Vampirkutsche

Mein Auto ist zwar nicht blutrot, aber immerhin höllenrot. Und heute diente es einem leckeren Transport. Was ich an Frankreich so liebe, ist seine "souplesse", sprich Geschmeidigkeit, im Umgang mit Widrigkeiten. Da wird nicht gejammert und lamentiert, sondern fleißig überlegt, wie man die Bojen am leichtesten umfährt.

Wie schafft man es, eine Blutanalyse so schnell wie möglich machen zu lassen, wenn der Arztbote schon durch war, die Krankenschwestern schon unterwegs sind und die nächste Nüchternheit fürs Labor erst wieder am nächsten Tag möglich ist, weil der Magen gegen elf Uhr in den Knien hängt? Zur Erklärung: In Frankreich werden alle Tests außerhalb der Arztpraxen in Labors gemacht, wer die Fahrt scheut, kann zur Dorfkrankenschwester, die morgens eine Stunde lang empfängt. Die Lösung ist einfach: Man lässt sich das Blut gleich beim Arzt abzapfen, nimmt das Spezialpäckchen in Empfang und düst selbst zum nächsten Labor. Das hat zwar, wie alles in diesem Genussland, über Mittag zu, aber man solle ruhig klopfen, mit dem Ding in der Hand würde einem aufgemacht.

Die Kapelle von Jägerthal, im Moment noch nicht so ganz begrünt

Auf zur lustigen Vogesenfahrt! Und das Bild mit den Bojen ist durchaus auch auf die Straßen anzuwenden, denn wohl jede zweite ist derzeit wegen Komplettsanierung gesperrt, vor allem in den Bergen. Es war trotzdem einfach herrlich! Die Umgehung um mindestens zwei Berge herum führte nämlich richtig ins Gebirge, auf diesen herrlichen Waldstrecken, die ich so liebe, wo gerade mal zwei Autos knapp aneinander vorbei passen. Und weil alle außer mir und meinem leeren Magen in der Mittagspause waren, hatte ich das grandiose Panorama ganz für mich allein. Majestätische Tannenwälder, hutzelige Dörfchen, die berühmten Kühe, deren Beine an einer Seite länger sind als an der anderen, hier und da ein bellender Wachhund und ein paar Waldarbeiter. Dann der Ausblick von oben auf das schottisch anmutende Schloss der de Dietrich und ein Tal mit Forellenbächen und in gelben Blüten explodierendem Sumpf. Im künstlich angelegten Stausee futterten sich allerlei Wasservögel satt und mein Magen senkte sich in die Kniekehlen.

Nein, Läden gibt es auf der ganzen Strecke nicht. Nur eine Wallfahrtskapelle in einem Weiler mit dem vielsagenden Namen Wohlfahrtshausen. Ich hätte Stunden so weiterfahren können und wünschte mir eigentlich nur meinen Hund und leckeren Proviant. Aber ich hatte ja Blutsoße abzugeben. Dann, wie so oft in den letzten Jahren, der komplette Kontrast, der Schock; das Elsass, das mich abstößt. Rund 30% Wählerschaft von Le Pen sieht man dem einst schmucken Ort an. Seit dem Wahlsieg Notstand pur, alles heruntergekommen, ganze Ladenzeilen stehen leer, zig Häuser sind zu verkaufen: Wer kann, zieht weg. Schon vor einem halben Jahr gab es überall Brandschäden, so viele Häuser, wie jetzt dort Feuerskelette dastehen, können unmöglich zufällig zerstört worden sein. Dann die Le Pen-Plakate, die Schmierereien an den Wänden - ich war fast froh, dass die Bäckereien geschlossen hatten.

Wieder zurück in die wohltuende Natur, auf der Gourmetroute, Ausschau nach einem der vielen schnuckeligen Dorfrestaurants halten, die ich seit meinen Studentenzeiten kenne. Kein einziges mehr existent, die wenigen sichtbar Geschlossenen ebenfalls heruntergekommen bis zerfallen. Aber dafür werden die Straßen verbreitert und frisch geteert. Damit man in Zukunft noch schneller durchrasen kann und das Leid nicht mehr mitansehen muss.

9 Kommentare:

  1. Schönes Foto, genau solche Landschaften mag ich.

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  2. Nachtrag:

    Es ist nur eine Kleinigkeit, und vielleicht irritiert die auch nur mich:

    Ich hätte versucht, beim dem Foto den unteren Ansatz vom Weg wegzulassen, dann wäre es (nach meinem Geschmack) schöner geworden.

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  3. Ähm ... das ist ein sogenanntes Rohfoto, aus dem Auto heraus und unbearbeitet. Die schönen Fotos von mir gibt's nicht im Web. Die kommen in die Neuauflage vom Elsassbuch, so ich je Zeit dazu finde oder acht zusätzliche Arme :-)

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  4. Ähm ... das ist ein sogenanntes Rohfoto, aus dem Auto heraus und unbearbeitet.

    - Das wusste ich nicht. Ich finde es immer schade, wenn Fotos solche kleinen Störungen aufweisen.

    Ich war aber auch unsicher, ob ich dazu etwas schreiben sollte,weil so etwas oft falsch ankommt.

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  5. Nö, ich freue mich über jede Kritik, denn das hilft mir ja auch, das Foto später evtl entsprechend zu bearbeiten oder auszusortieren! Du weißt, vier Augen sehen mehr als zwei betriebsblinde.

    Aber wenn ich Fotos in Social Media poste, sind das meist "Knipser", die ich einfach direkt hochlade (nur komprimiere), denn ich verdiene keinen Cent daran, dass sich die Leutchen dann im Web dran bedienen ...

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  6. Liebe Petra,

    als ich im ersten Absatz gelesen habe:
    ... Auto ... höllenrot...Frankreich ... "souplesse" .. Geschmeidigkeit, im Umgang mit Widrigkeiten ..
    wurde ich schlagartig an meinen ersten Frankreichbesuch erinnert. Diese Geschichte will ich schnell erzählen. Wenn sie langweilt, kann man ja weiter scrollen.

    1968 hatte ich mein erstes, eigenes Auto, einen roten R4. Nagelneu. Entweder wollte ich sowieso mal nach Paris, oder ich wollte meinem "Olly", wie der R4 hieß, mal sein Heimatland zeigen. Auf der Fahrt nach Paris hörte ich vorne rechts ein "Klack-Klack". Es klang so, als ob in der Radkappe eine Stahlkugel liegt, die ein Stück mitgenommen wird und dann mit einem lauten "Klack" runter fällt. Ich habe wohl die Radkappe mehrfach abgeschraubt und nachgesehen. Ich habe alle Radkappen abgeschraubt und nirgends eine Kugel oder ein anderes loses Teil gefunden.

    Als ich Paris ankam, dachte ich, ich sei ja nun im R4-Land und da würde man mir sicher helfen. Ich fuhr zu einer Werkstatt und trug mein "Problem" vor. Ich berichtete ausführlich von dem "Klack-Klack", das mein R4 von sich gibt.

    Die KFZ-Monteure sahen mich an - sahen sich an - und dann wieder mich und fingen laut an zu lachen. Einige schlugen sich vergnügt auf die Schenkel und wendeten sich wieder ihrer Arbeit zu. Der Meister, ein erfahrener, schon älterer Mann, gab sich Mühe, mich zu beruhigen. Das "Klack-Klack" wird bald aufhören und danach kommt irgendein anderes Geräusch, das auch irgendwann abgelöst wird. Fahren Sie weiter und genießen Sie Paris!

    Er hat völlig Recht behalten - das Klack-Klack war nach nur 2 Monaten verschwunden, dafür fing die Lichtmaschine an zu pfeifen.

    Gruß Heinrich

    P.S. Ich will hier keine Diskussion vom Zaun brechen, aber ich sehe die Sache mit dem Foto völlig anders.
    Gerade der Weg ist für mich als Gehbehinderter wichtig. Er signalisiert mir, dass ich diese Traumlandschaft erreichen kann. Ich muss nicht vom Himmel fallen, um an dieser Stelle zu stehen und diesen Blick genießen zu können.

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  7. Danke für das Teilen dieser Geschichte, lieber Heinrich, sie ist herrlich und macht an diesem grau-diesigen Tag richtig Sonnenlaune (im Ernst, die Sonne kämpft sich gerade durch)!
    Schöne Grüße,
    Petra

    PS: Der "Weg" ist übrigens die "Hauptstraße" auf diesem Berg, im Moment wegen Bauarbeiten so schmal, dass ich mit dem Mantra darauf fahre: "komm mir keiner entgegen!" ;-)

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  8. Für einen Sekundenbruchteil haben Sie mich "reingelegt" *grins*

    Es hätte ja sein können, dass es einen Opel Mantra gibt, da ich mich mit modernen Automarken nicht mehr auskenne, denn Tippfehler findet man bei Ihnen nie!

    Om mani padme hum

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  9. Hihi, ich hab mich selbst reingelegt. Hab das gar nicht gemerkt ;-) Ein neuer Manta-Witz!

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