euch Sinnenfreude. Er macht euch immun gegen selbsternannte Ordnunghüter und soldatische Trainer, die ihre Propaganda in Psychoratgebern in die Welt brüllen - nur um euch das zu nehmen, was euch mit dem prallen, saftigen Leben verbindet, in dem man sich doch so lustvoll wälzen könnte wie ein ... Schwein, ein Hund, ein Schweinehund!

Bleiben Sie stark, lassen Sie sich keinen Gummiknüppel für einen Knochen vormachen, und alles wird gut!
Eine geruhsame Nacht,
yours truly Rocco

1 Kommentar:

  1. Rocco lässt sich entschuldigen, dass in dem Beitrag einige kleine "s" fehlen - er hatte offensichtlich noch ein Stück Fleisch am Reißzahn...

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